Wettgesang der Lerchen, dich glüklicher fühlen, als der Beherrscher zalloser Völker!
Die Wege der Natur sind Friede, und wo sie wandelt, da spriessen Blumen; wol dem, der sie pflükt, keine auf dem Wege seiner kurzen Wallfart zertritt, sondern alles nimmt, was er abreichen kann! wol dem, der sie noch flükken kann, dem sie nicht bloß von jenem Gestade winken, ohne daß er sie erreichen kann. --
So ist es denn wahr, was ich nicht wagte, mir selbst zu gestehen, daß ich liebe? und das so warm, so glühend, daß Worte zu arm sind, es zu fassen. Armes Herz! so bist du nicht mehr mein, wirst vielleicht eine Klippe, an der Glük und Ruhe schei- tert! Jch gehe oder stehe, schlafe oder| wache, so steht ihr Bild vor mir, so hehr und groß, wie es die Fantasie ausfüllen kann. Jn allen meinen Adern rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen wallte, in meinem Kopfe schwebt keine Empfin- dung, die sich nicht zu ihr erhübe. Ach! wie ist mein Herz so beklemmt und traurig! meine zitternde Lippe wagts Töne zu stammeln, aber sie sind wie der schwache Hauch eines Zephirs, den ein kühler Herbstmorgen verscheucht. Wie es tobt in meinem Jnnern mit wütenden Schlägen, als wollt es meine Brust zersprengen, ich schmachte und lechze, und
Wettgeſang der Lerchen, dich gluͤklicher fuͤhlen, als der Beherrſcher zalloſer Voͤlker!
Die Wege der Natur ſind Friede, und wo ſie wandelt, da ſprieſſen Blumen; wol dem, der ſie pfluͤkt, keine auf dem Wege ſeiner kurzen Wallfart zertritt, ſondern alles nimmt, was er abreichen kann! wol dem, der ſie noch fluͤkken kann, dem ſie nicht bloß von jenem Geſtade winken, ohne daß er ſie erreichen kann. —
So iſt es denn wahr, was ich nicht wagte, mir ſelbſt zu geſtehen, daß ich liebe? und das ſo warm, ſo gluͤhend, daß Worte zu arm ſind, es zu faſſen. Armes Herz! ſo biſt du nicht mehr mein, wirſt vielleicht eine Klippe, an der Gluͤk und Ruhe ſchei- tert! Jch gehe oder ſtehe, ſchlafe oder| wache, ſo ſteht ihr Bild vor mir, ſo hehr und groß, wie es die Fantaſie ausfuͤllen kann. Jn allen meinen Adern rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen wallte, in meinem Kopfe ſchwebt keine Empfin- dung, die ſich nicht zu ihr erhuͤbe. Ach! wie iſt mein Herz ſo beklemmt und traurig! meine zitternde Lippe wagts Toͤne zu ſtammeln, aber ſie ſind wie der ſchwache Hauch eines Zephirs, den ein kuͤhler Herbſtmorgen verſcheucht. Wie es tobt in meinem Jnnern mit wuͤtenden Schlaͤgen, als wollt es meine Bruſt zerſprengen, ich ſchmachte und lechze, und
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Wettgeſang der Lerchen, dich gluͤklicher fuͤhlen, als
der Beherrſcher zalloſer Voͤlker!
Die Wege der Natur ſind Friede, und wo ſie
wandelt, da ſprieſſen Blumen; wol dem, der ſie
pfluͤkt, keine auf dem Wege ſeiner kurzen Wallfart
zertritt, ſondern alles nimmt, was er abreichen
kann! wol dem, der ſie noch fluͤkken kann, dem ſie
nicht bloß von jenem Geſtade winken, ohne daß er
ſie erreichen kann. —
So iſt es denn wahr, was ich nicht wagte, mir
ſelbſt zu geſtehen, daß ich liebe? und das ſo warm,
ſo gluͤhend, daß Worte zu arm ſind, es zu faſſen.
Armes Herz! ſo biſt du nicht mehr mein, wirſt
vielleicht eine Klippe, an der Gluͤk und Ruhe ſchei-
tert! Jch gehe oder ſtehe, ſchlafe oder| wache, ſo
ſteht ihr Bild vor mir, ſo hehr und groß, wie es die
Fantaſie ausfuͤllen kann. Jn allen meinen Adern
rinnt kein Blutstropfen, der nicht ihr entgegen
wallte, in meinem Kopfe ſchwebt keine Empfin-
dung, die ſich nicht zu ihr erhuͤbe. Ach! wie iſt
mein Herz ſo beklemmt und traurig! meine zitternde
Lippe wagts Toͤne zu ſtammeln, aber ſie ſind wie
der ſchwache Hauch eines Zephirs, den ein kuͤhler
Herbſtmorgen verſcheucht. Wie es tobt in meinem
Jnnern mit wuͤtenden Schlaͤgen, als wollt es meine
Bruſt zerſprengen, ich ſchmachte und lechze, und
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/247>, abgerufen am 05.07.2024.
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