Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Köhler, Ulrich: Gedächtnissrede auf Ernst Curtius. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedächtnissrede auf Ernst Curtius.


die aufgewendeten Mittel reichlich gelohnt. Die Sache hat aber noch eine
andere Seite. Es war das erste Mal, dass eine Stätte der griechischen
Cultur nach einem wissenschaftlichen, auf das Ganze angelegten Plan und
mit Zuziehung verschieden geschulter Männer als Leiter ausgegraben wurde.
Das Beispiel hat gewirkt; seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre haben
Regierungen, gelehrte Gesellschaften und Private gewetteifert, der histori-
schen Wissenschaft an andern Stellen des griechischen Landes den gleichen
Dienst zu erweisen. Mit dem Freimuth, der ihm so gut stand, hat Curtius
es in weiteren Kreisen ausgesprochen, welchen Werth er darauf legte, so
viel an ihm lag, den Anstoss zu diesem Wettstreit gegeben zu haben.
Ich würde glauben, eine nicht zu entschuldigende Lücke in dem Bilde
von Curtius' Wirksamkeit zu lassen, wenn ich von seinem Verhältniss zu
unserer wissenschaftlichen Station in Griechenland schweigen wollte. Es
verdient wohl aufbewahrt zu werden, dass die erste Anregung zur Grün-
dung des archäologischen Instituts in der griechischen Hauptstadt von
Curtius ausgegangen und dass der Keim während seines Besuches in Athen
im Herbst 1871 gelegt worden ist. Anfänglich war es nur darauf abgesehen,
einen deutschen Gelehrten als Vertreter der Interessen der Alterthumswissen-
schaft daselbst zu fixiren, aber noch in Athen steckte Curtius das Ziel
höher; "der Kronprinz wird helfen" getröstete er sich. In einem Vortrag
über die Ergebnisse seiner Reise, den er bald nach der Heimkehr in
Berlin vor einem grösseren Publicum hielt, wies er auf die Nothwendigkeit
hin, der deutschen Wissenschaft in Griechenland eine bleibende Stätte zu
bereiten; schon im Herbst 1874, gerade ein Jahr vor dem Beginn der Aus-
grabungen in Olympia, konnte das athenische Institut als Schwesteranstalt
des nicht lange vorher aus einer preussischen in eine Reichsanstalt ver-
wandelten römischen seine Thätigkeit eröffnen. Dass die Entwickelung des
neu gegründeten Instituts sich nicht ganz so vollzog, wie Curtius wohl
gewünscht hätte, hat ihn nicht davon abgehalten, demselben seine werk-
thätige Theilnahme bis zum letzten Augenblicke zu widmen.
Curtius war zart gebaut, aber kerngesund; nach dem Muster seiner
Hellenen liess er es sich angelegen sein, den Körper geschmeidig zu er-
halten; noch in der Göttinger Zeit konnte man ihn am Reck und ein Pferd
tummelnd sehen; später ersetzten längere Reisen die gymnastischen Übungen.
Um so tiefer muss er es empfunden haben, als gegen das Ende die Ge-
bresten des Alters in herbster Form über ihn hereinbrachen, aber die Heiter-


Gedächtnissreden. 1897. I. 3

Gedächtniſsrede auf Ernst Curtius.


