Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er
mich aussöhnt mit der Welt, und mit den Menschen,
die mir das bischen Licht nicht gönnten, ohne das
doch alles, was lebt, tod ist! --

Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es ist
ein wolklingender Laut für den, der nichts mehr zu
verlieren, der alles verloren hat, der sein Fahrzeug
hat in den Grund bohren, und all' sein Glük an
einer Sandschelle scheitern und sinken sehen. Aus
also mit dir, kurzes Licht des Lebens? Möchtest
du doch bald erlöschen! Fort mit dir, qualvolles
Dasein!
möchte dich kein neuer Morgen mehr zu
neuem Elend wekken! -- --



So weit mein Freund. Genug für den, der
den Gang seiner Empfindungen messen, und
Leiden der Seele fühlen kann, und zu viel für
den,
der alles für schwärmerische Schimären hält,
was nicht gerade zu auf die groben Bestandteile
seiner Sinne wirkt.

Was nun die Liebe meines Freundes selbst,
den Gegenstand derselben, und warum sie uner-
hört blieb, anbetrifft, so will ich meine Hand
auf den Mund legen, und schweigen. --

Seine Liebe war schuldlos und rein -- der
Gegenstand war gewis der heissen Liebe eines sol-

Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er
mich ausſoͤhnt mit der Welt, und mit den Menſchen,
die mir das bischen Licht nicht goͤnnten, ohne das
doch alles, was lebt, tod iſt! —

Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es iſt
ein wolklingender Laut fuͤr den, der nichts mehr zu
verlieren, der alles verloren hat, der ſein Fahrzeug
hat in den Grund bohren, und all’ ſein Gluͤk an
einer Sandſchelle ſcheitern und ſinken ſehen. Aus
alſo mit dir, kurzes Licht des Lebens? Moͤchteſt
du doch bald erloͤſchen! Fort mit dir, qualvolles
Daſein!
moͤchte dich kein neuer Morgen mehr zu
neuem Elend wekken! — —



So weit mein Freund. Genug fuͤr den, der
den Gang ſeiner Empfindungen meſſen, und
Leiden der Seele fuͤhlen kann, und zu viel fuͤr
den,
der alles fuͤr ſchwaͤrmeriſche Schimaͤren haͤlt,
was nicht gerade zu auf die groben Beſtandteile
ſeiner Sinne wirkt.

Was nun die Liebe meines Freundes ſelbſt,
den Gegenſtand derſelben, und warum ſie uner-
hoͤrt blieb, anbetrifft, ſo will ich meine Hand
auf den Mund legen, und ſchweigen. —

Seine Liebe war ſchuldlos und rein — der
Gegenſtand war gewis der heiſſen Liebe eines ſol-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0262" n="254"/>
        <p><hi rendition="#fr">Tod?</hi> Wie der Gedanke mich erheitert, wie er<lb/>
mich aus&#x017F;o&#x0364;hnt mit der Welt, und mit den Men&#x017F;chen,<lb/>
die mir das bischen Licht nicht go&#x0364;nnten, ohne das<lb/>
doch alles, was lebt, tod i&#x017F;t! &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Sterben?</hi> Wie lieblich das Wort lautet, es i&#x017F;t<lb/>
ein wolklingender Laut fu&#x0364;r den, der nichts mehr zu<lb/>
verlieren, der alles verloren hat, der &#x017F;ein Fahrzeug<lb/>
hat in den Grund bohren, und all&#x2019; &#x017F;ein Glu&#x0364;k an<lb/>
einer Sand&#x017F;chelle &#x017F;cheitern und &#x017F;inken &#x017F;ehen. Aus<lb/>
al&#x017F;o mit dir, <hi rendition="#fr">kurzes Licht des Lebens?</hi> Mo&#x0364;chte&#x017F;t<lb/>
du doch bald erlo&#x0364;&#x017F;chen! Fort mit dir, <hi rendition="#fr">qualvolles<lb/>
Da&#x017F;ein!</hi> mo&#x0364;chte dich kein neuer Morgen mehr zu<lb/>
neuem Elend wekken! &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>So weit mein Freund. <hi rendition="#fr">Genug fu&#x0364;r den,</hi> der<lb/>
den Gang &#x017F;einer Empfindungen me&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
Leiden der Seele fu&#x0364;hlen kann, und <hi rendition="#fr">zu viel fu&#x0364;r<lb/>
den,</hi> der alles fu&#x0364;r &#x017F;chwa&#x0364;rmeri&#x017F;che Schima&#x0364;ren ha&#x0364;lt,<lb/>
was nicht gerade zu auf die groben Be&#x017F;tandteile<lb/>
&#x017F;einer Sinne wirkt.</p><lb/>
        <p>Was nun die Liebe meines Freundes &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
den Gegen&#x017F;tand der&#x017F;elben, und warum &#x017F;ie uner-<lb/>
ho&#x0364;rt blieb, anbetrifft, &#x017F;o will ich meine Hand<lb/>
auf den Mund legen, und &#x017F;chweigen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Seine Liebe war &#x017F;chuldlos und rein &#x2014; der<lb/>
Gegen&#x017F;tand war gewis der hei&#x017F;&#x017F;en Liebe eines &#x017F;ol-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0262] Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er mich ausſoͤhnt mit der Welt, und mit den Menſchen, die mir das bischen Licht nicht goͤnnten, ohne das doch alles, was lebt, tod iſt! — Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es iſt ein wolklingender Laut fuͤr den, der nichts mehr zu verlieren, der alles verloren hat, der ſein Fahrzeug hat in den Grund bohren, und all’ ſein Gluͤk an einer Sandſchelle ſcheitern und ſinken ſehen. Aus alſo mit dir, kurzes Licht des Lebens? Moͤchteſt du doch bald erloͤſchen! Fort mit dir, qualvolles Daſein! moͤchte dich kein neuer Morgen mehr zu neuem Elend wekken! — — So weit mein Freund. Genug fuͤr den, der den Gang ſeiner Empfindungen meſſen, und Leiden der Seele fuͤhlen kann, und zu viel fuͤr den, der alles fuͤr ſchwaͤrmeriſche Schimaͤren haͤlt, was nicht gerade zu auf die groben Beſtandteile ſeiner Sinne wirkt. Was nun die Liebe meines Freundes ſelbſt, den Gegenſtand derſelben, und warum ſie uner- hoͤrt blieb, anbetrifft, ſo will ich meine Hand auf den Mund legen, und ſchweigen. — Seine Liebe war ſchuldlos und rein — der Gegenſtand war gewis der heiſſen Liebe eines ſol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/262
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/262>, abgerufen am 21.05.2024.