Herz unter der Maske der Heuchelei. So lebt er, bis das Maas seiner Bosheit voll ist, voll bis zum überfliessen, dann ereilt ihn die schrekliche Hand des obersten Richters, und löscht ihn aus der Zahl der Lebenden, und wird ihn einst rich- ten, wie er hienieden richtete. --
Jener Mandarin, |der das Ruder des Staats dem Rechtschaffenen entriß, und sich aus der Hefe des Pöbels zum Günstling des Fürsten er- hob, der Gerechtigkeit und Friede von den Gren- zen des Reichs verscheucht, und Krieg und Elend die friedsamen Hütten veröden läst, der die Wür- den des Reichs für schnöden Gewinnst ausspen- det, und den taurenden Patriöten von seiner Schwelle stößt, der vom sauren Schweiß des Bürgers zehrt, und sich sättigt von der erpreß- ten Armut des Landmanns; er durchzieht im Pomp die Gassen, tausende warten auf seine Winke, goldene Schlösser, prächtige Gärten sind sein; schwelgende Feste, und der laute Ju- bel der Freude verkündigen dem Fremdlinge sei- nen Pallast, aber der Bedrükte weint, und das traurende Volk schmachtet im Elend. Durchlebt er gleich viele Jahre in Wolleben und Ueberfluß, überstreut ihn das Glük mit seinen Gütern, so
Herz unter der Maske der Heuchelei. So lebt er, bis das Maas ſeiner Bosheit voll iſt, voll bis zum uͤberflieſſen, dann ereilt ihn die ſchrekliche Hand des oberſten Richters, und loͤſcht ihn aus der Zahl der Lebenden, und wird ihn einſt rich- ten, wie er hienieden richtete. —
Jener Mandarin, |der das Ruder des Staats dem Rechtſchaffenen entriß, und ſich aus der Hefe des Poͤbels zum Guͤnſtling des Fuͤrſten er- hob, der Gerechtigkeit und Friede von den Gren- zen des Reichs verſcheucht, und Krieg und Elend die friedſamen Huͤtten veroͤden laͤſt, der die Wuͤr- den des Reichs fuͤr ſchnoͤden Gewinnſt ausſpen- det, und den taurenden Patrioͤten von ſeiner Schwelle ſtoͤßt, der vom ſauren Schweiß des Buͤrgers zehrt, und ſich ſaͤttigt von der erpreß- ten Armut des Landmanns; er durchzieht im Pomp die Gaſſen, tauſende warten auf ſeine Winke, goldene Schloͤſſer, praͤchtige Gaͤrten ſind ſein; ſchwelgende Feſte, und der laute Ju- bel der Freude verkuͤndigen dem Fremdlinge ſei- nen Pallaſt, aber der Bedruͤkte weint, und das traurende Volk ſchmachtet im Elend. Durchlebt er gleich viele Jahre in Wolleben und Ueberfluß, uͤberſtreut ihn das Gluͤk mit ſeinen Guͤtern, ſo
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Herz unter der Maske der Heuchelei. So lebt
er, bis das Maas ſeiner Bosheit voll iſt, voll
bis zum uͤberflieſſen, dann ereilt ihn die ſchrekliche
Hand des oberſten Richters, und loͤſcht ihn aus
der Zahl der Lebenden, und wird ihn einſt rich-
ten, wie er hienieden richtete. —
Jener Mandarin, |der das Ruder des Staats
dem Rechtſchaffenen entriß, und ſich aus der
Hefe des Poͤbels zum Guͤnſtling des Fuͤrſten er-
hob, der Gerechtigkeit und Friede von den Gren-
zen des Reichs verſcheucht, und Krieg und Elend
die friedſamen Huͤtten veroͤden laͤſt, der die Wuͤr-
den des Reichs fuͤr ſchnoͤden Gewinnſt ausſpen-
det, und den taurenden Patrioͤten von ſeiner
Schwelle ſtoͤßt, der vom ſauren Schweiß des
Buͤrgers zehrt, und ſich ſaͤttigt von der erpreß-
ten Armut des Landmanns; er durchzieht im
Pomp die Gaſſen, tauſende warten auf ſeine
Winke, goldene Schloͤſſer, praͤchtige Gaͤrten
ſind ſein; ſchwelgende Feſte, und der laute Ju-
bel der Freude verkuͤndigen dem Fremdlinge ſei-
nen Pallaſt, aber der Bedruͤkte weint, und das
traurende Volk ſchmachtet im Elend. Durchlebt
er gleich viele Jahre in Wolleben und Ueberfluß,
uͤberſtreut ihn das Gluͤk mit ſeinen Guͤtern, ſo
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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