die aufgewendeten Mittel reichlich gelohnt. Die Sache hat aber noch eine
andere Seite. Es war das erste Mal, daſs eine Stätte der griechischen
Cultur nach einem wissenschaftlichen, auf das Ganze angelegten Plan und
mit Zuziehung verschieden geschulter Männer als Leiter ausgegraben wurde.
Das Beispiel hat gewirkt; seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre haben
Regierungen, gelehrte Gesellschaften und Private gewetteifert, der histori-
schen Wissenschaft an andern Stellen des griechischen Landes den gleichen
Dienst zu erweisen. Mit dem Freimuth, der ihm so gut stand, hat Curtius
es in weiteren Kreisen ausgesprochen, welchen Werth er darauf legte, so
viel an ihm lag, den Anstoſs zu diesem Wettstreit gegeben zu haben.
Ich würde glauben, eine nicht zu entschuldigende Lücke in dem Bilde
von Curtius’ Wirksamkeit zu lassen, wenn ich von seinem Verhältniſs zu
unserer wissenschaftlichen Station in Griechenland schweigen wollte. Es
verdient wohl aufbewahrt zu werden, daſs die erste Anregung zur Grün-
dung des archäologischen Instituts in der griechischen Hauptstadt von
Curtius ausgegangen und daſs der Keim während seines Besuches in Athen
im Herbst 1871 gelegt worden ist. Anfänglich war es nur darauf abgesehen,
einen deutschen Gelehrten als Vertreter der Interessen der Alterthumswissen-
schaft daselbst zu fixiren, aber noch in Athen steckte Curtius das Ziel
höher; »der Kronprinz wird helfen« getröstete er sich. In einem Vortrag
über die Ergebnisse seiner Reise, den er bald nach der Heimkehr in
Berlin vor einem gröſseren Publicum hielt, wies er auf die Nothwendigkeit
hin, der deutschen Wissenschaft in Griechenland eine bleibende Stätte zu
bereiten; schon im Herbst 1874, gerade ein Jahr vor dem Beginn der Aus-
grabungen in Olympia, konnte das athenische Institut als Schwesteranstalt
des nicht lange vorher aus einer preuſsischen in eine Reichsanstalt ver-
wandelten römischen seine Thätigkeit eröffnen. Daſs die Entwickelung des
neu gegründeten Instituts sich nicht ganz so vollzog, wie Curtius wohl
gewünscht hätte, hat ihn nicht davon abgehalten, demselben seine werk-
thätige Theilnahme bis zum letzten Augenblicke zu widmen.
Curtius war zart gebaut, aber kerngesund; nach dem Muster seiner
Hellenen lieſs er es sich angelegen sein, den Körper geschmeidig zu er-
halten; noch in der Göttinger Zeit konnte man ihn am Reck und ein Pferd
tummelnd sehen; später ersetzten längere Reisen die gymnastischen Übungen.
Um so tiefer muſs er es empfunden haben, als gegen das Ende die Ge-
bresten des Alters in herbster Form über ihn hereinbrachen, aber die Heiter-


