das Land in die Gesellschaft biederer Beamte und Provinzial-Edelleute gerathen! Hier herr¬ schen ungezwungene Frölichkeit, Offenherzig¬ keit, Freyheit; Man redet von dem, was am nächsten den Landmann interessirt; Man wiegt die Worte nicht ab; der Scherz ist naiv, ge¬ würzt, aber nicht zugespitzt, nicht gekünstelt. Unser Hofmann versucht es, sich in diese Ma¬ nier hineinzuarbeiten; Er mischt sich in die Gespräche; aber der Ausdruck der Offenheit und Treuherzigkeit fehlt; Was bey Jenen naiv war, wird bey ihm beleidigend. Er fühlt dies, und will die Leute in seinen Ton stimmen; In der Stadt gilt er für einen angenehmen Ge¬ sellschafter; Er spannt alle Segel auf, um auch hier zu glänzen; allein die kleinen An¬ necdoten, die feinen Züge, worauf er an¬ spielt, sind hier gänzlich unbekannt, gehen ver¬ lohren. Man findet ihn medisant, da in der Stadt niemand ihm Verläumdung Schuld giebt; Seine Complimente, die er wahrlich gut meint, hält man für Falschheit; die Süßig¬ keiten, die er den Frauenzimmern sagt, und die nur höflich und verbindlich seyn sollen, betracht¬ tet man als Spott. -- So groß ist die Ver¬
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das Land in die Geſellſchaft biederer Beamte und Provinzial-Edelleute gerathen! Hier herr¬ ſchen ungezwungene Froͤlichkeit, Offenherzig¬ keit, Freyheit; Man redet von dem, was am naͤchſten den Landmann intereſſirt; Man wiegt die Worte nicht ab; der Scherz iſt naiv, ge¬ wuͤrzt, aber nicht zugeſpitzt, nicht gekuͤnſtelt. Unſer Hofmann verſucht es, ſich in dieſe Ma¬ nier hineinzuarbeiten; Er miſcht ſich in die Geſpraͤche; aber der Ausdruck der Offenheit und Treuherzigkeit fehlt; Was bey Jenen naiv war, wird bey ihm beleidigend. Er fuͤhlt dies, und will die Leute in ſeinen Ton ſtimmen; In der Stadt gilt er fuͤr einen angenehmen Ge¬ ſellſchafter; Er ſpannt alle Segel auf, um auch hier zu glaͤnzen; allein die kleinen An¬ necdoten, die feinen Zuͤge, worauf er an¬ ſpielt, ſind hier gaͤnzlich unbekannt, gehen ver¬ lohren. Man findet ihn mediſant, da in der Stadt niemand ihm Verlaͤumdung Schuld giebt; Seine Complimente, die er wahrlich gut meint, haͤlt man fuͤr Falſchheit; die Suͤßig¬ keiten, die er den Frauenzimmern ſagt, und die nur hoͤflich und verbindlich ſeyn ſollen, betracht¬ tet man als Spott. — So groß iſt die Ver¬
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das Land in die Geſellſchaft biederer Beamte
und Provinzial-Edelleute gerathen! Hier herr¬
ſchen ungezwungene Froͤlichkeit, Offenherzig¬
keit, Freyheit; Man redet von dem, was am
naͤchſten den Landmann intereſſirt; Man wiegt
die Worte nicht ab; der Scherz iſt naiv, ge¬
wuͤrzt, aber nicht zugeſpitzt, nicht gekuͤnſtelt.
Unſer Hofmann verſucht es, ſich in dieſe Ma¬
nier hineinzuarbeiten; Er miſcht ſich in die
Geſpraͤche; aber der Ausdruck der Offenheit
und Treuherzigkeit fehlt; Was bey Jenen naiv
war, wird bey ihm beleidigend. Er fuͤhlt dies,
und will die Leute in ſeinen Ton ſtimmen; In
der Stadt gilt er fuͤr einen angenehmen Ge¬
ſellſchafter; Er ſpannt alle Segel auf, um
auch hier zu glaͤnzen; allein die kleinen An¬
necdoten, die feinen Zuͤge, worauf er an¬
ſpielt, ſind hier gaͤnzlich unbekannt, gehen ver¬
lohren. Man findet ihn mediſant, da in der
Stadt niemand ihm Verlaͤumdung Schuld
giebt; Seine Complimente, die er wahrlich
gut meint, haͤlt man fuͤr Falſchheit; die Suͤßig¬
keiten, die er den Frauenzimmern ſagt, und die
nur hoͤflich und verbindlich ſeyn ſollen, betracht¬
tet man als Spott. — So groß iſt die Ver¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/51>, abgerufen am 28.11.2024.
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