der sich vom Aberglauben unterjochen, und von Heuchlern beherrschen läßt -- --
Doch laßt uns noch eine anderere Szene be- trachten. Unsere biedere Ahnherren waren keusch und züchtig, und sezten in Ausübung der Keusch- heit ihren Ruhm und Grösse; wir aber, mit hel- len aufgeklärten Begriffen, kennen das Wort nicht mehr, und haben die Keuschheit aus unsern Grenzen verbannt. Eheliche Treue ist zum Mär- chen bei uns herabgesunken, an das nur noch der Pöbel in Hütten glaubt, wir sezzen uns über die seichten Begriffe der Treue weg, und suchen jezt sogar Polygamien einzuführen, und Ehe- verbindungen zu blossen Verträgen her- abzusezzen, die ohne Mitwürkung der Religion sancirt werden sollen.
Unsere Jugend rühmt sich der unrühmlichen Siege, die sie auf dem Pfade der Wollust er- kämpfet, errötet nicht, Töne zu stammeln, dafür der Tahitische Bewoner sich entsezzen würde. Ohne Grundsäzze in die Welt gesezt, wälzt sie sich auf dem üppigen Lager der Wollust und Un- zucht, schwelgt am Male der Ueppigkeit und Völlerei, bis der entnervte Bau des Körpers sinkt, und das wankende Skelet siech und athem-
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der ſich vom Aberglauben unterjochen, und von Heuchlern beherrſchen laͤßt — —
Doch laßt uns noch eine anderere Szene be- trachten. Unſere biedere Ahnherren waren keuſch und zuͤchtig, und ſezten in Ausuͤbung der Keuſch- heit ihren Ruhm und Groͤſſe; wir aber, mit hel- len aufgeklaͤrten Begriffen, kennen das Wort nicht mehr, und haben die Keuſchheit aus unſern Grenzen verbannt. Eheliche Treue iſt zum Maͤr- chen bei uns herabgeſunken, an das nur noch der Poͤbel in Huͤtten glaubt, wir ſezzen uns uͤber die ſeichten Begriffe der Treue weg, und ſuchen jezt ſogar Polygamien einzufuͤhren, und Ehe- verbindungen zu bloſſen Vertraͤgen her- abzuſezzen, die ohne Mitwuͤrkung der Religion ſancirt werden ſollen.
Unſere Jugend ruͤhmt ſich der unruͤhmlichen Siege, die ſie auf dem Pfade der Wolluſt er- kaͤmpfet, erroͤtet nicht, Toͤne zu ſtammeln, dafuͤr der Tahitiſche Bewoner ſich entſezzen wuͤrde. Ohne Grundſaͤzze in die Welt geſezt, waͤlzt ſie ſich auf dem uͤppigen Lager der Wolluſt und Un- zucht, ſchwelgt am Male der Ueppigkeit und Voͤllerei, bis der entnervte Bau des Koͤrpers ſinkt, und das wankende Skelet ſiech und athem-
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der ſich vom Aberglauben unterjochen, und von
Heuchlern beherrſchen laͤßt — —
Doch laßt uns noch eine anderere Szene be-
trachten. Unſere biedere Ahnherren waren keuſch
und zuͤchtig, und ſezten in Ausuͤbung der Keuſch-
heit ihren Ruhm und Groͤſſe; wir aber, mit hel-
len aufgeklaͤrten Begriffen, kennen das Wort
nicht mehr, und haben die Keuſchheit aus unſern
Grenzen verbannt. Eheliche Treue iſt zum Maͤr-
chen bei uns herabgeſunken, an das nur noch der
Poͤbel in Huͤtten glaubt, wir ſezzen uns uͤber
die ſeichten Begriffe der Treue weg, und ſuchen
jezt ſogar Polygamien einzufuͤhren, und Ehe-
verbindungen zu bloſſen Vertraͤgen her-
abzuſezzen, die ohne Mitwuͤrkung der
Religion ſancirt werden ſollen.
Unſere Jugend ruͤhmt ſich der unruͤhmlichen
Siege, die ſie auf dem Pfade der Wolluſt er-
kaͤmpfet, erroͤtet nicht, Toͤne zu ſtammeln, dafuͤr
der Tahitiſche Bewoner ſich entſezzen wuͤrde.
Ohne Grundſaͤzze in die Welt geſezt, waͤlzt ſie
ſich auf dem uͤppigen Lager der Wolluſt und Un-
zucht, ſchwelgt am Male der Ueppigkeit und
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/31>, abgerufen am 05.07.2024.
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