Munde weg, und mein Auge hob sich empor zum Siz der Gottheit, und sagte laut, laß sie alle, alle glüklich sein. -- Er ist glüklich -- kurz hernach sah ich ihn entschlummern, sah sein brechendes Auge, die stille Würde, mit der er von dieser Bühne schied -- den lezten Blik! o diesen Blik, Vater und Herr meines Lebens! geuß ihn in mein brechendes Auge, wann es sich ewig schließen wird. Verzeihen sie, das Zurükerin- nern an diese Szene macht mich schwazhaft, denn nie habe ich eine andere Freude wieder empfunden, als die der Erinnerung; und sie wird mir auch auf dem harten Lager ein sanftes Ruheküssen sein, wann ich von hinnen scheide.
Das Gerücht von dieser That verbreitete| sich bald in der ganzen Stadt, wenige waren es, die sie billigten, so viele gaben ihr das Gepräge der Unlauterkeit. Die beiden Räuber der Unschuld rotteten sich mit andern ihres Gelichters zusam- men, überfielen mich einst des Abends, und mishandelten mich dergestalt, daß ich halb tod zu Hause geschleppt ward, und lange unter den Hän- den des Wundarztes zubringen mußte. Jch ward allenthalben der Gegenstand des Spottes und der Verfolgung, und wollt ich einigermaßen Ruhe
Munde weg, und mein Auge hob ſich empor zum Siz der Gottheit, und ſagte laut, laß ſie alle, alle gluͤklich ſein. — Er iſt gluͤklich — kurz hernach ſah ich ihn entſchlummern, ſah ſein brechendes Auge, die ſtille Wuͤrde, mit der er von dieſer Buͤhne ſchied — den lezten Blik! o dieſen Blik, Vater und Herr meines Lebens! geuß ihn in mein brechendes Auge, wann es ſich ewig ſchließen wird. Verzeihen ſie, das Zuruͤkerin- nern an dieſe Szene macht mich ſchwazhaft, denn nie habe ich eine andere Freude wieder empfunden, als die der Erinnerung; und ſie wird mir auch auf dem harten Lager ein ſanftes Ruhekuͤſſen ſein, wann ich von hinnen ſcheide.
Das Geruͤcht von dieſer That verbreitete| ſich bald in der ganzen Stadt, wenige waren es, die ſie billigten, ſo viele gaben ihr das Gepraͤge der Unlauterkeit. Die beiden Raͤuber der Unſchuld rotteten ſich mit andern ihres Gelichters zuſam- men, uͤberfielen mich einſt des Abends, und mishandelten mich dergeſtalt, daß ich halb tod zu Hauſe geſchleppt ward, und lange unter den Haͤn- den des Wundarztes zubringen mußte. Jch ward allenthalben der Gegenſtand des Spottes und der Verfolgung, und wollt ich einigermaßen Ruhe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="280"/>
Munde weg, und mein Auge hob ſich empor<lb/>
zum Siz der Gottheit, und ſagte laut, <hirendition="#fr">laß ſie<lb/>
alle, alle gluͤklich ſein. — Er iſt gluͤklich</hi>—<lb/>
kurz hernach ſah ich ihn entſchlummern, ſah ſein<lb/>
brechendes Auge, die ſtille Wuͤrde, mit der er<lb/>
von dieſer Buͤhne ſchied —<hirendition="#fr">den lezten Blik!</hi> o<lb/>
dieſen Blik, <hirendition="#fr">Vater und Herr</hi> meines Lebens!<lb/>
geuß ihn in mein brechendes Auge, wann es ſich<lb/>
ewig ſchließen wird. Verzeihen ſie, das Zuruͤkerin-<lb/>
nern an dieſe Szene macht mich ſchwazhaft, denn<lb/>
nie habe ich eine andere Freude wieder empfunden,<lb/>
als die der <hirendition="#fr">Erinnerung;</hi> und ſie wird mir auch<lb/>
auf dem harten Lager ein ſanftes Ruhekuͤſſen<lb/>ſein, wann ich von hinnen ſcheide.</p><lb/><p>Das Geruͤcht von dieſer That verbreitete| ſich<lb/>
bald in der ganzen Stadt, wenige waren es, die<lb/>ſie billigten, ſo viele gaben ihr das Gepraͤge der<lb/>
Unlauterkeit. Die beiden Raͤuber der Unſchuld<lb/>
rotteten ſich mit andern ihres Gelichters zuſam-<lb/>
men, uͤberfielen mich einſt des Abends, und<lb/>
mishandelten mich dergeſtalt, daß ich halb tod zu<lb/>
Hauſe geſchleppt ward, und lange unter den Haͤn-<lb/>
den des Wundarztes zubringen mußte. Jch ward<lb/>
allenthalben der Gegenſtand des Spottes und der<lb/>
Verfolgung, und wollt ich einigermaßen Ruhe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[280/0288]
Munde weg, und mein Auge hob ſich empor
zum Siz der Gottheit, und ſagte laut, laß ſie
alle, alle gluͤklich ſein. — Er iſt gluͤklich —
kurz hernach ſah ich ihn entſchlummern, ſah ſein
brechendes Auge, die ſtille Wuͤrde, mit der er
von dieſer Buͤhne ſchied — den lezten Blik! o
dieſen Blik, Vater und Herr meines Lebens!
geuß ihn in mein brechendes Auge, wann es ſich
ewig ſchließen wird. Verzeihen ſie, das Zuruͤkerin-
nern an dieſe Szene macht mich ſchwazhaft, denn
nie habe ich eine andere Freude wieder empfunden,
als die der Erinnerung; und ſie wird mir auch
auf dem harten Lager ein ſanftes Ruhekuͤſſen
ſein, wann ich von hinnen ſcheide.
Das Geruͤcht von dieſer That verbreitete| ſich
bald in der ganzen Stadt, wenige waren es, die
ſie billigten, ſo viele gaben ihr das Gepraͤge der
Unlauterkeit. Die beiden Raͤuber der Unſchuld
rotteten ſich mit andern ihres Gelichters zuſam-
men, uͤberfielen mich einſt des Abends, und
mishandelten mich dergeſtalt, daß ich halb tod zu
Hauſe geſchleppt ward, und lange unter den Haͤn-
den des Wundarztes zubringen mußte. Jch ward
allenthalben der Gegenſtand des Spottes und der
Verfolgung, und wollt ich einigermaßen Ruhe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/288>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.