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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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in eure matte Seele. O bittet den Schöpfer eu-
rer Tage um Selbstvertrauen und Genügsamkeit,
bittet ihn um Ausdauren in Gefahr, in Noth
und Trübsal, bittet ihn um Trost, wenn die
Welt zu arm ist, euch Trost zu geben, und alles
zusammen stürzt, eure Ruhe, euer Glük zu un-
tergraben. Kann die Ceder, deren Gipfel den
Himmel begrüßt, zersplittert ein Spiel der Ele-
mente werden, wie vielmehr die schlanke Birke,
die erst Laub gewinnen, und Zweige treiben soll?

Mein Freund war auch ein guter Baum
im Garten Gottes;
der Gärtner freute sich
seines Wachsthums, freute sich seiner Blüten, und
plözlich kam ein Nord, entblättert' ihn, und riß
ihn aus dem mütterlichen Boden.

Was soll ich euch sagen, lieben Leser! von
seinen innern Stürmen? was soll ich euch sagen
von dem Kampf zwischen Vernunft und Leiden-
schaft? Es war der Kampf eines Ermatteten ge-
gen den Stärkern, immer schwächer und ohn-
mächtiger, ein kleiner Funke von Hoffnung
glimmte noch, auch er verloderte. Sie zu be-
sizzen, war der einzige Wunsch,
er ward
ihm nicht. -- Ein Amt zu erhalten, war der
Wunsch, den der erste erzeugte, und der ward

in eure matte Seele. O bittet den Schoͤpfer eu-
rer Tage um Selbſtvertrauen und Genuͤgſamkeit,
bittet ihn um Ausdauren in Gefahr, in Noth
und Truͤbſal, bittet ihn um Troſt, wenn die
Welt zu arm iſt, euch Troſt zu geben, und alles
zuſammen ſtuͤrzt, eure Ruhe, euer Gluͤk zu un-
tergraben. Kann die Ceder, deren Gipfel den
Himmel begruͤßt, zerſplittert ein Spiel der Ele-
mente werden, wie vielmehr die ſchlanke Birke,
die erſt Laub gewinnen, und Zweige treiben ſoll?

Mein Freund war auch ein guter Baum
im Garten Gottes;
der Gaͤrtner freute ſich
ſeines Wachsthums, freute ſich ſeiner Bluͤten, und
ploͤzlich kam ein Nord, entblaͤttert’ ihn, und riß
ihn aus dem muͤtterlichen Boden.

Was ſoll ich euch ſagen, lieben Leſer! von
ſeinen innern Stuͤrmen? was ſoll ich euch ſagen
von dem Kampf zwiſchen Vernunft und Leiden-
ſchaft? Es war der Kampf eines Ermatteten ge-
gen den Staͤrkern, immer ſchwaͤcher und ohn-
maͤchtiger, ein kleiner Funke von Hoffnung
glimmte noch, auch er verloderte. Sie zu be-
ſizzen, war der einzige Wunſch,
er ward
ihm nicht. — Ein Amt zu erhalten, war der
Wunſch, den der erſte erzeugte, und der ward

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[256/0264] in eure matte Seele. O bittet den Schoͤpfer eu- rer Tage um Selbſtvertrauen und Genuͤgſamkeit, bittet ihn um Ausdauren in Gefahr, in Noth und Truͤbſal, bittet ihn um Troſt, wenn die Welt zu arm iſt, euch Troſt zu geben, und alles zuſammen ſtuͤrzt, eure Ruhe, euer Gluͤk zu un- tergraben. Kann die Ceder, deren Gipfel den Himmel begruͤßt, zerſplittert ein Spiel der Ele- mente werden, wie vielmehr die ſchlanke Birke, die erſt Laub gewinnen, und Zweige treiben ſoll? Mein Freund war auch ein guter Baum im Garten Gottes; der Gaͤrtner freute ſich ſeines Wachsthums, freute ſich ſeiner Bluͤten, und ploͤzlich kam ein Nord, entblaͤttert’ ihn, und riß ihn aus dem muͤtterlichen Boden. Was ſoll ich euch ſagen, lieben Leſer! von ſeinen innern Stuͤrmen? was ſoll ich euch ſagen von dem Kampf zwiſchen Vernunft und Leiden- ſchaft? Es war der Kampf eines Ermatteten ge- gen den Staͤrkern, immer ſchwaͤcher und ohn- maͤchtiger, ein kleiner Funke von Hoffnung glimmte noch, auch er verloderte. Sie zu be- ſizzen, war der einzige Wunſch, er ward ihm nicht. — Ein Amt zu erhalten, war der Wunſch, den der erſte erzeugte, und der ward

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/264>, abgerufen am 21.05.2024.