haben, so mußte ich die abscheulichen Gesezze der Ehre, die ich stets verachtet hatte, erfüllen. Jch thats auf vieles Zureden derer, die sich noch meine Freunde nannten; und da mir das Be- wustsein meiner Unschuld Stärke lieh, so war ich so unglüklich (denn ein Glük war es nie), dem einen von jenen Räubern eine solche Wunde bey- zubringen, die ihm den Gebrauch eines Gliedes benahm. Die That ward den Gerichten hinter- bracht, man schleppte mich ins Gefängniß -- zwei Jahre währte mein Prozeß, und der Aus- gang war: mein Gegner kaufte sich mit Geld los, und blieb; ich aber, den die Ver- leumdung auch um die Wolthaten meiner Gön- ner gebracht hatte, und also ganz entblößt war, wurde aus den Grenzen verwiesen. Frei war ich nun, aber wie?
Abgezehrt und bleich schlich ich zum Thor hinaus, meine Effekten waren verkauft, um den Kerkermeister zu befriedigen; ich war also ganz arm, die ganze Welt war mein, und ich gehörte der ganzen Welt. Man hob mich als einen Land- streicher und liederlichen Menschen auf, und stekte mich, so ausgemergelt und saftlos ich auch war, unter ein Feldregiment. Alle die Mishandlun-
S 5
haben, ſo mußte ich die abſcheulichen Geſezze der Ehre, die ich ſtets verachtet hatte, erfuͤllen. Jch thats auf vieles Zureden derer, die ſich noch meine Freunde nannten; und da mir das Be- wuſtſein meiner Unſchuld Staͤrke lieh, ſo war ich ſo ungluͤklich (denn ein Gluͤk war es nie), dem einen von jenen Raͤubern eine ſolche Wunde bey- zubringen, die ihm den Gebrauch eines Gliedes benahm. Die That ward den Gerichten hinter- bracht, man ſchleppte mich ins Gefaͤngniß — zwei Jahre waͤhrte mein Prozeß, und der Aus- gang war: mein Gegner kaufte ſich mit Geld los, und blieb; ich aber, den die Ver- leumdung auch um die Wolthaten meiner Goͤn- ner gebracht hatte, und alſo ganz entbloͤßt war, wurde aus den Grenzen verwieſen. Frei war ich nun, aber wie?
Abgezehrt und bleich ſchlich ich zum Thor hinaus, meine Effekten waren verkauft, um den Kerkermeiſter zu befriedigen; ich war alſo ganz arm, die ganze Welt war mein, und ich gehoͤrte der ganzen Welt. Man hob mich als einen Land- ſtreicher und liederlichen Menſchen auf, und ſtekte mich, ſo ausgemergelt und ſaftlos ich auch war, unter ein Feldregiment. Alle die Mishandlun-
S 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0289"n="281"/>
haben, ſo mußte ich die abſcheulichen Geſezze<lb/>
der Ehre, die ich ſtets verachtet hatte, erfuͤllen.<lb/>
Jch thats auf vieles Zureden derer, die ſich noch<lb/>
meine Freunde nannten; und da mir das Be-<lb/>
wuſtſein meiner Unſchuld Staͤrke lieh, ſo war<lb/>
ich ſo ungluͤklich (denn ein Gluͤk war es nie), dem<lb/>
einen von jenen Raͤubern eine ſolche Wunde bey-<lb/>
zubringen, die ihm den Gebrauch eines Gliedes<lb/>
benahm. Die That ward den Gerichten hinter-<lb/>
bracht, man ſchleppte mich ins Gefaͤngniß —<lb/>
zwei Jahre waͤhrte mein Prozeß, und der Aus-<lb/>
gang war: <hirendition="#fr">mein Gegner kaufte ſich mit<lb/>
Geld los, und blieb;</hi> ich aber, den die Ver-<lb/>
leumdung auch um die Wolthaten meiner Goͤn-<lb/>
ner gebracht hatte, und alſo ganz entbloͤßt war,<lb/><hirendition="#fr">wurde aus den Grenzen verwieſen.</hi> Frei<lb/>
war ich nun, aber wie?</p><lb/><p>Abgezehrt und bleich ſchlich ich zum Thor<lb/>
hinaus, meine Effekten waren verkauft, um den<lb/>
Kerkermeiſter zu befriedigen; ich war alſo ganz<lb/>
arm, die ganze Welt war mein, und ich gehoͤrte<lb/>
der ganzen Welt. Man hob mich als einen Land-<lb/>ſtreicher und liederlichen Menſchen auf, und ſtekte<lb/>
mich, ſo ausgemergelt und ſaftlos ich auch war,<lb/>
unter ein Feldregiment. Alle die Mishandlun-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[281/0289]
haben, ſo mußte ich die abſcheulichen Geſezze
der Ehre, die ich ſtets verachtet hatte, erfuͤllen.
Jch thats auf vieles Zureden derer, die ſich noch
meine Freunde nannten; und da mir das Be-
wuſtſein meiner Unſchuld Staͤrke lieh, ſo war
ich ſo ungluͤklich (denn ein Gluͤk war es nie), dem
einen von jenen Raͤubern eine ſolche Wunde bey-
zubringen, die ihm den Gebrauch eines Gliedes
benahm. Die That ward den Gerichten hinter-
bracht, man ſchleppte mich ins Gefaͤngniß —
zwei Jahre waͤhrte mein Prozeß, und der Aus-
gang war: mein Gegner kaufte ſich mit
Geld los, und blieb; ich aber, den die Ver-
leumdung auch um die Wolthaten meiner Goͤn-
ner gebracht hatte, und alſo ganz entbloͤßt war,
wurde aus den Grenzen verwieſen. Frei
war ich nun, aber wie?
Abgezehrt und bleich ſchlich ich zum Thor
hinaus, meine Effekten waren verkauft, um den
Kerkermeiſter zu befriedigen; ich war alſo ganz
arm, die ganze Welt war mein, und ich gehoͤrte
der ganzen Welt. Man hob mich als einen Land-
ſtreicher und liederlichen Menſchen auf, und ſtekte
mich, ſo ausgemergelt und ſaftlos ich auch war,
unter ein Feldregiment. Alle die Mishandlun-
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/289>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.