Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

los herumkeucht, und von jedem Lüftchen ange-
haucht, ein elendes jämmerliches Leben ausdün-
stet. Das vollwangigte deutsche Mädchen
verrichtete Männerthaten, liebte nur den mu-
thigen Krieger, der besprüzt vom Blut vaterlän-
discher Feinde in ihre ofne Arme eilte, und
ausruhte von errungenen Siegen -- Ward
Frau von unbescholtener Treue, von edlen
Sitten, der Grosmut und Gastfreiheit, ward
Mutter, die mannbare Söhne zeugte, und
schönen Töchtern das Dasein gab -- Und wir?
o, ich mag den Vorhang nicht zurükschlagen,
und euch das traurige Bild eurer Töchter,
Frauen
und Mütter zeigen! es nur zu entwer-
fen, würde mein Herz erschüttern, und ich
könnte mit der Vorsicht murren, daß sie uns so
verworfen hat. Aber daß wir glauben, wir sind
aufgeklärt und weise, wann wir alte biedere Sit-
ten verachten, am Narrenseile des Franzmanns
tanzen und jeder neuen lächerlichen Mode den
Zugang verstatten, wann wir die zügello-
sen Sitten des Auslands nachahmen und alle
heiligen Gebräuche der Religion entheiligen, dies
ist gewiß der traurigste, wehmüthigste Anblik!

los herumkeucht, und von jedem Luͤftchen ange-
haucht, ein elendes jaͤmmerliches Leben ausduͤn-
ſtet. Das vollwangigte deutſche Maͤdchen
verrichtete Maͤnnerthaten, liebte nur den mu-
thigen Krieger, der beſpruͤzt vom Blut vaterlaͤn-
diſcher Feinde in ihre ofne Arme eilte, und
ausruhte von errungenen Siegen — Ward
Frau von unbeſcholtener Treue, von edlen
Sitten, der Grosmut und Gaſtfreiheit, ward
Mutter, die mannbare Soͤhne zeugte, und
ſchoͤnen Toͤchtern das Daſein gab — Und wir?
o, ich mag den Vorhang nicht zuruͤkſchlagen,
und euch das traurige Bild eurer Toͤchter,
Frauen
und Muͤtter zeigen! es nur zu entwer-
fen, wuͤrde mein Herz erſchuͤttern, und ich
koͤnnte mit der Vorſicht murren, daß ſie uns ſo
verworfen hat. Aber daß wir glauben, wir ſind
aufgeklaͤrt und weiſe, wann wir alte biedere Sit-
ten verachten, am Narrenſeile des Franzmanns
tanzen und jeder neuen laͤcherlichen Mode den
Zugang verſtatten, wann wir die zuͤgello-
ſen Sitten des Auslands nachahmen und alle
heiligen Gebraͤuche der Religion entheiligen, dies
iſt gewiß der traurigſte, wehmuͤthigſte Anblik!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="24"/>
los herumkeucht, und von jedem Lu&#x0364;ftchen ange-<lb/>
haucht, ein elendes ja&#x0364;mmerliches Leben ausdu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;tet. Das <hi rendition="#fr">vollwangigte deut&#x017F;che Ma&#x0364;dchen</hi><lb/>
verrichtete Ma&#x0364;nnerthaten, liebte nur den mu-<lb/>
thigen Krieger, der be&#x017F;pru&#x0364;zt vom Blut vaterla&#x0364;n-<lb/>
di&#x017F;cher Feinde in ihre ofne Arme eilte, und<lb/>
ausruhte von errungenen Siegen &#x2014; Ward<lb/><hi rendition="#fr">Frau von unbe&#x017F;choltener Treue,</hi> von edlen<lb/>
Sitten, der Grosmut und Ga&#x017F;tfreiheit, ward<lb/><hi rendition="#fr">Mutter,</hi> die mannbare So&#x0364;hne zeugte, und<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen To&#x0364;chtern das Da&#x017F;ein gab &#x2014; Und wir?<lb/>
o, ich mag den Vorhang nicht zuru&#x0364;k&#x017F;chlagen,<lb/>
und <hi rendition="#fr">euch</hi> das traurige Bild <hi rendition="#fr">eurer To&#x0364;chter,<lb/>
Frauen</hi> und <hi rendition="#fr">Mu&#x0364;tter</hi> zeigen! es nur zu entwer-<lb/>
fen, wu&#x0364;rde mein Herz er&#x017F;chu&#x0364;ttern, und ich<lb/>
ko&#x0364;nnte mit der Vor&#x017F;icht murren, daß &#x017F;ie uns &#x017F;o<lb/>
verworfen hat. Aber daß wir glauben, wir &#x017F;ind<lb/>
aufgekla&#x0364;rt und wei&#x017F;e, wann wir alte biedere Sit-<lb/>
ten verachten, am Narren&#x017F;eile des Franzmanns<lb/>
tanzen und jeder neuen la&#x0364;cherlichen Mode den<lb/>
Zugang ver&#x017F;tatten, wann wir die zu&#x0364;gello-<lb/>
&#x017F;en Sitten des Auslands nachahmen und alle<lb/>
heiligen Gebra&#x0364;uche der Religion entheiligen, dies<lb/>
i&#x017F;t gewiß der traurig&#x017F;te, wehmu&#x0364;thig&#x017F;te Anblik!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0032] los herumkeucht, und von jedem Luͤftchen ange- haucht, ein elendes jaͤmmerliches Leben ausduͤn- ſtet. Das vollwangigte deutſche Maͤdchen verrichtete Maͤnnerthaten, liebte nur den mu- thigen Krieger, der beſpruͤzt vom Blut vaterlaͤn- diſcher Feinde in ihre ofne Arme eilte, und ausruhte von errungenen Siegen — Ward Frau von unbeſcholtener Treue, von edlen Sitten, der Grosmut und Gaſtfreiheit, ward Mutter, die mannbare Soͤhne zeugte, und ſchoͤnen Toͤchtern das Daſein gab — Und wir? o, ich mag den Vorhang nicht zuruͤkſchlagen, und euch das traurige Bild eurer Toͤchter, Frauen und Muͤtter zeigen! es nur zu entwer- fen, wuͤrde mein Herz erſchuͤttern, und ich koͤnnte mit der Vorſicht murren, daß ſie uns ſo verworfen hat. Aber daß wir glauben, wir ſind aufgeklaͤrt und weiſe, wann wir alte biedere Sit- ten verachten, am Narrenſeile des Franzmanns tanzen und jeder neuen laͤcherlichen Mode den Zugang verſtatten, wann wir die zuͤgello- ſen Sitten des Auslands nachahmen und alle heiligen Gebraͤuche der Religion entheiligen, dies iſt gewiß der traurigſte, wehmuͤthigſte Anblik!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/32
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/32>, abgerufen am 26.04.2024.