Gedächtniſsreden. 1897. I. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0015" n="15"/>
        <fw type="header" place="top"><lb/>
Gedächtni&#x017F;srede auf Ernst Curtius.</fw>
        <fw type="pageNum" place="top">13</fw>
        <p><lb/>
die aufgewendeten Mittel reichlich gelohnt. Die Sache hat aber noch eine<lb/>
andere Seite. Es war das erste Mal, da&#x017F;s eine Stätte der griechischen<lb/>
Cultur nach einem wissenschaftlichen, auf das Ganze angelegten Plan und<lb/>
mit Zuziehung verschieden geschulter Männer als Leiter ausgegraben wurde.<lb/>
Das Beispiel hat gewirkt; seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre haben<lb/>
Regierungen, gelehrte Gesellschaften und Private gewetteifert, der histori-<lb/>
schen Wissenschaft an andern Stellen des griechischen Landes den gleichen<lb/>
Dienst zu erweisen. Mit dem Freimuth, der ihm so gut stand, hat Curtius<lb/>
es in weiteren Kreisen ausgesprochen, welchen Werth er darauf legte, so<lb/>
viel an ihm lag, den Ansto&#x017F;s zu diesem Wettstreit gegeben zu haben.<lb/>
Ich würde glauben, eine nicht zu entschuldigende Lücke in dem Bilde<lb/>
von Curtius&#x2019; Wirksamkeit zu lassen, wenn ich von seinem Verhältni&#x017F;s zu<lb/>
unserer wissenschaftlichen Station in Griechenland schweigen wollte. Es<lb/>
verdient wohl aufbewahrt zu werden, da&#x017F;s die erste Anregung zur Grün-<lb/>
dung des archäologischen Instituts in der griechischen Hauptstadt von<lb/>
Curtius ausgegangen und da&#x017F;s der Keim während seines Besuches in Athen<lb/>
im Herbst 1871 gelegt worden ist. Anfänglich war es nur darauf abgesehen,<lb/>
einen deutschen Gelehrten als Vertreter der Interessen der Alterthumswissen-<lb/>
schaft daselbst zu fixiren, aber noch in Athen steckte Curtius das Ziel<lb/>
höher; »der Kronprinz wird helfen« getröstete er sich. In einem Vortrag<lb/>
über die Ergebnisse seiner Reise, den er bald nach der Heimkehr in<lb/>
Berlin vor einem grö&#x017F;seren Publicum hielt, wies er auf die Nothwendigkeit<lb/>
hin, der deutschen Wissenschaft in Griechenland eine bleibende Stätte zu<lb/>
bereiten; schon im Herbst 1874, gerade ein Jahr vor dem Beginn der Aus-<lb/>
grabungen in Olympia, konnte das athenische Institut als Schwesteranstalt<lb/>
des nicht lange vorher aus einer preu&#x017F;sischen in eine Reichsanstalt ver-<lb/>
wandelten römischen seine Thätigkeit eröffnen. Da&#x017F;s die Entwickelung des<lb/>
neu gegründeten Instituts sich nicht ganz so vollzog, wie Curtius wohl<lb/>
gewünscht hätte, hat ihn nicht davon abgehalten, demselben seine werk-<lb/>
thätige Theilnahme bis zum letzten Augenblicke zu widmen.<lb/>
Curtius war zart gebaut, aber kerngesund; nach dem Muster seiner<lb/>
Hellenen lie&#x017F;s er es sich angelegen sein, den Körper geschmeidig zu er-<lb/>
halten; noch in der Göttinger Zeit konnte man ihn am Reck und ein Pferd<lb/>
tummelnd sehen; später ersetzten längere Reisen die gymnastischen Übungen.<lb/>
Um so tiefer mu&#x017F;s er es empfunden haben, als gegen das Ende die Ge-<lb/>
bresten des Alters in herbster Form über ihn hereinbrachen, aber die Heiter-</p>
        <fw type="sig" place="bottom"><lb/>
Gedächtni&#x017F;sreden. 1897. I. 3</fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0015] Gedächtniſsrede auf Ernst Curtius. 13 die aufgewendeten Mittel reichlich gelohnt. Die Sache hat aber noch eine andere Seite. Es war das erste Mal, daſs eine Stätte der griechischen Cultur nach einem wissenschaftlichen, auf das Ganze angelegten Plan und mit Zuziehung verschieden geschulter Männer als Leiter ausgegraben wurde. Das Beispiel hat gewirkt; seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre haben Regierungen, gelehrte Gesellschaften und Private gewetteifert, der histori- schen Wissenschaft an andern Stellen des griechischen Landes den gleichen Dienst zu erweisen. Mit dem Freimuth, der ihm so gut stand, hat Curtius es in weiteren Kreisen ausgesprochen, welchen Werth er darauf legte, so viel an ihm lag, den Anstoſs zu diesem Wettstreit gegeben zu haben. Ich würde glauben, eine nicht zu entschuldigende Lücke in dem Bilde von Curtius’ Wirksamkeit zu lassen, wenn ich von seinem Verhältniſs zu unserer wissenschaftlichen Station in Griechenland schweigen wollte. Es verdient wohl aufbewahrt zu werden, daſs die erste Anregung zur Grün- dung des archäologischen Instituts in der griechischen Hauptstadt von Curtius ausgegangen und daſs der Keim während seines Besuches in Athen im Herbst 1871 gelegt worden ist. Anfänglich war es nur darauf abgesehen, einen deutschen Gelehrten als Vertreter der Interessen der Alterthumswissen- schaft daselbst zu fixiren, aber noch in Athen steckte Curtius das Ziel höher; »der Kronprinz wird helfen« getröstete er sich. In einem Vortrag über die Ergebnisse seiner Reise, den er bald nach der Heimkehr in Berlin vor einem gröſseren Publicum hielt, wies er auf die Nothwendigkeit hin, der deutschen Wissenschaft in Griechenland eine bleibende Stätte zu bereiten; schon im Herbst 1874, gerade ein Jahr vor dem Beginn der Aus- grabungen in Olympia, konnte das athenische Institut als Schwesteranstalt des nicht lange vorher aus einer preuſsischen in eine Reichsanstalt ver- wandelten römischen seine Thätigkeit eröffnen. Daſs die Entwickelung des neu gegründeten Instituts sich nicht ganz so vollzog, wie Curtius wohl gewünscht hätte, hat ihn nicht davon abgehalten, demselben seine werk- thätige Theilnahme bis zum letzten Augenblicke zu widmen. Curtius war zart gebaut, aber kerngesund; nach dem Muster seiner Hellenen lieſs er es sich angelegen sein, den Körper geschmeidig zu er- halten; noch in der Göttinger Zeit konnte man ihn am Reck und ein Pferd tummelnd sehen; später ersetzten längere Reisen die gymnastischen Übungen. Um so tiefer muſs er es empfunden haben, als gegen das Ende die Ge- bresten des Alters in herbster Form über ihn hereinbrachen, aber die Heiter- Gedächtniſsreden. 1897. I. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR. (2020-03-03T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-03-04T12:13:05Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: ignoriert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • i/j in Fraktur: wie Vorlage;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: nicht übernommen;
  • langes s (ſ): wie Vorlage;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: wie Vorlage;
  • u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
  • Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: ja;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koehler_curtius_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koehler_curtius_1897/15
Zitationshilfe: Köhler, Ulrich: Gedächtnissrede auf Ernst Curtius. Berlin, 1897, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koehler_curtius_1897/15>, abgerufen am 27.04.2024.