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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Historische Einleitung.
wähnen: A. Spigelius de formato foetu 1631, den Menschen betreffend
und durch Naivität der Abbildungen sich auszeichnend; C. Needham,
de formato foetu 1667 mit Darstellungen von Säugethierembryonen;
Harvey, Exercitationes de generatione animalium 1652 mit Untersu-
chungen über das Hühnchen und die Säugethiere, die jedoch mit
Bezug auf letztere zu keinen erheblichen Resultaten führten, wäh-
rend Regner de Graaf (+ 1673) durch seine Abhandlung de mulierum
organis
(Opera omnia 1677 Cap. XVI.), durch den Nachweis der nach
ihm benannten Follikel im Eierstocke und des Säugethiereies im Ei-
leiter, sowie durch seinen Ausspruch Omne vivum ex ovo von einem
durchgreifenden Einflusse auf den Gang der weiteren Forschungen
war, obschon es ihm nicht gelang, das Säugethierei im Eierstock
wirklich zu demonstriren, dessen Entdeckung er jedoch sehr nahe
war. Swammerdam ferner (+ 1685) gibt in seiner Bibel der Natur
die Entwicklung des Froscheies und die erste Abbildung eines Fur-
chungsstadiums des Dotters (Tab. XLVIII), Leeuwenhoek wird von
Einfluss durch seine Beschreibung der Samenthierchen, Vallisneri
und Verheyen (Anat. corp. hum.) verfolgen die Eierstöcke im Sinne von
Graaf weiter. Alle aber übertrifft Marcellus Malpighi, der in seinen
zwei Abhandlungen de formatione pulli und de ovo incubato (Opera
omnia
Lugd.-Bat. 1687 Tom. II) die erste zusammenhängende Ge-
schichte des Hühnchens mit vielen feinen Beobachtungen und ver-
hältnissmässig schon sehr guten Abbildungen gibt.

Das 18. Jahrhundert brachte in seiner ersten Hälfte nicht viel18. Jahrhundert.
Erhebliches in unserer Wissenschaft, indem die wenig erquicklichen
Discussionen über die Betheiligung der Eier und der Samenfäden
an der ersten Anlage des Embryo (Ovisten und Animalculisten) und
über die Frage, ob der Embryo im Ei vorgebildet sei oder nicht
(Theorie der Evolution und Epigenese) die Forscher mehr beschäftigten
als die Verfolgung der Thatsachen, und kann ich Ihnen aus dieser
Zeit kaum etwas weiteres namhaft machen als Albinus Icones ossium
foetus
1737 und A. v. Haller's Arbeiten, die besonders in seiner gros-
sen Physiologie und in Deux memoires sur la formation du coeur Lau-
sanne 1758 niedergelegt sind. Da tauchte in der zweiten Hälfte die-
ses Jahrhunderts ein Mann auf, dem die Entwicklungsgeschichte nicht
blos eine Reihe der genauesten Einzelbeobachtungen, sondern auch
ihre erste wissenschaftliche Begründung verdankt, so dass wir
vollkommen berechtigt sind, von ihm an eine neue Periode zu
datiren.


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Historische Einleitung.
wähnen: A. Spigelius de formato foetu 1631, den Menschen betreffend
und durch Naivität der Abbildungen sich auszeichnend; C. Needham,
de formato foetu 1667 mit Darstellungen von Säugethierembryonen;
Harvey, Exercitationes de generatione animalium 1652 mit Untersu-
chungen über das Hühnchen und die Säugethiere, die jedoch mit
Bezug auf letztere zu keinen erheblichen Resultaten führten, wäh-
rend Regner de Graaf († 1673) durch seine Abhandlung de mulierum
organis
(Opera omnia 1677 Cap. XVI.), durch den Nachweis der nach
ihm benannten Follikel im Eierstocke und des Säugethiereies im Ei-
leiter, sowie durch seinen Ausspruch Omne vivum ex ovo von einem
durchgreifenden Einflusse auf den Gang der weiteren Forschungen
war, obschon es ihm nicht gelang, das Säugethierei im Eierstock
wirklich zu demonstriren, dessen Entdeckung er jedoch sehr nahe
war. Swammerdam ferner († 1685) gibt in seiner Bibel der Natur
die Entwicklung des Froscheies und die erste Abbildung eines Fur-
chungsstadiums des Dotters (Tab. XLVIII), Leeuwenhoek wird von
Einfluss durch seine Beschreibung der Samenthierchen, Vallisneri
und Verheyen (Anat. corp. hum.) verfolgen die Eierstöcke im Sinne von
Graaf weiter. Alle aber übertrifft Marcellus Malpighi, der in seinen
zwei Abhandlungen de formatione pulli und de ovo incubato (Opera
omnia
Lugd.-Bat. 1687 Tom. II) die erste zusammenhängende Ge-
schichte des Hühnchens mit vielen feinen Beobachtungen und ver-
hältnissmässig schon sehr guten Abbildungen gibt.

