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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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wo ist Wasser, wo ist Regen, die welkende Pflanze
zu erquikken, daß sie nicht ihr Haupt senkt und
stirbt *? Meine Ruhe, jene stolze Ruhe, die mich
zu jeder Arbeit stählte, Mut und Stärke gab, den
Stürmen der Welt zu entgehen, wo ist sie? wo die
Zufriedenheit? wodurch ich jeden Gram weglächeln,
und selbst Wüsteneien zu lachenden Thälern umschaf-
fen konnte. Armer Jüngling! kannst Du so tief
fallen, wirft ein einziger Blik Dich schon zu Boden,
wie dann, wenn du Eine Luft mit ihr athmen, und
Dich stundenlang an der Blaüe ihrer Augen weiden
könntest, wie dann? wenn Du nicht Gegenliebe fän-
dest. O ermanne Dich, ruf sie zurük die goldenen
Tage Deiner Jugend, wo Du in Unschuld und
Friede wandeltest, und nichts Deine Ruhe erschüt-
tern konnte. -- Doch ihr seid für mich dahin, auf
ewig dahin, und das blosse Rükerinnern an euch er-
preßt mir Thränen. Daß ich sie sehen muste! Sah
ich nicht so manche ihrer Gespielinnen mit kaltem
Blik, und mein Herz fühlte nichts? warum muste
ich nun eben bei ihr verweilen? muste Bilder mei-
ner Seele eindrükken, die nie, niemals werden ver-
wischt werden?

* Wer sich jemals in der Lage befunden, warum mein
Freund war, der wird diese Empfindungen nicht für über-
spannt halten, und für die unbefugten Richter mensch-
licher Gefühle brauchts keiner Zurechtweisung.

wo iſt Waſſer, wo iſt Regen, die welkende Pflanze
zu erquikken, daß ſie nicht ihr Haupt ſenkt und
ſtirbt *? Meine Ruhe, jene ſtolze Ruhe, die mich
zu jeder Arbeit ſtaͤhlte, Mut und Staͤrke gab, den
Stuͤrmen der Welt zu entgehen, wo iſt ſie? wo die
Zufriedenheit? wodurch ich jeden Gram weglaͤcheln,
und ſelbſt Wuͤſteneien zu lachenden Thaͤlern umſchaf-
fen konnte. Armer Juͤngling! kannſt Du ſo tief
fallen, wirft ein einziger Blik Dich ſchon zu Boden,
wie dann, wenn du Eine Luft mit ihr athmen, und
Dich ſtundenlang an der Blauͤe ihrer Augen weiden
koͤnnteſt, wie dann? wenn Du nicht Gegenliebe faͤn-
deſt. O ermanne Dich, ruf ſie zuruͤk die goldenen
Tage Deiner Jugend, wo Du in Unſchuld und
Friede wandelteſt, und nichts Deine Ruhe erſchuͤt-
tern konnte. — Doch ihr ſeid fuͤr mich dahin, auf
ewig dahin, und das bloſſe Ruͤkerinnern an euch er-
preßt mir Thraͤnen. Daß ich ſie ſehen muſte! Sah
ich nicht ſo manche ihrer Geſpielinnen mit kaltem
Blik, und mein Herz fuͤhlte nichts? warum muſte
ich nun eben bei ihr verweilen? muſte Bilder mei-
ner Seele eindruͤkken, die nie, niemals werden ver-
wiſcht werden?

* Wer ſich jemals in der Lage befunden, warum mein
Freund war, der wird dieſe Empfindungen nicht für über-
ſpannt halten, und für die unbefugten Richter menſch-
licher Gefühle brauchts keiner Zurechtweiſung.
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[240/0248] wo iſt Waſſer, wo iſt Regen, die welkende Pflanze zu erquikken, daß ſie nicht ihr Haupt ſenkt und ſtirbt *? Meine Ruhe, jene ſtolze Ruhe, die mich zu jeder Arbeit ſtaͤhlte, Mut und Staͤrke gab, den Stuͤrmen der Welt zu entgehen, wo iſt ſie? wo die Zufriedenheit? wodurch ich jeden Gram weglaͤcheln, und ſelbſt Wuͤſteneien zu lachenden Thaͤlern umſchaf- fen konnte. Armer Juͤngling! kannſt Du ſo tief fallen, wirft ein einziger Blik Dich ſchon zu Boden, wie dann, wenn du Eine Luft mit ihr athmen, und Dich ſtundenlang an der Blauͤe ihrer Augen weiden koͤnnteſt, wie dann? wenn Du nicht Gegenliebe faͤn- deſt. O ermanne Dich, ruf ſie zuruͤk die goldenen Tage Deiner Jugend, wo Du in Unſchuld und Friede wandelteſt, und nichts Deine Ruhe erſchuͤt- tern konnte. — Doch ihr ſeid fuͤr mich dahin, auf ewig dahin, und das bloſſe Ruͤkerinnern an euch er- preßt mir Thraͤnen. Daß ich ſie ſehen muſte! Sah ich nicht ſo manche ihrer Geſpielinnen mit kaltem Blik, und mein Herz fuͤhlte nichts? warum muſte ich nun eben bei ihr verweilen? muſte Bilder mei- ner Seele eindruͤkken, die nie, niemals werden ver- wiſcht werden? * Wer ſich jemals in der Lage befunden, warum mein Freund war, der wird dieſe Empfindungen nicht für über- ſpannt halten, und für die unbefugten Richter menſch- licher Gefühle brauchts keiner Zurechtweiſung.

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/248>, abgerufen am 05.05.2024.