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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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Hof gekommen, weil ich Mittags nicht auf
dem Schlosse, sondern in der Stadt zu Gaste
gespeist hatte; Noch waren wenig Menschen
da; In der ganzen Reyhe des ersten Rangs
saß nur der einzige Land-Commandeur, Graf
I***, ein würdiger Greis. Er hatte, wie es
scheint, auch darauf gerechnet, daß es schon
später wäre, als es würklich war; Weil er nun
Langeweile hatte und mich gleichfalls einsam
da sitzen sah; so trat er zu mir herein, und
fieng eine Unterredung mit mir an. Er schien
sehr zufrieden mit dem, was ich ihm über ver¬
schiedene Gegenstände, von denen ich einige
Kenntniß besaß, sagte; Der Greis wurde im¬
mer freundlicher und herablassender, und dies
kitzelte mich so sehr, daß ich darauf allerley
Seitensprünge in meinem Gespräche machte,
und zuletzt ein wenig medisant wurde. End¬
lich entwischte mir eine mir gegenwärtig nicht
mehr erinnerliche, grobe Unvorsichtigkeit im
Reden; Der Graf sah mir ernsthaft in das
Gesicht, und ohne weiter ein Wort zu verlieh¬
ren, ließ er mich stehn, und gieng zurück in
seine Loge. Ich fühlte die ganze Stärke die¬
ses Verweises, aber die Arzeney half nicht

lange.

Hof gekommen, weil ich Mittags nicht auf
dem Schloſſe, ſondern in der Stadt zu Gaſte
geſpeiſt hatte; Noch waren wenig Menſchen
da; In der ganzen Reyhe des erſten Rangs
ſaß nur der einzige Land-Commandeur, Graf
I***, ein wuͤrdiger Greis. Er hatte, wie es
ſcheint, auch darauf gerechnet, daß es ſchon
ſpaͤter waͤre, als es wuͤrklich war; Weil er nun
Langeweile hatte und mich gleichfalls einſam
da ſitzen ſah; ſo trat er zu mir herein, und
fieng eine Unterredung mit mir an. Er ſchien
ſehr zufrieden mit dem, was ich ihm uͤber ver¬
ſchiedene Gegenſtaͤnde, von denen ich einige
Kenntniß beſaß, ſagte; Der Greis wurde im¬
mer freundlicher und herablaſſender, und dies
kitzelte mich ſo ſehr, daß ich darauf allerley
Seitenſpruͤnge in meinem Geſpraͤche machte,
und zuletzt ein wenig mediſant wurde. End¬
lich entwiſchte mir eine mir gegenwaͤrtig nicht
mehr erinnerliche, grobe Unvorſichtigkeit im
Reden; Der Graf ſah mir ernſthaft in das
Geſicht, und ohne weiter ein Wort zu verlieh¬
ren, ließ er mich ſtehn, und gieng zuruͤck in
ſeine Loge. Ich fuͤhlte die ganze Staͤrke die¬
ſes Verweiſes, aber die Arzeney half nicht

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[28/0058] Hof gekommen, weil ich Mittags nicht auf dem Schloſſe, ſondern in der Stadt zu Gaſte geſpeiſt hatte; Noch waren wenig Menſchen da; In der ganzen Reyhe des erſten Rangs ſaß nur der einzige Land-Commandeur, Graf I***, ein wuͤrdiger Greis. Er hatte, wie es ſcheint, auch darauf gerechnet, daß es ſchon ſpaͤter waͤre, als es wuͤrklich war; Weil er nun Langeweile hatte und mich gleichfalls einſam da ſitzen ſah; ſo trat er zu mir herein, und fieng eine Unterredung mit mir an. Er ſchien ſehr zufrieden mit dem, was ich ihm uͤber ver¬ ſchiedene Gegenſtaͤnde, von denen ich einige Kenntniß beſaß, ſagte; Der Greis wurde im¬ mer freundlicher und herablaſſender, und dies kitzelte mich ſo ſehr, daß ich darauf allerley Seitenſpruͤnge in meinem Geſpraͤche machte, und zuletzt ein wenig mediſant wurde. End¬ lich entwiſchte mir eine mir gegenwaͤrtig nicht mehr erinnerliche, grobe Unvorſichtigkeit im Reden; Der Graf ſah mir ernſthaft in das Geſicht, und ohne weiter ein Wort zu verlieh¬ ren, ließ er mich ſtehn, und gieng zuruͤck in ſeine Loge. Ich fuͤhlte die ganze Staͤrke die¬ ſes Verweiſes, aber die Arzeney half nicht lange.

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/58>, abgerufen am 25.11.2024.