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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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sich von Brodneid entbrannt; neidisch auf einen
Liebhaber, der ihr Hauptstudium nur als Neben¬
sache treibt, und dennoch mehr davon weiß, als
sie, die weiter nichts gelernt haben. Hat ein
Solcher aber Anhang unter den Leuten nach der
Mode, genießt er die Protection der anmaßli¬
chen Kenner; so wage man es ja nicht, laut zu
sagen, daß er ein Stümper sey, wenn man nicht
für einen unwissenden Menschen gelten, und alle
Dilettanten gegen sich aufbringen will! Allein
wen eckelt nicht vor der Menge solcher vorneh¬
men und geringen Dilettanten, vor ihren schie¬
fen Urtheilen, vor ihrem albernen Gewäsche?
Willst Du Dich bey diesem wilden Haufen be¬
liebt machen; so musst Du die Geduld haben,
ihren Unsinn auzuhören, oder gar die Nieder¬
trächtigkeit begehn, ihn zu loben, und ihren
Mächtsprüchen beyzupflichten. Willst Du Dich
aber bey ihnen in Ansehn setzen; so sey ja nicht
bescheiden, sondern eben so unverschämt, wie sie!
Entscheide mit Kühnheit! Tritt mit Zuversicht
mitten unter die größten Männer! Dringe Dich
hervor! Thue, als seyest Du äusserst eckel in
Deinem Geschmacke, als sey es schwer, den
Beyfall Deines verwöhnten Auges und Ohrs

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ſich von Brodneid entbrannt; neidiſch auf einen
Liebhaber, der ihr Hauptſtudium nur als Neben¬
ſache treibt, und dennoch mehr davon weiß, als
ſie, die weiter nichts gelernt haben. Hat ein
Solcher aber Anhang unter den Leuten nach der
Mode, genießt er die Protection der anmaßli¬
chen Kenner; ſo wage man es ja nicht, laut zu
ſagen, daß er ein Stuͤmper ſey, wenn man nicht
fuͤr einen unwiſſenden Menſchen gelten, und alle
Dilettanten gegen ſich aufbringen will! Allein
wen eckelt nicht vor der Menge ſolcher vorneh¬
men und geringen Dilettanten, vor ihren ſchie¬
fen Urtheilen, vor ihrem albernen Gewaͤſche?
Willſt Du Dich bey dieſem wilden Haufen be¬
liebt machen; ſo muſſt Du die Geduld haben,
ihren Unſinn auzuhoͤren, oder gar die Nieder¬
traͤchtigkeit begehn, ihn zu loben, und ihren
Maͤchtſpruͤchen beyzupflichten. Willſt Du Dich
aber bey ihnen in Anſehn ſetzen; ſo ſey ja nicht
beſcheiden, ſondern eben ſo unverſchaͤmt, wie ſie!
Entſcheide mit Kuͤhnheit! Tritt mit Zuverſicht
mitten unter die groͤßten Maͤnner! Dringe Dich
hervor! Thue, als ſeyeſt Du aͤuſſerſt eckel in
Deinem Geſchmacke, als ſey es ſchwer, den
Beyfall Deines verwoͤhnten Auges und Ohrs

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[85/0107] ſich von Brodneid entbrannt; neidiſch auf einen Liebhaber, der ihr Hauptſtudium nur als Neben¬ ſache treibt, und dennoch mehr davon weiß, als ſie, die weiter nichts gelernt haben. Hat ein Solcher aber Anhang unter den Leuten nach der Mode, genießt er die Protection der anmaßli¬ chen Kenner; ſo wage man es ja nicht, laut zu ſagen, daß er ein Stuͤmper ſey, wenn man nicht fuͤr einen unwiſſenden Menſchen gelten, und alle Dilettanten gegen ſich aufbringen will! Allein wen eckelt nicht vor der Menge ſolcher vorneh¬ men und geringen Dilettanten, vor ihren ſchie¬ fen Urtheilen, vor ihrem albernen Gewaͤſche? Willſt Du Dich bey dieſem wilden Haufen be¬ liebt machen; ſo muſſt Du die Geduld haben, ihren Unſinn auzuhoͤren, oder gar die Nieder¬ traͤchtigkeit begehn, ihn zu loben, und ihren Maͤchtſpruͤchen beyzupflichten. Willſt Du Dich aber bey ihnen in Anſehn ſetzen; ſo ſey ja nicht beſcheiden, ſondern eben ſo unverſchaͤmt, wie ſie! Entſcheide mit Kuͤhnheit! Tritt mit Zuverſicht mitten unter die groͤßten Maͤnner! Dringe Dich hervor! Thue, als ſeyeſt Du aͤuſſerſt eckel in Deinem Geſchmacke, als ſey es ſchwer, den Beyfall Deines verwoͤhnten Auges und Ohrs zu F3

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/107>, abgerufen am 29.03.2024.