Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

zu gewinnen! Rede von dem allgemeinen Rufe,
in welchem Deine Kenntnisse stünden! Verachte,
was Dir zu hoch ist! Schüttle bedeutend mit
dem Kopfe, wenn Du nichts Passendes zu sa¬
gen weisst! Begegne dem Anfänger mit Ueber¬
muthe! Schmeichle vornehme, reiche und mäch¬
tige Dilettanten und Mäcenaten! Befördre die
Lust an Spielwerken und Kleinigkeiten, an nied¬
lichen Rondo's, an Bierhaus-Minuetten mitten
in ernsthaften Stücken, an buntschäckichtem Co¬
loritte, an Sinn-Gedichtgen, an Bombast und
leerer Phraseologie, an Schauspielen voll Greuel,
Verwicklung und Uebertreibung! -- So kannst
Du Dein Schärflein zum allgemeinen Verderb¬
nisse des Geschmacks redlich beytragen! Fühlst
Du aber Kraft in Dir, und hast nicht Ursache,
Menschen zu scheuen; so wiedersetze Dich dem
Unwesen! eifre gegen diese Erbärmlichkeiten,
aber eifre mit Gründen, und rücke den Midassen
unsrer Zeit die großen Perücken und Narrenkap¬
pen zurück, damit man ihre langen Ohren sehe,
und sich nicht durch ihre Amtsgesichter täuschen
lasse! Traurig ist es indessen, daß auch der wahr¬
haftig große Künstler heut zu Tage einen Theil
dieser Wege einschlagen muß, wenn er nicht dem

Char¬

zu gewinnen! Rede von dem allgemeinen Rufe,
in welchem Deine Kenntniſſe ſtuͤnden! Verachte,
was Dir zu hoch iſt! Schuͤttle bedeutend mit
dem Kopfe, wenn Du nichts Paſſendes zu ſa¬
gen weiſſt! Begegne dem Anfaͤnger mit Ueber¬
muthe! Schmeichle vornehme, reiche und maͤch¬
tige Dilettanten und Maͤcenaten! Befoͤrdre die
Luſt an Spielwerken und Kleinigkeiten, an nied¬
lichen Rondo's, an Bierhaus-Minuetten mitten
in ernſthaften Stuͤcken, an buntſchaͤckichtem Co¬
loritte, an Sinn-Gedichtgen, an Bombaſt und
leerer Phraſeologie, an Schauſpielen voll Greuel,
Verwicklung und Uebertreibung! — So kannſt
Du Dein Schaͤrflein zum allgemeinen Verderb¬
niſſe des Geſchmacks redlich beytragen! Fuͤhlſt
Du aber Kraft in Dir, und haſt nicht Urſache,
Menſchen zu ſcheuen; ſo wiederſetze Dich dem
Unweſen! eifre gegen dieſe Erbaͤrmlichkeiten,
aber eifre mit Gruͤnden, und ruͤcke den Midaſſen
unſrer Zeit die großen Peruͤcken und Narrenkap¬
pen zuruͤck, damit man ihre langen Ohren ſehe,
und ſich nicht durch ihre Amtsgeſichter taͤuſchen
laſſe! Traurig iſt es indeſſen, daß auch der wahr¬
haftig große Kuͤnſtler heut zu Tage einen Theil
dieſer Wege einſchlagen muß, wenn er nicht dem

