befeuert, Opfer der Unzucht geworden! -- Hörts Mütter, vernehmts Töchter! mei- det die Gelegenheit, wo eure Tugend sinken kann; erspart euch die Tränen, da es noch Zeit ist, erkauft euch nicht für den Rausch weniger Minu- ten ein elendes jammervolles Leben -- ein Leben voll Schande und Verachtung, wo euch jedes leblose Wesen anzuklagen scheint, wo euer Ge- wissen euch zuhallt: du bist Schöpferin deines Elends, du könntest ein guter Baum im Garten Gottes sein, dem Wanderer Schatten, dem Gärtner Früchte geben, da du jezt ein ent- laubter kahler Rumpf bist, den man bald ab- hauen und verbrennen wird. Hörts, wie es ferner mit dem entehrten Mädchen ging -- Der Morgen fand sie halb sinnlos auf einsamen La- ger; sie fühlte sich grenzenlos elend, und da sie mit ahndendem Kummer ihren Verlust über- dachte, so entquollen heisse Tränen dem matten Ange. Mit Sehnsucht erwartete sie den Störer ihrer Ruhe -- ihres Glüks! vergebens harrte sie ihn am Morgen entgegen, der Bösewicht fürch- tete ihre Tränen und floh, floh zu einer an- dern Hütte, wo auch eine Unschuld zu verfüh- ren war.
befeuert, Opfer der Unzucht geworden! — Hoͤrts Muͤtter, vernehmts Toͤchter! mei- det die Gelegenheit, wo eure Tugend ſinken kann; erſpart euch die Traͤnen, da es noch Zeit iſt, erkauft euch nicht fuͤr den Rauſch weniger Minu- ten ein elendes jammervolles Leben — ein Leben voll Schande und Verachtung, wo euch jedes lebloſe Weſen anzuklagen ſcheint, wo euer Ge- wiſſen euch zuhallt: du biſt Schoͤpferin deines Elends, du koͤnnteſt ein guter Baum im Garten Gottes ſein, dem Wanderer Schatten, dem Gaͤrtner Fruͤchte geben, da du jezt ein ent- laubter kahler Rumpf biſt, den man bald ab- hauen und verbrennen wird. Hoͤrts, wie es ferner mit dem entehrten Maͤdchen ging — Der Morgen fand ſie halb ſinnlos auf einſamen La- ger; ſie fuͤhlte ſich grenzenlos elend, und da ſie mit ahndendem Kummer ihren Verluſt uͤber- dachte, ſo entquollen heiſſe Traͤnen dem matten Ange. Mit Sehnſucht erwartete ſie den Stoͤrer ihrer Ruhe — ihres Gluͤks! vergebens harrte ſie ihn am Morgen entgegen, der Boͤſewicht fuͤrch- tete ihre Traͤnen und floh, floh zu einer an- dern Huͤtte, wo auch eine Unſchuld zu verfuͤh- ren war.
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befeuert, Opfer der Unzucht geworden! —
Hoͤrts Muͤtter, vernehmts Toͤchter! mei-
det die Gelegenheit, wo eure Tugend ſinken kann;
erſpart euch die Traͤnen, da es noch Zeit iſt,
erkauft euch nicht fuͤr den Rauſch weniger Minu-
ten ein elendes jammervolles Leben — ein Leben
voll Schande und Verachtung, wo euch jedes
lebloſe Weſen anzuklagen ſcheint, wo euer Ge-
wiſſen euch zuhallt: du biſt Schoͤpferin deines
Elends, du koͤnnteſt ein guter Baum im
Garten Gottes ſein, dem Wanderer Schatten,
dem Gaͤrtner Fruͤchte geben, da du jezt ein ent-
laubter kahler Rumpf biſt, den man bald ab-
hauen und verbrennen wird. Hoͤrts, wie es
ferner mit dem entehrten Maͤdchen ging — Der
Morgen fand ſie halb ſinnlos auf einſamen La-
ger; ſie fuͤhlte ſich grenzenlos elend, und da ſie
mit ahndendem Kummer ihren Verluſt uͤber-
dachte, ſo entquollen heiſſe Traͤnen dem matten
Ange. Mit Sehnſucht erwartete ſie den Stoͤrer
ihrer Ruhe — ihres Gluͤks! vergebens harrte ſie
ihn am Morgen entgegen, der Boͤſewicht fuͤrch-
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ren war.
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/70>, abgerufen am 23.11.2024.
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