mancher heftigen Leidenschaft lagen in mir verborgen; Ich war in der ersten Erziehung ein wenig verzärtelt und durch große Aufmerk¬ samkeit, deren man meine kleine Person früh gewürdigt hatte, gewöhnt worden, sehr viel Rücksichten von andern Leuten zu fordern. In einem freyen Vaterlande aufgewachsen, wo Schmeicheley, Verstellung und ein gewisses kriechendes Wesen nicht sehr zu Hause sind, hatte man mich freylich auch nicht zu jener Geschmeidigkeit vorbereitet, deren ich bedurfte, um, unter mir ganz fremden Leuten, in des¬ potischen Staaten große Fortschritte zu ma¬ chen; Auch ist der theoretische Unterricht in wahrer Weltklugheit bey der Jugend theils selten mit Erfolge, theils nicht immer ohne Gefahr zu ertheilen; Eigene Erfahrung muß da in der Folge das beste thun. Diese Lectio¬ nen, wenn man das Glück hat wohlfeil daran zu kommen, sind von der heilsamsten Wür¬ kung, und prägen sich tief ein. Noch erinnere ich mich einer kleinen Scene von der Art, die mich auf eine Zeitlang vorsichtig machte: Ich saß in C*** in der italiänischen Oper, in der herrschaftlichen Loge; Ich war früher als der
Hof
mancher heftigen Leidenſchaft lagen in mir verborgen; Ich war in der erſten Erziehung ein wenig verzaͤrtelt und durch große Aufmerk¬ ſamkeit, deren man meine kleine Perſon fruͤh gewuͤrdigt hatte, gewoͤhnt worden, ſehr viel Ruͤckſichten von andern Leuten zu fordern. In einem freyen Vaterlande aufgewachſen, wo Schmeicheley, Verſtellung und ein gewiſſes kriechendes Weſen nicht ſehr zu Hauſe ſind, hatte man mich freylich auch nicht zu jener Geſchmeidigkeit vorbereitet, deren ich bedurfte, um, unter mir ganz fremden Leuten, in des¬ potiſchen Staaten große Fortſchritte zu ma¬ chen; Auch iſt der theoretiſche Unterricht in wahrer Weltklugheit bey der Jugend theils ſelten mit Erfolge, theils nicht immer ohne Gefahr zu ertheilen; Eigene Erfahrung muß da in der Folge das beſte thun. Dieſe Lectio¬ nen, wenn man das Gluͤck hat wohlfeil daran zu kommen, ſind von der heilſamſten Wuͤr¬ kung, und praͤgen ſich tief ein. Noch erinnere ich mich einer kleinen Scene von der Art, die mich auf eine Zeitlang vorſichtig machte: Ich ſaß in C*** in der italiaͤniſchen Oper, in der herrſchaftlichen Loge; Ich war fruͤher als der
Hof
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0057"n="27"/>
mancher heftigen Leidenſchaft lagen in mir<lb/>
verborgen; Ich war in der erſten Erziehung<lb/>
ein wenig verzaͤrtelt und durch große Aufmerk¬<lb/>ſamkeit, deren man meine kleine Perſon fruͤh<lb/>
gewuͤrdigt hatte, gewoͤhnt worden, ſehr viel<lb/>
Ruͤckſichten von andern Leuten zu fordern.<lb/>
In einem freyen Vaterlande aufgewachſen,<lb/>
wo Schmeicheley, Verſtellung und ein gewiſſes<lb/>
kriechendes Weſen nicht ſehr zu Hauſe ſind,<lb/>
hatte man mich freylich auch nicht zu jener<lb/>
Geſchmeidigkeit vorbereitet, deren ich bedurfte,<lb/>
um, unter mir ganz fremden Leuten, in des¬<lb/>
potiſchen Staaten große Fortſchritte zu ma¬<lb/>
chen; Auch iſt der theoretiſche Unterricht in<lb/>
wahrer Weltklugheit bey der Jugend theils<lb/>ſelten mit Erfolge, theils nicht immer ohne<lb/>
Gefahr zu ertheilen; Eigene Erfahrung muß<lb/>
da in der Folge das beſte thun. Dieſe Lectio¬<lb/>
nen, wenn man das Gluͤck hat wohlfeil daran<lb/>
zu kommen, ſind von der heilſamſten Wuͤr¬<lb/>
kung, und praͤgen ſich tief ein. Noch erinnere<lb/>
ich mich einer kleinen Scene von der Art, die<lb/>
mich auf eine Zeitlang vorſichtig machte: Ich<lb/>ſaß in C*** in der italiaͤniſchen Oper, in der<lb/>
herrſchaftlichen Loge; Ich war fruͤher als der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Hof<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[27/0057]
mancher heftigen Leidenſchaft lagen in mir
verborgen; Ich war in der erſten Erziehung
ein wenig verzaͤrtelt und durch große Aufmerk¬
ſamkeit, deren man meine kleine Perſon fruͤh
gewuͤrdigt hatte, gewoͤhnt worden, ſehr viel
Ruͤckſichten von andern Leuten zu fordern.
In einem freyen Vaterlande aufgewachſen,
wo Schmeicheley, Verſtellung und ein gewiſſes
kriechendes Weſen nicht ſehr zu Hauſe ſind,
hatte man mich freylich auch nicht zu jener
Geſchmeidigkeit vorbereitet, deren ich bedurfte,
um, unter mir ganz fremden Leuten, in des¬
potiſchen Staaten große Fortſchritte zu ma¬
chen; Auch iſt der theoretiſche Unterricht in
wahrer Weltklugheit bey der Jugend theils
ſelten mit Erfolge, theils nicht immer ohne
Gefahr zu ertheilen; Eigene Erfahrung muß
da in der Folge das beſte thun. Dieſe Lectio¬
nen, wenn man das Gluͤck hat wohlfeil daran
zu kommen, ſind von der heilſamſten Wuͤr¬
kung, und praͤgen ſich tief ein. Noch erinnere
ich mich einer kleinen Scene von der Art, die
mich auf eine Zeitlang vorſichtig machte: Ich
ſaß in C*** in der italiaͤniſchen Oper, in der
herrſchaftlichen Loge; Ich war fruͤher als der
Hof
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/57>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.