Jhr Bild, schwebt es nicht immer vor mir, so liebevoll, so gut, so in seiner stillen Grösse, so ganz der Abdruk der besten weiblichen Seele, das edelste Geschöpf, daß das allmächtige Werde aus dem Chaos ins Leben rief! wenn bei ihr nicht Tugend und Unschuld wont, so wonen sie nirgends, und sind leere Namen. Daß sie Mein wäre, daß ich sie mit offenen Armen umfangen, und Mein nennen könnte! Hier liegts, ich wähne, und schaffe mir lachende Bil- der der Zukunft, wie ich mit ihr den Frühling feiern, in ihren umschlungenen Armen lachende Thäler durchirren werde -- und es sind nur Träume, die eine erhizte Fantasie vor meine Seele schuf, die der Morgen mir entführt. Gott! Vater! und Herr meines Lebens! du gabst mir ein fühlendes Herz, gabst mir stille sanfte Zären für die Unschuld, Teilnahme an fremden Schmerz, lehrtest mich den Pfad der Wollust fliehen, und die Tugend auch im Gewande des Bettlers verehren! O! ich hab Sie ge- funden, die mir die Welt zum Paradiese schaffen, und die die Leere meines Herzens ausfüllen könnte, führe sie zu mir, Urquell der Liebe! und mein gan- zes Leben sei ein beständiger Gehorsam, ein stetes Ringen, deine Gesezze zu erfüllen.
Stiller Mond! sei mir gegrüßt, sei mir heute am lezten Tage des Wonnemonds gegrüßt, ströme
Q
Jhr Bild, ſchwebt es nicht immer vor mir, ſo liebevoll, ſo gut, ſo in ſeiner ſtillen Groͤſſe, ſo ganz der Abdruk der beſten weiblichen Seele, das edelſte Geſchoͤpf, daß das allmaͤchtige Werde aus dem Chaos ins Leben rief! wenn bei ihr nicht Tugend und Unſchuld wont, ſo wonen ſie nirgends, und ſind leere Namen. Daß ſie Mein waͤre, daß ich ſie mit offenen Armen umfangen, und Mein nennen koͤnnte! Hier liegts, ich waͤhne, und ſchaffe mir lachende Bil- der der Zukunft, wie ich mit ihr den Fruͤhling feiern, in ihren umſchlungenen Armen lachende Thaͤler durchirren werde — und es ſind nur Traͤume, die eine erhizte Fantaſie vor meine Seele ſchuf, die der Morgen mir entfuͤhrt. Gott! Vater! und Herr meines Lebens! du gabſt mir ein fuͤhlendes Herz, gabſt mir ſtille ſanfte Zaͤren fuͤr die Unſchuld, Teilnahme an fremden Schmerz, lehrteſt mich den Pfad der Wolluſt fliehen, und die Tugend auch im Gewande des Bettlers verehren! O! ich hab Sie ge- funden, die mir die Welt zum Paradieſe ſchaffen, und die die Leere meines Herzens ausfuͤllen koͤnnte, fuͤhre ſie zu mir, Urquell der Liebe! und mein gan- zes Leben ſei ein beſtaͤndiger Gehorſam, ein ſtetes Ringen, deine Geſezze zu erfuͤllen.
