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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente.
ist und welche ihnen nur durch einen besonderen Prozess,
durch die Patentirung gegeben werden kann. Die Erfindungen
unterscheiden sich hierdurch wesentlich auch von den übrigen
Gegenständen des geistigen Eigenthumes, mit welchen sie übri-
gens unter den gemeinschaftlichen Begriff der einer mecha-
nischen Wiederholung fähigen Producte der geistigen Arbeit
zusammenfallen (vergl. Bd. I S. 113). Die Schriften und die
Kunstwerke besitzen nämlich bei ihrer Hervorbringung schon
die concrete Gestalt, welche es möglich macht, sie von jedem
andern Geistesproducte individuell zu unterscheiden und es
war deshalb möglich, sie durch einen einfachen Rechtssatz zu
Gegenständen eines ausschliesslichen Rechtes der Vervielfälti-
gung zu erheben. Die Erfindungen dagegen gewähren die
vermögensrechtliche Nutzung nicht durch eine einfache Wie-
derholung einer bestimmten individualisirten Form, sondern
durch die Reproduction eines technischen Effectes, welcher mit
denselben Mitteln unter mannigfach veränderter Form erreicht
werden kann. Die Benutzung einer neu erfundenen Bewegungs-
vorrichtung, wie z. B. die calorische oder die Dampfmaschine
kann nicht bloss in der Form erfolgen, welche der Erfinder
seiner Maschine bei der ersten Ausführung gegeben hat. Die
Dampfmaschine bleibt vielmehr eine Wiederholung der ur-
sprünglichen Erfindung, auch wenn sie direct wirkend statt mit
Uebertragung construirt, auch wenn sie aus einer stehenden
Maschine in eine Locomobile umgewandelt wird. (Vergl. Bd. I
S. 196.)

Das Recht des Erfinders würde also überhaupt nicht
wirksam geschützt werden können, wenn nur die Vervielfälti-
gung der Form verboten werden sollte, in welcher er seine
Erfindung ursprünglich ausgeführt hat. Das Unterscheidende
der Production, auf welche sich das ausschliessliche Recht des
Erfinders erstreckt, kann vielmehr nur in dem technischen Ef-
fecte gefunden werden, welchen er zuerst durch seine Erfindung
erzielt hat.

Auf der andern Seite kann der Erfinder niemand verhin-
dern, denselben Effect unabhängig von seiner Erfindung, durch
ganz neue Mittel zu erreichen. Endlich kommen bei der Aus-
führung jeder neuen Erfindung ausser den neu erfundenen
Vorrichtungen und Prozessen andere bereits bekannte und in
allgemeinem Gebrauche befindliche Hülfsmittel zur Anwen-

I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente.
ist und welche ihnen nur durch einen besonderen Prozess,
durch die Patentirung gegeben werden kann. Die Erfindungen
unterscheiden sich hierdurch wesentlich auch von den übrigen
Gegenständen des geistigen Eigenthumes, mit welchen sie übri-
gens unter den gemeinschaftlichen Begriff der einer mecha-
nischen Wiederholung fähigen Producte der geistigen Arbeit
zusammenfallen (vergl. Bd. I S. 113). Die Schriften und die
Kunstwerke besitzen nämlich bei ihrer Hervorbringung schon
die concrete Gestalt, welche es möglich macht, sie von jedem
andern Geistesproducte individuell zu unterscheiden und es
war deshalb möglich, sie durch einen einfachen Rechtssatz zu
Gegenständen eines ausschliesslichen Rechtes der Vervielfälti-
gung zu erheben. Die Erfindungen dagegen gewähren die
vermögensrechtliche Nutzung nicht durch eine einfache Wie-
derholung einer bestimmten individualisirten Form, sondern
durch die Reproduction eines technischen Effectes, welcher mit
denselben Mitteln unter mannigfach veränderter Form erreicht
werden kann. Die Benutzung einer neu erfundenen Bewegungs-
vorrichtung, wie z. B. die calorische oder die Dampfmaschine
kann nicht bloss in der Form erfolgen, welche der Erfinder
seiner Maschine bei der ersten Ausführung gegeben hat. Die
Dampfmaschine bleibt vielmehr eine Wiederholung der ur-
sprünglichen Erfindung, auch wenn sie direct wirkend statt mit
Uebertragung construirt, auch wenn sie aus einer stehenden
Maschine in eine Locomobile umgewandelt wird. (Vergl. Bd. I
S. 196.)