Char¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0108" n="86"/>
zu gewinnen! Rede von dem allgemeinen Rufe,<lb/>
in welchem Deine Kenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tu&#x0364;nden! Verachte,<lb/>
was Dir zu hoch i&#x017F;t! Schu&#x0364;ttle bedeutend mit<lb/>
dem Kopfe, wenn Du nichts Pa&#x017F;&#x017F;endes zu &#x017F;<lb/>
gen wei&#x017F;&#x017F;t! Begegne dem Anfa&#x0364;nger mit Ueber¬<lb/>
muthe! Schmeichle vornehme, reiche und ma&#x0364;ch¬<lb/>
tige Dilettanten und Ma&#x0364;cenaten! Befo&#x0364;rdre die<lb/>
Lu&#x017F;t an Spielwerken und Kleinigkeiten, an nied¬<lb/>
lichen Rondo's, an Bierhaus-Minuetten mitten<lb/>
in ern&#x017F;thaften Stu&#x0364;cken, an bunt&#x017F;cha&#x0364;ckichtem Co¬<lb/>
loritte, an Sinn-Gedichtgen, an Bomba&#x017F;t und<lb/>
leerer Phra&#x017F;eologie, an Schau&#x017F;pielen voll Greuel,<lb/>
Verwicklung und Uebertreibung! &#x2014; So kann&#x017F;t<lb/>
Du Dein Scha&#x0364;rflein zum allgemeinen Verderb¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e des Ge&#x017F;chmacks redlich beytragen! Fu&#x0364;hl&#x017F;t<lb/>
Du aber Kraft in Dir, und ha&#x017F;t nicht Ur&#x017F;ache,<lb/>
Men&#x017F;chen zu &#x017F;cheuen; &#x017F;o wieder&#x017F;etze Dich dem<lb/>
Unwe&#x017F;en! eifre gegen die&#x017F;e Erba&#x0364;rmlichkeiten,<lb/>
aber eifre mit Gru&#x0364;nden, und ru&#x0364;cke den Mida&#x017F;&#x017F;en<lb/>
un&#x017F;rer Zeit die großen Peru&#x0364;cken und Narrenkap¬<lb/>
pen zuru&#x0364;ck, damit man ihre langen Ohren &#x017F;ehe,<lb/>
und &#x017F;ich nicht durch ihre Amtsge&#x017F;ichter ta&#x0364;u&#x017F;chen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e! Traurig i&#x017F;t es inde&#x017F;&#x017F;en, daß auch der wahr¬<lb/>
haftig große Ku&#x0364;n&#x017F;tler heut zu Tage einen Theil<lb/>
die&#x017F;er Wege ein&#x017F;chlagen muß, wenn er nicht dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Char¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0108] zu gewinnen! Rede von dem allgemeinen Rufe, in welchem Deine Kenntniſſe ſtuͤnden! Verachte, was Dir zu hoch iſt! Schuͤttle bedeutend mit dem Kopfe, wenn Du nichts Paſſendes zu ſa¬ gen weiſſt! Begegne dem Anfaͤnger mit Ueber¬ muthe! Schmeichle vornehme, reiche und maͤch¬ tige Dilettanten und Maͤcenaten! Befoͤrdre die Luſt an Spielwerken und Kleinigkeiten, an nied¬ lichen Rondo's, an Bierhaus-Minuetten mitten in ernſthaften Stuͤcken, an buntſchaͤckichtem Co¬ loritte, an Sinn-Gedichtgen, an Bombaſt und leerer Phraſeologie, an Schauſpielen voll Greuel, Verwicklung und Uebertreibung! — So kannſt Du Dein Schaͤrflein zum allgemeinen Verderb¬ niſſe des Geſchmacks redlich beytragen! Fuͤhlſt Du aber Kraft in Dir, und haſt nicht Urſache, Menſchen zu ſcheuen; ſo wiederſetze Dich dem Unweſen! eifre gegen dieſe Erbaͤrmlichkeiten, aber eifre mit Gruͤnden, und ruͤcke den Midaſſen unſrer Zeit die großen Peruͤcken und Narrenkap¬ pen zuruͤck, damit man ihre langen Ohren ſehe, und ſich nicht durch ihre Amtsgeſichter taͤuſchen laſſe! Traurig iſt es indeſſen, daß auch der wahr¬ haftig große Kuͤnſtler heut zu Tage einen Theil dieſer Wege einſchlagen muß, wenn er nicht dem Char¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/108
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/108>, abgerufen am 28.03.2024.