Tanz und Malerey würken freylich wohlthätig auf das Herz. Sie machen es weich und em¬ pfänglich für manche edle Gefühle; sie erheben und bereichern die Phantasie, schärfen den Witz, erwecken Fröhlichkeit und Laune, mildern die Sitten, und befördern die geselligen Tugenden. Allein eben diese herrlichen Würkungen können, wenn sie übertrieben werden, mannigfaltiges Elend veranlassen. Ein zu weiches, weibisches, von allen wahren und eingebildeten, eigenen und fremden Leiden in Aufruhr zu bringendes Ge¬ müth ist wahrlich ein trauriges Geschenk; ein Herz, das, empfänglich für jeden Eindruck, wie ein Rohr von mannigfaltigen Leidenschaften hin und her zu bewegen, jeden Augenblick von an¬ dern, sich durchkreuzenden Empfindungen hin¬ gerissen wird; ein Nerven-System, auf wel¬ chem jeder Betrüger, der nur den rechten Ton zu treffen weiß, nach Gefallen spielen kann -- das alles wird uns sehr zur Last, da, wo es auf Festigkeit, unerschütterlichen männlichen Muth, auf Ausdauern und Beharrlichkeit ankömmt. Eine zu warme, zu hochfliegende Phantasie, die allen unsern geistigen Anstrengungen einen ro¬ manhaften Schwung giebt, und uns in eine
Ideen¬
Tanz und Malerey wuͤrken freylich wohlthaͤtig auf das Herz. Sie machen es weich und em¬ pfaͤnglich fuͤr manche edle Gefuͤhle; ſie erheben und bereichern die Phantaſie, ſchaͤrfen den Witz, erwecken Froͤhlichkeit und Laune, mildern die Sitten, und befoͤrdern die geſelligen Tugenden. Allein eben dieſe herrlichen Wuͤrkungen koͤnnen, wenn ſie uͤbertrieben werden, mannigfaltiges Elend veranlaſſen. Ein zu weiches, weibiſches, von allen wahren und eingebildeten, eigenen und fremden Leiden in Aufruhr zu bringendes Ge¬ muͤth iſt wahrlich ein trauriges Geſchenk; ein Herz, das, empfaͤnglich fuͤr jeden Eindruck, wie ein Rohr von mannigfaltigen Leidenſchaften hin und her zu bewegen, jeden Augenblick von an¬ dern, ſich durchkreuzenden Empfindungen hin¬ geriſſen wird; ein Nerven-Syſtem, auf wel¬ chem jeder Betruͤger, der nur den rechten Ton zu treffen weiß, nach Gefallen ſpielen kann — das alles wird uns ſehr zur Laſt, da, wo es auf Feſtigkeit, unerſchuͤtterlichen maͤnnlichen Muth, auf Ausdauern und Beharrlichkeit ankoͤmmt. Eine zu warme, zu hochfliegende Phantaſie, die allen unſern geiſtigen Anſtrengungen einen ro¬ manhaften Schwung giebt, und uns in eine
Ideen¬
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Tanz und Malerey wuͤrken freylich wohlthaͤtig
auf das Herz. Sie machen es weich und em¬
pfaͤnglich fuͤr manche edle Gefuͤhle; ſie erheben
und bereichern die Phantaſie, ſchaͤrfen den Witz,
erwecken Froͤhlichkeit und Laune, mildern die
Sitten, und befoͤrdern die geſelligen Tugenden.
Allein eben dieſe herrlichen Wuͤrkungen koͤnnen,
wenn ſie uͤbertrieben werden, mannigfaltiges
Elend veranlaſſen. Ein zu weiches, weibiſches,
von allen wahren und eingebildeten, eigenen und
fremden Leiden in Aufruhr zu bringendes Ge¬
muͤth iſt wahrlich ein trauriges Geſchenk; ein
Herz, das, empfaͤnglich fuͤr jeden Eindruck, wie
ein Rohr von mannigfaltigen Leidenſchaften hin
und her zu bewegen, jeden Augenblick von an¬
dern, ſich durchkreuzenden Empfindungen hin¬
geriſſen wird; ein Nerven-Syſtem, auf wel¬
chem jeder Betruͤger, der nur den rechten Ton
zu treffen weiß, nach Gefallen ſpielen kann —
das alles wird uns ſehr zur Laſt, da, wo es auf
Feſtigkeit, unerſchuͤtterlichen maͤnnlichen Muth,
auf Ausdauern und Beharrlichkeit ankoͤmmt.
Eine zu warme, zu hochfliegende Phantaſie, die
allen unſern geiſtigen Anſtrengungen einen ro¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/110>, abgerufen am 23.11.2024.
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