Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Lehrer -- allein in der Schöpfung, suchte seine
Seele ein Etwas, an das sie sich schmiegen
könnte, und sie fand ein Mädchen, das nur
allein ihm den erlittenen Verlust ersezzen konnte.

Sein Vater, der weiter keine Vorzüge, als
die Menge seiner Ahnen besaß, versagte ihm
seine Einwilligung zu einer Verbindung, die
nach seinen Begriffen ihn entehren würde, ja |er
drohte ihn mit Verstossung und Fluch, wenn er
noch ferner den Umgang mit ihr fortsezzen würde.

Nun denke dich, fühlende Seele! all' die
Bitterkeit ihres Schiksals, ihre Liebe gegen ein-
ander aufs höchste gespannt -- ihre Seelen
durch das wechselseitige Band des simpathetischen
Gefühls so verkettet, daß Trennung ohnmög-
lich -- und für sie keine frohe Aussicht, einst
glüklich, einst im Arm der Liebe durch dies Er-
denleben zu wallen. -- Jhm war sein Stand
zur Last, gern hätte er ihn vertauscht, gern
Reichtum und Ehre dem Thoren überlassen; froh
würde er am entferntesten Gestade sich eine Hütte
gebaut haben, um sicher und ruhig im Arm seiner
Emilie ruhen zu können. Ein Vaters Bruder
unsers Woldau hatte Gelegenheit Emilien zu
sehen; von ihrer Bildung und dem erhabnen

Lehrer — allein in der Schoͤpfung, ſuchte ſeine
Seele ein Etwas, an das ſie ſich ſchmiegen
koͤnnte, und ſie fand ein Maͤdchen, das nur
allein ihm den erlittenen Verluſt erſezzen konnte.

Sein Vater, der weiter keine Vorzuͤge, als
die Menge ſeiner Ahnen beſaß, verſagte ihm
ſeine Einwilligung zu einer Verbindung, die
nach ſeinen Begriffen ihn entehren wuͤrde, ja |er
drohte ihn mit Verſtoſſung und Fluch, wenn er
noch ferner den Umgang mit ihr fortſezzen wuͤrde.

Nun denke dich, fuͤhlende Seele! all’ die
Bitterkeit ihres Schikſals, ihre Liebe gegen ein-
ander aufs hoͤchſte geſpannt — ihre Seelen
durch das wechſelſeitige Band des ſimpathetiſchen
Gefuͤhls ſo verkettet, daß Trennung ohnmoͤg-
lich — und fuͤr ſie keine frohe Ausſicht, einſt
gluͤklich, einſt im Arm der Liebe durch dies Er-
denleben zu wallen. — Jhm war ſein Stand
zur Laſt, gern haͤtte er ihn vertauſcht, gern
Reichtum und Ehre dem Thoren uͤberlaſſen; froh
wuͤrde er am entfernteſten Geſtade ſich eine Huͤtte
gebaut haben, um ſicher und ruhig im Arm ſeiner
Emilie ruhen zu koͤnnen. Ein Vaters Bruder
unſers Woldau hatte Gelegenheit Emilien zu
ſehen; von ihrer Bildung und dem erhabnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="120"/><hi rendition="#fr">Lehrer</hi> &#x2014; allein in der Scho&#x0364;pfung, &#x017F;uchte &#x017F;eine<lb/>
Seele ein Etwas, an das &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chmiegen<lb/>
ko&#x0364;nnte, und &#x017F;ie fand <hi rendition="#fr">ein Ma&#x0364;dchen,</hi> das nur<lb/>
allein ihm den erlittenen Verlu&#x017F;t er&#x017F;ezzen konnte.</p><lb/>
          <p>Sein <hi rendition="#fr">Vater,</hi> der weiter keine Vorzu&#x0364;ge, als<lb/>
die Menge &#x017F;einer Ahnen be&#x017F;aß, ver&#x017F;agte ihm<lb/>
&#x017F;eine Einwilligung zu einer Verbindung, die<lb/>
nach &#x017F;einen Begriffen ihn entehren wu&#x0364;rde, ja |er<lb/>
drohte ihn mit Ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ung und Fluch, wenn er<lb/>
noch ferner den Umgang mit ihr fort&#x017F;ezzen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Nun denke dich, <hi rendition="#fr">fu&#x0364;hlende Seele!</hi> all&#x2019; die<lb/>
Bitterkeit ihres Schik&#x017F;als, ihre Liebe gegen ein-<lb/>
ander aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te ge&#x017F;pannt &#x2014; ihre Seelen<lb/>
durch das wech&#x017F;el&#x017F;eitige Band des &#x017F;impatheti&#x017F;chen<lb/>
Gefu&#x0364;hls &#x017F;o verkettet, daß Trennung ohnmo&#x0364;g-<lb/>
lich &#x2014; und fu&#x0364;r &#x017F;ie keine frohe Aus&#x017F;icht, ein&#x017F;t<lb/>
glu&#x0364;klich, ein&#x017F;t im Arm der Liebe durch dies Er-<lb/>
denleben zu wallen. &#x2014; Jhm war &#x017F;ein Stand<lb/>
zur La&#x017F;t, gern ha&#x0364;tte er ihn vertau&#x017F;cht, gern<lb/>
Reichtum und Ehre dem Thoren u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en; froh<lb/>
wu&#x0364;rde er am entfernte&#x017F;ten Ge&#x017F;tade &#x017F;ich eine Hu&#x0364;tte<lb/>
gebaut haben, um &#x017F;icher und ruhig im Arm &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#fr">Emilie</hi> ruhen zu ko&#x0364;nnen. Ein Vaters Bruder<lb/>
un&#x017F;ers <hi rendition="#fr">Woldau</hi> hatte Gelegenheit <hi rendition="#fr">Emilien</hi> zu<lb/>
&#x017F;ehen; von ihrer Bildung und dem erhabnen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0128] Lehrer — allein in der Schoͤpfung, ſuchte ſeine Seele ein Etwas, an das ſie ſich ſchmiegen koͤnnte, und ſie fand ein Maͤdchen, das nur allein ihm den erlittenen Verluſt erſezzen konnte. Sein Vater, der weiter keine Vorzuͤge, als die Menge ſeiner Ahnen beſaß, verſagte ihm ſeine Einwilligung zu einer Verbindung, die nach ſeinen Begriffen ihn entehren wuͤrde, ja |er drohte ihn mit Verſtoſſung und Fluch, wenn er noch ferner den Umgang mit ihr fortſezzen wuͤrde. Nun denke dich, fuͤhlende Seele! all’ die Bitterkeit ihres Schikſals, ihre Liebe gegen ein- ander aufs hoͤchſte geſpannt — ihre Seelen durch das wechſelſeitige Band des ſimpathetiſchen Gefuͤhls ſo verkettet, daß Trennung ohnmoͤg- lich — und fuͤr ſie keine frohe Ausſicht, einſt gluͤklich, einſt im Arm der Liebe durch dies Er- denleben zu wallen. — Jhm war ſein Stand zur Laſt, gern haͤtte er ihn vertauſcht, gern Reichtum und Ehre dem Thoren uͤberlaſſen; froh wuͤrde er am entfernteſten Geſtade ſich eine Huͤtte gebaut haben, um ſicher und ruhig im Arm ſeiner Emilie ruhen zu koͤnnen. Ein Vaters Bruder unſers Woldau hatte Gelegenheit Emilien zu ſehen; von ihrer Bildung und dem erhabnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/128
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/128>, abgerufen am 02.05.2024.