Stiller Mond! ſei mir gegruͤßt, ſei mir heute am lezten Tage des Wonnemonds gegruͤßt, ſtroͤme
Q
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0249"n="241"/><p><hirendition="#fr">Jhr Bild,</hi>ſchwebt es nicht immer vor mir, ſo<lb/>
liebevoll, ſo gut, ſo in ſeiner ſtillen Groͤſſe, ſo ganz<lb/>
der Abdruk der beſten weiblichen Seele, das edelſte<lb/>
Geſchoͤpf, daß das <hirendition="#fr">allmaͤchtige Werde</hi> aus dem<lb/>
Chaos ins Leben rief! wenn bei ihr nicht Tugend<lb/>
und Unſchuld wont, ſo wonen ſie nirgends, und ſind<lb/>
leere Namen. Daß ſie <hirendition="#fr">Mein</hi> waͤre, daß ich ſie mit<lb/>
offenen Armen umfangen, und <hirendition="#fr">Mein</hi> nennen koͤnnte!<lb/>
Hier liegts, ich waͤhne, und ſchaffe mir lachende Bil-<lb/>
der der Zukunft, wie ich mit ihr den Fruͤhling feiern,<lb/>
in ihren umſchlungenen Armen lachende Thaͤler<lb/>
durchirren werde — und es ſind nur <hirendition="#fr">Traͤume,</hi><lb/>
die eine erhizte Fantaſie vor meine Seele ſchuf,<lb/>
die der Morgen mir entfuͤhrt. <hirendition="#fr">Gott! Vater! und<lb/>
Herr meines Lebens!</hi> du gabſt mir ein fuͤhlendes<lb/>
Herz, gabſt mir ſtille ſanfte Zaͤren fuͤr die Unſchuld,<lb/>
Teilnahme an fremden Schmerz, lehrteſt mich den<lb/>
Pfad der Wolluſt fliehen, und die Tugend auch im<lb/>
Gewande des Bettlers verehren! O! ich hab <hirendition="#fr">Sie</hi> ge-<lb/>
funden, die mir die Welt zum Paradieſe ſchaffen,<lb/>
und die die Leere meines Herzens ausfuͤllen koͤnnte,<lb/>
fuͤhre ſie zu mir, <hirendition="#fr">Urquell der Liebe!</hi> und mein gan-<lb/>
zes Leben ſei ein beſtaͤndiger Gehorſam, ein ſtetes<lb/>
Ringen, deine Geſezze zu erfuͤllen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Stiller Mond!</hi>ſei mir gegruͤßt, ſei mir heute<lb/>
am lezten Tage des Wonnemonds gegruͤßt, ſtroͤme<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[241/0249]
Jhr Bild, ſchwebt es nicht immer vor mir, ſo
liebevoll, ſo gut, ſo in ſeiner ſtillen Groͤſſe, ſo ganz
der Abdruk der beſten weiblichen Seele, das edelſte
Geſchoͤpf, daß das allmaͤchtige Werde aus dem
Chaos ins Leben rief! wenn bei ihr nicht Tugend
und Unſchuld wont, ſo wonen ſie nirgends, und ſind
leere Namen. Daß ſie Mein waͤre, daß ich ſie mit
offenen Armen umfangen, und Mein nennen koͤnnte!
Hier liegts, ich waͤhne, und ſchaffe mir lachende Bil-
der der Zukunft, wie ich mit ihr den Fruͤhling feiern,
in ihren umſchlungenen Armen lachende Thaͤler
durchirren werde — und es ſind nur Traͤume,
die eine erhizte Fantaſie vor meine Seele ſchuf,
die der Morgen mir entfuͤhrt. Gott! Vater! und
Herr meines Lebens! du gabſt mir ein fuͤhlendes
Herz, gabſt mir ſtille ſanfte Zaͤren fuͤr die Unſchuld,
Teilnahme an fremden Schmerz, lehrteſt mich den
Pfad der Wolluſt fliehen, und die Tugend auch im
Gewande des Bettlers verehren! O! ich hab Sie ge-
funden, die mir die Welt zum Paradieſe ſchaffen,
und die die Leere meines Herzens ausfuͤllen koͤnnte,
fuͤhre ſie zu mir, Urquell der Liebe! und mein gan-
zes Leben ſei ein beſtaͤndiger Gehorſam, ein ſtetes
Ringen, deine Geſezze zu erfuͤllen.
Stiller Mond! ſei mir gegruͤßt, ſei mir heute
am lezten Tage des Wonnemonds gegruͤßt, ſtroͤme
Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/249>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.