Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der
Larve des Aberglaubens, die lauten Sünden
ihrer Jugend verhüllen wollen. Man untersuche
ihr geführtes Leben, und was war es für ein
Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit,
von Bulerei und Unzucht. Den Früling ihrer
Tage
vertändelten sie an Toiletten, und bulten
um Knaben, und Jünglinge. Den Sommer
beugten sie sich unter das Joch der Ehe, um desto
geheimer der Wollust reichliche Opfer spenden zu
können, brachen beschworne Treue, und be-
flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbst
widmeten sie dem Stolz und der Eitelkeit, glänz-
ten an der Seite ihrer Töchter, formten sie zu
Koketten, und bulten mit ihnen wechselsweise
um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz-
zer und Gekken ausduften. Und nun den Win-
ter
ihres Lebens wollen sie der Religion weihen,
die sie so lange als Pfaffenschimäre für den Pöbel
und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin-
gen, Vater der Menschen! der du die Erstlinge
forderst; glauben, daß alle Forderungen deiner
Gesezze erfüllt sind, wenn sie deinen Tempel
besuchen, äusserliche Zerimonien ihrer Kirche be-
folgen, und Töne plappern, davon ihr Herz

term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der
Larve des Aberglaubens, die lauten Suͤnden
ihrer Jugend verhuͤllen wollen. Man unterſuche
ihr gefuͤhrtes Leben, und was war es fuͤr ein
Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit,
von Bulerei und Unzucht. Den Fruͤling ihrer
Tage
vertaͤndelten ſie an Toiletten, und bulten
um Knaben, und Juͤnglinge. Den Sommer
beugten ſie ſich unter das Joch der Ehe, um deſto
geheimer der Wolluſt reichliche Opfer ſpenden zu
koͤnnen, brachen beſchworne Treue, und be-
flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbſt
widmeten ſie dem Stolz und der Eitelkeit, glaͤnz-
ten an der Seite ihrer Toͤchter, formten ſie zu
Koketten, und bulten mit ihnen wechſelsweiſe
um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz-
zer und Gekken ausduften. Und nun den Win-
ter
ihres Lebens wollen ſie der Religion weihen,
die ſie ſo lange als Pfaffenſchimaͤre fuͤr den Poͤbel
und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin-
gen, Vater der Menſchen! der du die Erſtlinge
forderſt; glauben, daß alle Forderungen deiner
Geſezze erfuͤllt ſind, wenn ſie deinen Tempel
beſuchen, aͤuſſerliche Zerimonien ihrer Kirche be-
folgen, und Toͤne plappern, davon ihr Herz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="203"/>
term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der<lb/>
Larve des Aberglaubens, die lauten Su&#x0364;nden<lb/>
ihrer Jugend verhu&#x0364;llen wollen. Man unter&#x017F;uche<lb/>
ihr gefu&#x0364;hrtes Leben, und was war es fu&#x0364;r ein<lb/>
Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit,<lb/>
von Bulerei und Unzucht. <hi rendition="#fr">Den Fru&#x0364;ling ihrer<lb/>
Tage</hi> verta&#x0364;ndelten &#x017F;ie an Toiletten, und bulten<lb/>
um Knaben, und Ju&#x0364;nglinge. Den <hi rendition="#fr">Sommer</hi><lb/>
beugten &#x017F;ie &#x017F;ich unter das Joch der Ehe, um de&#x017F;to<lb/>
geheimer der Wollu&#x017F;t reichliche Opfer &#x017F;penden zu<lb/>
ko&#x0364;nnen, brachen be&#x017F;chworne Treue, und be-<lb/>
flekten das Bette ihres Gatten. Den <hi rendition="#fr">Herb&#x017F;t</hi><lb/>
widmeten &#x017F;ie dem Stolz und der Eitelkeit, gla&#x0364;nz-<lb/>
ten an der Seite ihrer To&#x0364;chter, formten &#x017F;ie zu<lb/>
Koketten, und bulten mit ihnen wech&#x017F;elswei&#x017F;e<lb/>
um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz-<lb/>
zer und Gekken ausduften. Und nun den <hi rendition="#fr">Win-<lb/>
ter</hi> ihres Lebens wollen &#x017F;ie der Religion weihen,<lb/>
die &#x017F;ie &#x017F;o lange als Pfaffen&#x017F;chima&#x0364;re fu&#x0364;r den Po&#x0364;bel<lb/>
und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin-<lb/>
gen, <hi rendition="#fr">Vater der Men&#x017F;chen!</hi> der du die Er&#x017F;tlinge<lb/>
forder&#x017F;t; glauben, daß alle Forderungen deiner<lb/>
Ge&#x017F;ezze erfu&#x0364;llt &#x017F;ind, wenn &#x017F;ie deinen Tempel<lb/>
be&#x017F;uchen, a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Zerimonien ihrer Kirche be-<lb/>
folgen, und To&#x0364;ne plappern, davon ihr Herz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0211] term Mantel der Scheinheiligkeit, unter der Larve des Aberglaubens, die lauten Suͤnden ihrer Jugend verhuͤllen wollen. Man unterſuche ihr gefuͤhrtes Leben, und was war es fuͤr ein Leben? ein Gewebe von Stolz und Eitelkeit, von Bulerei und Unzucht. Den Fruͤling ihrer Tage vertaͤndelten ſie an Toiletten, und bulten um Knaben, und Juͤnglinge. Den Sommer beugten ſie ſich unter das Joch der Ehe, um deſto geheimer der Wolluſt reichliche Opfer ſpenden zu koͤnnen, brachen beſchworne Treue, und be- flekten das Bette ihres Gatten. Den Herbſt widmeten ſie dem Stolz und der Eitelkeit, glaͤnz- ten an der Seite ihrer Toͤchter, formten ſie zu Koketten, und bulten mit ihnen wechſelsweiſe um den Weihrauch der Schmeichelei, den Stuz- zer und Gekken ausduften. Und nun den Win- ter ihres Lebens wollen ſie der Religion weihen, die ſie ſo lange als Pfaffenſchimaͤre fuͤr den Poͤbel und Duns betrachtet, wollen dir die Hefen brin- gen, Vater der Menſchen! der du die Erſtlinge forderſt; glauben, daß alle Forderungen deiner Geſezze erfuͤllt ſind, wenn ſie deinen Tempel beſuchen, aͤuſſerliche Zerimonien ihrer Kirche be- folgen, und Toͤne plappern, davon ihr Herz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/211
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/211>, abgerufen am 23.11.2024.