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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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Vertraue Dich aber ihm allein, gänzlich
und ohne Zurückhaltung! Verschweige auch nicht
den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag,
ihn mit dem Zustande und den Sitz Deines
Uebels bekannt zu machen! Doch mische keine
nichtsbedeutende Kleinigkeiten, keine Thorheiten,
keine Grillen, keine Einbildungen hinein, die
ihn irre machen könnten! Folge strenge und
pünctlich seinen Vorschriften, damit er sicher seyn
dürfe, ob das, was Du nachher empfindest, die
Folge seiner angewendeten Mittel sey! Desfalls
lasse Dich auch nicht verleiten, nebenher kleine
Haus-Arcana, mögten sie auch noch so unschul¬
dig scheinen, zu gebrauchen, noch heimlich einen
zweyten Arzt um Rath zu fragen. Vor allen
Dingen nim nicht etwa zu gleicher Zeit zwey
solcher Herrn öffentlich an! Die Resultate ihrer
medicinischen Consilien werden eben so viel To¬
des-Urtheile für Dich seyn; Keinem von Bey¬
den wird Deine Genehsung am Herzen liegen;
Sie werden Deinen Cörper zu dem Kampfplatze
ihrer verschiedenen Meinungen gebrauchen; Sie
werden Einer dem Andern die Ehre misgönnen,
Dich gesund zu machen, und Dich also lieber
gemeinschaftlich in jene Welt schicken, um nach¬

her

Vertraue Dich aber ihm allein, gaͤnzlich
und ohne Zuruͤckhaltung! Verſchweige auch nicht
den kleinſten Umſtand, der dazu dienen mag,
ihn mit dem Zuſtande und den Sitz Deines
Uebels bekannt zu machen! Doch miſche keine
nichtsbedeutende Kleinigkeiten, keine Thorheiten,
keine Grillen, keine Einbildungen hinein, die
ihn irre machen koͤnnten! Folge ſtrenge und
puͤnctlich ſeinen Vorſchriften, damit er ſicher ſeyn
duͤrfe, ob das, was Du nachher empfindeſt, die
Folge ſeiner angewendeten Mittel ſey! Desfalls
laſſe Dich auch nicht verleiten, nebenher kleine
Haus-Arcana, moͤgten ſie auch noch ſo unſchul¬
dig ſcheinen, zu gebrauchen, noch heimlich einen
zweyten Arzt um Rath zu fragen. Vor allen
Dingen nim nicht etwa zu gleicher Zeit zwey
ſolcher Herrn oͤffentlich an! Die Reſultate ihrer
mediciniſchen Conſilien werden eben ſo viel To¬
des-Urtheile fuͤr Dich ſeyn; Keinem von Bey¬
den wird Deine Genehſung am Herzen liegen;
Sie werden Deinen Coͤrper zu dem Kampfplatze
ihrer verſchiedenen Meinungen gebrauchen; Sie
werden Einer dem Andern die Ehre misgoͤnnen,
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[112/0134] Vertraue Dich aber ihm allein, gaͤnzlich und ohne Zuruͤckhaltung! Verſchweige auch nicht den kleinſten Umſtand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zuſtande und den Sitz Deines Uebels bekannt zu machen! Doch miſche keine nichtsbedeutende Kleinigkeiten, keine Thorheiten, keine Grillen, keine Einbildungen hinein, die ihn irre machen koͤnnten! Folge ſtrenge und puͤnctlich ſeinen Vorſchriften, damit er ſicher ſeyn duͤrfe, ob das, was Du nachher empfindeſt, die Folge ſeiner angewendeten Mittel ſey! Desfalls laſſe Dich auch nicht verleiten, nebenher kleine Haus-Arcana, moͤgten ſie auch noch ſo unſchul¬ dig ſcheinen, zu gebrauchen, noch heimlich einen zweyten Arzt um Rath zu fragen. Vor allen Dingen nim nicht etwa zu gleicher Zeit zwey ſolcher Herrn oͤffentlich an! Die Reſultate ihrer mediciniſchen Conſilien werden eben ſo viel To¬ des-Urtheile fuͤr Dich ſeyn; Keinem von Bey¬ den wird Deine Genehſung am Herzen liegen; Sie werden Deinen Coͤrper zu dem Kampfplatze ihrer verſchiedenen Meinungen gebrauchen; Sie werden Einer dem Andern die Ehre misgoͤnnen, Dich geſund zu machen, und Dich alſo lieber gemeinſchaftlich in jene Welt ſchicken, um nach¬ her

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/134>, abgerufen am 19.04.2024.