nicht vielleicht mehr, wenigstens eben so viel Einsicht erlangen sollte, als ein Mann, der das ganze Heer von Krankheiten übersehn muß.
Fordert aber die Noth, daß Du Dich an einen Doctor wendest, und Du willst Dir Einen unter dem Haufen aussuchen; so gieb zuerst Acht, ob der Mann gesunde Vernunft hat; ob er über andre Gegenstände, mit Klarheit, unpartheyisch, ohne Vorurtheil raisonnirt; ob er bescheiden, verschwiegen, fleissig, anhänglich an seine Kunst ist; ob er ein gefühlvolles, menschenliebendes Herz offenbart; ob er seine Kranken mit einer Menge verschiedener Arzeneyen zu bestürmen, oder sich einfacher Mittel zu bedienen, der Na¬ tur wo möglich ihren Lauf zu lassen pflegt; ob er eine Diät empfiehlt, die nach seinen Begier¬ den abgemessen, ob er verbiethet, was ihm zu¬ wieder ist, anräth, wozu er Apetit hat; ob er sich im Reden zuweilen wiederspricht; ob er Brodneid gegen seine Kunst-Verwandten, ob er sich bereitwilliger zeigt, den Großen und Reichen, als den Niedern und Armen beyzustehn? Bist Du über diese Puncte befriedigt und beruhigt; so vertraue Dich ihm an!
Ver¬
nicht vielleicht mehr, wenigſtens eben ſo viel Einſicht erlangen ſollte, als ein Mann, der das ganze Heer von Krankheiten uͤberſehn muß.
Fordert aber die Noth, daß Du Dich an einen Doctor wendeſt, und Du willſt Dir Einen unter dem Haufen ausſuchen; ſo gieb zuerſt Acht, ob der Mann geſunde Vernunft hat; ob er uͤber andre Gegenſtaͤnde, mit Klarheit, unpartheyiſch, ohne Vorurtheil raiſonnirt; ob er beſcheiden, verſchwiegen, fleiſſig, anhaͤnglich an ſeine Kunſt iſt; ob er ein gefuͤhlvolles, menſchenliebendes Herz offenbart; ob er ſeine Kranken mit einer Menge verſchiedener Arzeneyen zu beſtuͤrmen, oder ſich einfacher Mittel zu bedienen, der Na¬ tur wo moͤglich ihren Lauf zu laſſen pflegt; ob er eine Diaͤt empfiehlt, die nach ſeinen Begier¬ den abgemeſſen, ob er verbiethet, was ihm zu¬ wieder iſt, anraͤth, wozu er Apetit hat; ob er ſich im Reden zuweilen wiederſpricht; ob er Brodneid gegen ſeine Kunſt-Verwandten, ob er ſich bereitwilliger zeigt, den Großen und Reichen, als den Niedern und Armen beyzuſtehn? Biſt Du uͤber dieſe Puncte befriedigt und beruhigt; ſo vertraue Dich ihm an!
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nicht vielleicht mehr, wenigſtens eben ſo viel
Einſicht erlangen ſollte, als ein Mann, der das
ganze Heer von Krankheiten uͤberſehn muß.
Fordert aber die Noth, daß Du Dich an
einen Doctor wendeſt, und Du willſt Dir Einen
unter dem Haufen ausſuchen; ſo gieb zuerſt Acht,
ob der Mann geſunde Vernunft hat; ob er uͤber
andre Gegenſtaͤnde, mit Klarheit, unpartheyiſch,
ohne Vorurtheil raiſonnirt; ob er beſcheiden,
verſchwiegen, fleiſſig, anhaͤnglich an ſeine Kunſt
iſt; ob er ein gefuͤhlvolles, menſchenliebendes
Herz offenbart; ob er ſeine Kranken mit einer
Menge verſchiedener Arzeneyen zu beſtuͤrmen,
oder ſich einfacher Mittel zu bedienen, der Na¬
tur wo moͤglich ihren Lauf zu laſſen pflegt; ob
er eine Diaͤt empfiehlt, die nach ſeinen Begier¬
den abgemeſſen, ob er verbiethet, was ihm zu¬
wieder iſt, anraͤth, wozu er Apetit hat; ob er
ſich im Reden zuweilen wiederſpricht; ob er
Brodneid gegen ſeine Kunſt-Verwandten, ob er
ſich bereitwilliger zeigt, den Großen und Reichen,
als den Niedern und Armen beyzuſtehn? Biſt
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/133>, abgerufen am 24.11.2024.
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