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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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bei deren Anblik des Jünglings Wange entglühte
und sein Blik verschäm[t] zur Erde sank; nun eine
Sklavin der Mode und des Ceremoniels --
zwar noch rein im stralenden Schimmergewande,
noch schuldlos im rauschenden Taft, aber wird
sie's bleiben, wenn sie an der Hand einer thörich-
ten Mutter geleitet, den vergiftenden Hauch der
Schmeichelei eintrinkt? der Boden, den sie be-
tritt, ist ein hellgeschliffener Stal, wie leicht kön-
nen ihre Füsse ausgleiten und fallen -- wie viele
sind gefallen, hatten sich berauscht im Kelch der
Thorheit und sanken taumelnd zu Boden!

Der Ruf von dem reizenden Bürgermäd-
chen
drang bis über die Grenzen der Stadt hin-
ans, lokte viele herbei, und sie fanden mehr als
das Gerücht sagte. Ein unglükliches Geschik
führte auch einen jungen Baron an diesen Ort --
einen wüsten Wollüstling, der schon manche Un-
schuld entehrt, manchem Landmädchen die Krone
entrissen -- der von seiner Reise nach Paris
nichts als die feine Kunst zurükgebracht hatte,
junge Mädchen zu verführen, und in unbefange-
ne Seelen den Saamen der Unzucht zu streuen.
Er kam, wurde mit Freude empfangen, mit
Freude in alle Gesellschaften eingeführt, (denn

bei deren Anblik des Juͤnglings Wange entgluͤhte
und ſein Blik verſchaͤm[t] zur Erde ſank; nun eine
Sklavin der Mode und des Ceremoniels
zwar noch rein im ſtralenden Schimmergewande,
noch ſchuldlos im rauſchenden Taft, aber wird
ſie’s bleiben, wenn ſie an der Hand einer thoͤrich-
ten Mutter geleitet, den vergiftenden Hauch der
Schmeichelei eintrinkt? der Boden, den ſie be-
tritt, iſt ein hellgeſchliffener Stal, wie leicht koͤn-
nen ihre Fuͤſſe ausgleiten und fallen — wie viele
ſind gefallen, hatten ſich berauſcht im Kelch der
Thorheit und ſanken taumelnd zu Boden!

Der Ruf von dem reizenden Buͤrgermaͤd-
chen
drang bis uͤber die Grenzen der Stadt hin-
ans, lokte viele herbei, und ſie fanden mehr als
das Geruͤcht ſagte. Ein ungluͤkliches Geſchik
fuͤhrte auch einen jungen Baron an dieſen Ort —
einen wuͤſten Wolluͤſtling, der ſchon manche Un-
ſchuld entehrt, manchem Landmaͤdchen die Krone
entriſſen — der von ſeiner Reiſe nach Paris
nichts als die feine Kunſt zuruͤkgebracht hatte,
junge Maͤdchen zu verfuͤhren, und in unbefange-
ne Seelen den Saamen der Unzucht zu ſtreuen.
Er kam, wurde mit Freude empfangen, mit
Freude in alle Geſellſchaften eingefuͤhrt, (denn

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[56/0064] bei deren Anblik des Juͤnglings Wange entgluͤhte und ſein Blik verſchaͤmt zur Erde ſank; nun eine Sklavin der Mode und des Ceremoniels — zwar noch rein im ſtralenden Schimmergewande, noch ſchuldlos im rauſchenden Taft, aber wird ſie’s bleiben, wenn ſie an der Hand einer thoͤrich- ten Mutter geleitet, den vergiftenden Hauch der Schmeichelei eintrinkt? der Boden, den ſie be- tritt, iſt ein hellgeſchliffener Stal, wie leicht koͤn- nen ihre Fuͤſſe ausgleiten und fallen — wie viele ſind gefallen, hatten ſich berauſcht im Kelch der Thorheit und ſanken taumelnd zu Boden! Der Ruf von dem reizenden Buͤrgermaͤd- chen drang bis uͤber die Grenzen der Stadt hin- ans, lokte viele herbei, und ſie fanden mehr als das Geruͤcht ſagte. Ein ungluͤkliches Geſchik fuͤhrte auch einen jungen Baron an dieſen Ort — einen wuͤſten Wolluͤſtling, der ſchon manche Un- ſchuld entehrt, manchem Landmaͤdchen die Krone entriſſen — der von ſeiner Reiſe nach Paris nichts als die feine Kunſt zuruͤkgebracht hatte, junge Maͤdchen zu verfuͤhren, und in unbefange- ne Seelen den Saamen der Unzucht zu ſtreuen. Er kam, wurde mit Freude empfangen, mit Freude in alle Geſellſchaften eingefuͤhrt, (denn

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/64>, abgerufen am 23.11.2024.