schiedenheit des Tons unter zweyerley Classen von Menschen! --
Ein Professor, der in der literarischen Welt eine nicht gemeine Rolle spielt, meint in seiner gelehrten Einfalt, die Universität, auf welcher er lebt, sey der Mittelpunct aller Wich¬ tigkeit, und das Fach, in welchem er sich Kennt¬ nisse erworben, die einzige dem Menschen nütz¬ liche, wahrer Anstrengung allein werthe Wis¬ senschaft. Er nennt Jeden, der sich darauf nicht gelegt hat, verächtlicherweise einen Bellettri¬ sten; Einer Dame, die bey ihrer Durchreise den berühmten Mann kennen zu lernen wünscht, und ihn desfalls besucht, schenkt er seine neue, in lateinischer Sprache geschriebene Dissertation, wovon sie nicht Ein Wort versteht; Er unter¬ hält die Gesellschaft, welche sich darauf gefreuet hatte, ihn recht zu geniessen, bey der Abendta¬ fel mit Zergliederung des neuen academischen Credit-Edicts, oder, wenn der Wein dem guten Manne jovialische Laune giebt, mit Erzählung lustiger Schwänke aus seinen Studentenjahren.
Einst speisete ich mit dem Benedictiner- Prälaten aus J*** bey Hof in H***; Man
hatte
ſchiedenheit des Tons unter zweyerley Claſſen von Menſchen! —
Ein Profeſſor, der in der literariſchen Welt eine nicht gemeine Rolle ſpielt, meint in ſeiner gelehrten Einfalt, die Univerſitaͤt, auf welcher er lebt, ſey der Mittelpunct aller Wich¬ tigkeit, und das Fach, in welchem er ſich Kennt¬ niſſe erworben, die einzige dem Menſchen nuͤtz¬ liche, wahrer Anſtrengung allein werthe Wiſ¬ ſenſchaft. Er nennt Jeden, der ſich darauf nicht gelegt hat, veraͤchtlicherweiſe einen Bellettri¬ ſten; Einer Dame, die bey ihrer Durchreiſe den beruͤhmten Mann kennen zu lernen wuͤnſcht, und ihn desfalls beſucht, ſchenkt er ſeine neue, in lateiniſcher Sprache geſchriebene Diſſertation, wovon ſie nicht Ein Wort verſteht; Er unter¬ haͤlt die Geſellſchaft, welche ſich darauf gefreuet hatte, ihn recht zu genieſſen, bey der Abendta¬ fel mit Zergliederung des neuen academiſchen Credit-Edicts, oder, wenn der Wein dem guten Manne jovialiſche Laune giebt, mit Erzaͤhlung luſtiger Schwaͤnke aus ſeinen Studentenjahren.
Einſt ſpeiſete ich mit dem Benedictiner- Praͤlaten aus J*** bey Hof in H***; Man
hatte
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ſchiedenheit des Tons unter zweyerley Claſſen
von Menſchen! —
Ein Profeſſor, der in der literariſchen
Welt eine nicht gemeine Rolle ſpielt, meint in
ſeiner gelehrten Einfalt, die Univerſitaͤt, auf
welcher er lebt, ſey der Mittelpunct aller Wich¬
tigkeit, und das Fach, in welchem er ſich Kennt¬
niſſe erworben, die einzige dem Menſchen nuͤtz¬
liche, wahrer Anſtrengung allein werthe Wiſ¬
ſenſchaft. Er nennt Jeden, der ſich darauf nicht
gelegt hat, veraͤchtlicherweiſe einen Bellettri¬
ſten; Einer Dame, die bey ihrer Durchreiſe
den beruͤhmten Mann kennen zu lernen wuͤnſcht,
und ihn desfalls beſucht, ſchenkt er ſeine neue, in
lateiniſcher Sprache geſchriebene Diſſertation,
wovon ſie nicht Ein Wort verſteht; Er unter¬
haͤlt die Geſellſchaft, welche ſich darauf gefreuet
hatte, ihn recht zu genieſſen, bey der Abendta¬
fel mit Zergliederung des neuen academiſchen
Credit-Edicts, oder, wenn der Wein dem guten
Manne jovialiſche Laune giebt, mit Erzaͤhlung
luſtiger Schwaͤnke aus ſeinen Studentenjahren.
Einſt ſpeiſete ich mit dem Benedictiner-
Praͤlaten aus J*** bey Hof in H***; Man
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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