chen edlen Jünglings wehrt. Und warum sie nicht Blüten und Früchte trieb? -- gibt's nicht Stürme, die auch der Cedern nicht schonen? gibt's |nicht tausend lächerliche Vorurteile, im Mantel des Altertums gehüllt? gibt's nicht Fes- seln des sklavischen Wolstandes? und noch stand keiner auf, der sie abgeschüttelt, und auf immer zerbrochen hätte. Wol uns, wir wären ihrer entlastet! so würden der heimlichen Tränen we- niger fliessen, so dürften sich Jünglinge und Mädchen nicht abhärmen, und im langsamen Jammer dahin schmachten und sterben, so dürf- ten wir nicht ausrufen: Gott! was ist der Mensch, wenn dein grössestes Geschenk, ein empfindsames Herz sein Elend aus- macht, und eine Klippe wird, an der sein Glük, ja sein Leben scheitert. O Jüng- linge! denen die Natur ein weiches gefühlvolles Herz zum Erbteil gab, die ihr aber auch zu kämpfen habt, mit Natur in euch selbst, wid- met euch früh der Religion! sie ist euch eine sichere Stüzze, wenn euer Glaube wankt, ein getreuer Rathgeber in allen zweifelhaften Fällen eures Lebens, und wann ihr auf rastlosem Lager um Tränen fleht, so träufelt sie Ruhe und Trost
chen edlen Juͤnglings wehrt. Und warum ſie nicht Bluͤten und Fruͤchte trieb? — gibt’s nicht Stuͤrme, die auch der Cedern nicht ſchonen? gibt’s |nicht tauſend laͤcherliche Vorurteile, im Mantel des Altertums gehuͤllt? gibt’s nicht Feſ- ſeln des ſklaviſchen Wolſtandes? und noch ſtand keiner auf, der ſie abgeſchuͤttelt, und auf immer zerbrochen haͤtte. Wol uns, wir waͤren ihrer entlaſtet! ſo wuͤrden der heimlichen Traͤnen we- niger flieſſen, ſo duͤrften ſich Juͤnglinge und Maͤdchen nicht abhaͤrmen, und im langſamen Jammer dahin ſchmachten und ſterben, ſo duͤrf- ten wir nicht ausrufen: Gott! was iſt der Menſch, wenn dein groͤſſeſtes Geſchenk, ein empfindſames Herz ſein Elend aus- macht, und eine Klippe wird, an der ſein Gluͤk, ja ſein Leben ſcheitert. O Juͤng- linge! denen die Natur ein weiches gefuͤhlvolles Herz zum Erbteil gab, die ihr aber auch zu kaͤmpfen habt, mit Natur in euch ſelbſt, wid- met euch fruͤh der Religion! ſie iſt euch eine ſichere Stuͤzze, wenn euer Glaube wankt, ein getreuer Rathgeber in allen zweifelhaften Faͤllen eures Lebens, und wann ihr auf raſtloſem Lager um Traͤnen fleht, ſo traͤufelt ſie Ruhe und Troſt
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chen edlen Juͤnglings wehrt. Und warum ſie nicht
Bluͤten und Fruͤchte trieb? — gibt’s nicht
Stuͤrme, die auch der Cedern nicht ſchonen?
gibt’s |nicht tauſend laͤcherliche Vorurteile, im
Mantel des Altertums gehuͤllt? gibt’s nicht Feſ-
ſeln des ſklaviſchen Wolſtandes? und noch ſtand
keiner auf, der ſie abgeſchuͤttelt, und auf immer
zerbrochen haͤtte. Wol uns, wir waͤren ihrer
entlaſtet! ſo wuͤrden der heimlichen Traͤnen we-
niger flieſſen, ſo duͤrften ſich Juͤnglinge und
Maͤdchen nicht abhaͤrmen, und im langſamen
Jammer dahin ſchmachten und ſterben, ſo duͤrf-
ten wir nicht ausrufen: Gott! was iſt der
Menſch, wenn dein groͤſſeſtes Geſchenk,
ein empfindſames Herz ſein Elend aus-
macht, und eine Klippe wird, an der ſein
Gluͤk, ja ſein Leben ſcheitert. O Juͤng-
linge! denen die Natur ein weiches gefuͤhlvolles
Herz zum Erbteil gab, die ihr aber auch zu
kaͤmpfen habt, mit Natur in euch ſelbſt, wid-
met euch fruͤh der Religion! ſie iſt euch eine
ſichere Stuͤzze, wenn euer Glaube wankt, ein
getreuer Rathgeber in allen zweifelhaften Faͤllen
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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