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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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XII. Muster- u. Formenschutz. §. 51. Frankr. u. Rheinpreussen. (Forts.).

Was die Fabrikformen angeht, d. h. die zu einer mecha-
nischen Wiederholung bestimmten Modelle von Waaren (oben
S. 352), so lassen sich weder die Bestimmungen des Französi-
schen Decrets von 1806 noch auch diejenigen des Bergischen
Decrets von 1811 ihrem Wortlaute nach auf dieselben anwen-
den. Gleichwohl ist der Musterschutz von den Französischen
Gerichten sowohl als auch von den Rheinpreussischen auf die
Fabrikformen angewendet worden.

Es besteht indess trotz dieser im Allgemeinen gleichför-
migen Praxis eine verschiedene Auffassung in Bezug auf die
rechtliche Begründung dieser Anwendung.

Nach der einen Meinung ist der Schutz der Fabrikformen
vermöge einer ausdehnenden Interpretation unter das Decret
vom 18. März 1806 zu subsummiren. Nach der andern Ansicht
finden vielmehr die Bestimmungen des Gesetzes vom 19. Juli
1793 über die Rechte der Urheber von Schriften und Kunst-
werken auf den Schutz der Fabrikformen Anwendung. Nach
einer dritten Meinung endlich kann derselbe weder unter das
eine noch unter das andere Gesetz gebracht werden, sondern
folgt aus dem durch beide Gesetze in einzelnen Anwendungen
anerkannten Principe, dass jeder Urheber einer geistigen Pro-
duction irgend welcher Art befugt ist, deren Benutzung zu
untersagen.

Die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen, welche in der
Französischen Jurisprudenz für jede dieser Auffassungen ange-
führt werden, ist beträchtlich1).

Sie kommen indess alle darin überein, dass den Fabrik-
formen entweder aus dem einen oder dem andern Grunde Schutz
gewährt wird und sie unterscheiden sich practisch nur dadurch,
dass nach der ersten Auffassung die Hinterlegung des Musters
bei dem Fabrikengerichte oder der Handelskammer als Bedin-
gung des Schutzes verlangt wird, während die beiden andern
Meinungen darin übereinkommen, dass eine solche Hinterlegung
nicht erforderlich ist (vergl. unten).

Für Preussen ist durch das oben angeführte Urtheil des Rhei-
nischen Cassations- und Revisionshofes vom 1. Juli 1844 der Grund-
satz aufgestellt, dass das Nachdruckgesetz vom 19. Juli 1793 auf

1) Vergl. Calmels, De la propriete et de la contrefacon p.
75--82.
XII. Muster- u. Formenschutz. §. 51. Frankr. u. Rheinpreussen. (Forts.).

Was die Fabrikformen angeht, d. h. die zu einer mecha-
nischen Wiederholung bestimmten Modelle von Waaren (oben
S. 352), so lassen sich weder die Bestimmungen des Französi-
schen Decrets von 1806 noch auch diejenigen des Bergischen
Decrets von 1811 ihrem Wortlaute nach auf dieselben anwen-
den. Gleichwohl ist der Musterschutz von den Französischen
Gerichten sowohl als auch von den Rheinpreussischen auf die
Fabrikformen angewendet worden.

Es besteht indess trotz dieser im Allgemeinen gleichför-
migen Praxis eine verschiedene Auffassung in Bezug auf die
rechtliche Begründung dieser Anwendung.

Nach der einen Meinung ist der Schutz der Fabrikformen
vermöge einer ausdehnenden Interpretation unter das Decret
vom 18. März 1806 zu subsummiren. Nach der andern Ansicht
finden vielmehr die Bestimmungen des Gesetzes vom 19. Juli
1793 über die Rechte der Urheber von Schriften und Kunst-
werken auf den Schutz der Fabrikformen Anwendung. Nach
einer dritten Meinung endlich kann derselbe weder unter das
eine noch unter das andere Gesetz gebracht werden, sondern
folgt aus dem durch beide Gesetze in einzelnen Anwendungen
anerkannten Principe, dass jeder Urheber einer geistigen Pro-
duction irgend welcher Art befugt ist, deren Benutzung zu
untersagen.

Die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen, welche in der
Französischen Jurisprudenz für jede dieser Auffassungen ange-
führt werden, ist beträchtlich1).

Sie kommen indess alle darin überein, dass den Fabrik-
formen entweder aus dem einen oder dem andern Grunde Schutz
gewährt wird und sie unterscheiden sich practisch nur dadurch,
dass nach der ersten Auffassung die Hinterlegung des Musters
bei dem Fabrikengerichte oder der Handelskammer als Bedin-
gung des Schutzes verlangt wird, während die beiden andern
Meinungen darin übereinkommen, dass eine solche Hinterlegung
nicht erforderlich ist (vergl. unten).

Für Preussen ist durch das oben angeführte Urtheil des Rhei-
nischen Cassations- und Revisionshofes vom 1. Juli 1844 der Grund-
satz aufgestellt, dass das Nachdruckgesetz vom 19. Juli 1793 auf

1) Vergl. Calmels, De la propriété et de la contrefaçon p.
75—82.
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[364/0391] XII. Muster- u. Formenschutz. §. 51. Frankr. u. Rheinpreussen. (Forts.). Was die Fabrikformen angeht, d. h. die zu einer mecha- nischen Wiederholung bestimmten Modelle von Waaren (oben S. 352), so lassen sich weder die Bestimmungen des Französi- schen Decrets von 1806 noch auch diejenigen des Bergischen Decrets von 1811 ihrem Wortlaute nach auf dieselben anwen- den. Gleichwohl ist der Musterschutz von den Französischen Gerichten sowohl als auch von den Rheinpreussischen auf die Fabrikformen angewendet worden. Es besteht indess trotz dieser im Allgemeinen gleichför- migen Praxis eine verschiedene Auffassung in Bezug auf die rechtliche Begründung dieser Anwendung. Nach der einen Meinung ist der Schutz der Fabrikformen vermöge einer ausdehnenden Interpretation unter das Decret vom 18. März 1806 zu subsummiren. Nach der andern Ansicht finden vielmehr die Bestimmungen des Gesetzes vom 19. Juli 1793 über die Rechte der Urheber von Schriften und Kunst- werken auf den Schutz der Fabrikformen Anwendung. Nach einer dritten Meinung endlich kann derselbe weder unter das eine noch unter das andere Gesetz gebracht werden, sondern folgt aus dem durch beide Gesetze in einzelnen Anwendungen anerkannten Principe, dass jeder Urheber einer geistigen Pro- duction irgend welcher Art befugt ist, deren Benutzung zu untersagen. Die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen, welche in der Französischen Jurisprudenz für jede dieser Auffassungen ange- führt werden, ist beträchtlich 1). Sie kommen indess alle darin überein, dass den Fabrik- formen entweder aus dem einen oder dem andern Grunde Schutz gewährt wird und sie unterscheiden sich practisch nur dadurch, dass nach der ersten Auffassung die Hinterlegung des Musters bei dem Fabrikengerichte oder der Handelskammer als Bedin- gung des Schutzes verlangt wird, während die beiden andern Meinungen darin übereinkommen, dass eine solche Hinterlegung nicht erforderlich ist (vergl. unten). Für Preussen ist durch das oben angeführte Urtheil des Rhei- nischen Cassations- und Revisionshofes vom 1. Juli 1844 der Grund- satz aufgestellt, dass das Nachdruckgesetz vom 19. Juli 1793 auf 1) Vergl. Calmels, De la propriété et de la contrefaçon p. 75—82.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/391>, abgerufen am 19.05.2024.