Das 18. Jahrhundert brachte in seiner ersten Hälfte nicht viel18. Jahrhundert.
Erhebliches in unserer Wissenschaft, indem die wenig erquicklichen
Discussionen über die Betheiligung der Eier und der Samenfäden
an der ersten Anlage des Embryo (Ovisten und Animalculisten) und
über die Frage, ob der Embryo im Ei vorgebildet sei oder nicht
(Theorie der Evolution und Epigenese) die Forscher mehr beschäftigten
als die Verfolgung der Thatsachen, und kann ich Ihnen aus dieser
Zeit kaum etwas weiteres namhaft machen als Albinus Icones ossium
foetus
1737 und A. v. Haller’s Arbeiten, die besonders in seiner gros-
sen Physiologie und in Deux mémoires sur la formation du coeur Lau-
sanne 1758 niedergelegt sind. Da tauchte in der zweiten Hälfte die-
ses Jahrhunderts ein Mann auf, dem die Entwicklungsgeschichte nicht
blos eine Reihe der genauesten Einzelbeobachtungen, sondern auch
ihre erste wissenschaftliche Begründung verdankt, so dass wir
vollkommen berechtigt sind, von ihm an eine neue Periode zu
datiren.


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[3/0019] Historische Einleitung. wähnen: A. Spigelius de formato foetu 1631, den Menschen betreffend und durch Naivität der Abbildungen sich auszeichnend; C. Needham, de formato foetu 1667 mit Darstellungen von Säugethierembryonen; Harvey, Exercitationes de generatione animalium 1652 mit Untersu- chungen über das Hühnchen und die Säugethiere, die jedoch mit Bezug auf letztere zu keinen erheblichen Resultaten führten, wäh- rend Regner de Graaf († 1673) durch seine Abhandlung de mulierum organis (Opera omnia 1677 Cap. XVI.), durch den Nachweis der nach ihm benannten Follikel im Eierstocke und des Säugethiereies im Ei- leiter, sowie durch seinen Ausspruch Omne vivum ex ovo von einem durchgreifenden Einflusse auf den Gang der weiteren Forschungen war, obschon es ihm nicht gelang, das Säugethierei im Eierstock wirklich zu demonstriren, dessen Entdeckung er jedoch sehr nahe war. Swammerdam ferner († 1685) gibt in seiner Bibel der Natur die Entwicklung des Froscheies und die erste Abbildung eines Fur- chungsstadiums des Dotters (Tab. XLVIII), Leeuwenhoek wird von Einfluss durch seine Beschreibung der Samenthierchen, Vallisneri und Verheyen (Anat. corp. hum.) verfolgen die Eierstöcke im Sinne von Graaf weiter. Alle aber übertrifft Marcellus Malpighi, der in seinen zwei Abhandlungen de formatione pulli und de ovo incubato (Opera omnia Lugd.-Bat. 1687 Tom. II) die erste zusammenhängende Ge- schichte des Hühnchens mit vielen feinen Beobachtungen und ver- hältnissmässig schon sehr guten Abbildungen gibt. Das 18. Jahrhundert brachte in seiner ersten Hälfte nicht viel Erhebliches in unserer Wissenschaft, indem die wenig erquicklichen Discussionen über die Betheiligung der Eier und der Samenfäden an der ersten Anlage des Embryo (Ovisten und Animalculisten) und über die Frage, ob der Embryo im Ei vorgebildet sei oder nicht (Theorie der Evolution und Epigenese) die Forscher mehr beschäftigten als die Verfolgung der Thatsachen, und kann ich Ihnen aus dieser Zeit kaum etwas weiteres namhaft machen als Albinus Icones ossium foetus 1737 und A. v. Haller’s Arbeiten, die besonders in seiner gros- sen Physiologie und in Deux mémoires sur la formation du coeur Lau- sanne 1758 niedergelegt sind. Da tauchte in der zweiten Hälfte die- ses Jahrhunderts ein Mann auf, dem die Entwicklungsgeschichte nicht blos eine Reihe der genauesten Einzelbeobachtungen, sondern auch ihre erste wissenschaftliche Begründung verdankt, so dass wir vollkommen berechtigt sind, von ihm an eine neue Periode zu datiren. 18. Jahrhundert. 1*

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/19>, abgerufen am 23.04.2024.