hatte dem dicken hochwürdigen Herrn den Eh¬ renplatz neben Ihro Hoheit der Fürstinn gegeben; Vor ihm lag ein großer Ragout-Löffel, zum Vor¬ legen; Er glaubte aber, dieser größere Löffel sey, ihm zur besondern Ehre, zu seinem Gebrauche dahingelegt, und um zu zeigen, daß er wohl wisse, was die Höflichkeit erfordert, bath er die Prinzessinn ehrerbiethig, sie mögte doch statt Sei¬ ner sich des Löffels bedienen, der freylich viel zu groß war, um in ihr kleines Mäulchen zu passen.
In welche Verlegenheit geräth zuweilen ein Mann, der nicht viel Journale und neuere Modeschriften liest, wenn er in eine Gesellschaft von schöngeisterischen Herrn und Damen geräth!
Gleichsam wie verrathen und verkauft ist ein so genannter Profaner, wenn er sich in ei¬ nem Haufen Mitglieder einer geheimen Ver¬ bindung befindet.
Freylich kann nichts ungesitteter, den wah¬ ren Begriffen einer feinen Lebensart mehr ent¬ gegen seyn, als wenn eine Anzahl Menschen, die sich auf diese Art unter einander verstehen, einem Fremden, der gutmüthig unter sie tritt,
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hatte dem dicken hochwuͤrdigen Herrn den Eh¬ renplatz neben Ihro Hoheit der Fuͤrſtinn gegeben; Vor ihm lag ein großer Ragout-Loͤffel, zum Vor¬ legen; Er glaubte aber, dieſer groͤßere Loͤffel ſey, ihm zur beſondern Ehre, zu ſeinem Gebrauche dahingelegt, und um zu zeigen, daß er wohl wiſſe, was die Hoͤflichkeit erfordert, bath er die Prinzeſſinn ehrerbiethig, ſie moͤgte doch ſtatt Sei¬ ner ſich des Loͤffels bedienen, der freylich viel zu groß war, um in ihr kleines Maͤulchen zu paſſen.
In welche Verlegenheit geraͤth zuweilen ein Mann, der nicht viel Journale und neuere Modeſchriften lieſt, wenn er in eine Geſellſchaft von ſchoͤngeiſteriſchen Herrn und Damen geraͤth!
Gleichſam wie verrathen und verkauft iſt ein ſo genannter Profaner, wenn er ſich in ei¬ nem Haufen Mitglieder einer geheimen Ver¬ bindung befindet.
Freylich kann nichts ungeſitteter, den wah¬ ren Begriffen einer feinen Lebensart mehr ent¬ gegen ſeyn, als wenn eine Anzahl Menſchen, die ſich auf dieſe Art unter einander verſtehen, einem Fremden, der gutmuͤthig unter ſie tritt,
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hatte dem dicken hochwuͤrdigen Herrn den Eh¬
renplatz neben Ihro Hoheit der Fuͤrſtinn gegeben;
Vor ihm lag ein großer Ragout-Loͤffel, zum Vor¬
legen; Er glaubte aber, dieſer groͤßere Loͤffel ſey,
ihm zur beſondern Ehre, zu ſeinem Gebrauche
dahingelegt, und um zu zeigen, daß er wohl
wiſſe, was die Hoͤflichkeit erfordert, bath er die
Prinzeſſinn ehrerbiethig, ſie moͤgte doch ſtatt Sei¬
ner ſich des Loͤffels bedienen, der freylich viel zu
groß war, um in ihr kleines Maͤulchen zu paſſen.
In welche Verlegenheit geraͤth zuweilen
ein Mann, der nicht viel Journale und neuere
Modeſchriften lieſt, wenn er in eine Geſellſchaft
von ſchoͤngeiſteriſchen Herrn und Damen geraͤth!
Gleichſam wie verrathen und verkauft iſt
ein ſo genannter Profaner, wenn er ſich in ei¬
nem Haufen Mitglieder einer geheimen Ver¬
bindung befindet.
Freylich kann nichts ungeſitteter, den wah¬
ren Begriffen einer feinen Lebensart mehr ent¬
gegen ſeyn, als wenn eine Anzahl Menſchen,
die ſich auf dieſe Art unter einander verſtehen,
einem Fremden, der gutmuͤthig unter ſie tritt,
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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