Das Recht des Erfinders würde also überhaupt nicht
wirksam geschützt werden können, wenn nur die Vervielfälti-
gung der Form verboten werden sollte, in welcher er seine
Erfindung ursprünglich ausgeführt hat. Das Unterscheidende
der Production, auf welche sich das ausschliessliche Recht des
Erfinders erstreckt, kann vielmehr nur in dem technischen Ef-
fecte gefunden werden, welchen er zuerst durch seine Erfindung
erzielt hat.

Auf der andern Seite kann der Erfinder niemand verhin-
dern, denselben Effect unabhängig von seiner Erfindung, durch
ganz neue Mittel zu erreichen. Endlich kommen bei der Aus-
führung jeder neuen Erfindung ausser den neu erfundenen
Vorrichtungen und Prozessen andere bereits bekannte und in
allgemeinem Gebrauche befindliche Hülfsmittel zur Anwen-

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[8/0035] I. Vorbegriffe. §. 1. Zweck der Erfindungspatente. ist und welche ihnen nur durch einen besonderen Prozess, durch die Patentirung gegeben werden kann. Die Erfindungen unterscheiden sich hierdurch wesentlich auch von den übrigen Gegenständen des geistigen Eigenthumes, mit welchen sie übri- gens unter den gemeinschaftlichen Begriff der einer mecha- nischen Wiederholung fähigen Producte der geistigen Arbeit zusammenfallen (vergl. Bd. I S. 113). Die Schriften und die Kunstwerke besitzen nämlich bei ihrer Hervorbringung schon die concrete Gestalt, welche es möglich macht, sie von jedem andern Geistesproducte individuell zu unterscheiden und es war deshalb möglich, sie durch einen einfachen Rechtssatz zu Gegenständen eines ausschliesslichen Rechtes der Vervielfälti- gung zu erheben. Die Erfindungen dagegen gewähren die vermögensrechtliche Nutzung nicht durch eine einfache Wie- derholung einer bestimmten individualisirten Form, sondern durch die Reproduction eines technischen Effectes, welcher mit denselben Mitteln unter mannigfach veränderter Form erreicht werden kann. Die Benutzung einer neu erfundenen Bewegungs- vorrichtung, wie z. B. die calorische oder die Dampfmaschine kann nicht bloss in der Form erfolgen, welche der Erfinder seiner Maschine bei der ersten Ausführung gegeben hat. Die Dampfmaschine bleibt vielmehr eine Wiederholung der ur- sprünglichen Erfindung, auch wenn sie direct wirkend statt mit Uebertragung construirt, auch wenn sie aus einer stehenden Maschine in eine Locomobile umgewandelt wird. (Vergl. Bd. I S. 196.) Das Recht des Erfinders würde also überhaupt nicht wirksam geschützt werden können, wenn nur die Vervielfälti- gung der Form verboten werden sollte, in welcher er seine Erfindung ursprünglich ausgeführt hat. Das Unterscheidende der Production, auf welche sich das ausschliessliche Recht des Erfinders erstreckt, kann vielmehr nur in dem technischen Ef- fecte gefunden werden, welchen er zuerst durch seine Erfindung erzielt hat. Auf der andern Seite kann der Erfinder niemand verhin- dern, denselben Effect unabhängig von seiner Erfindung, durch ganz neue Mittel zu erreichen. Endlich kommen bei der Aus- führung jeder neuen Erfindung ausser den neu erfundenen Vorrichtungen und Prozessen andere bereits bekannte und in allgemeinem Gebrauche befindliche Hülfsmittel zur Anwen-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/35>, abgerufen am 16.04.2024.