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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme.
solches Urtheil als das Resultat einer bloss theoretischen Prü-
fung häufig fehl greifen mag. Jedenfalls haben die Resultate
der bisherigen Vorprüfung in Preussen weder das gewerbtrei-
bende Publikum noch die Behörden befriedigt, da sich auf bei-
den Seiten gewichtige Stimmen für die Abschaffung des Vor-
prüfungsverfahrens oder gar der Erfindungspatente überhaupt
erhoben haben.

In Nordamerika hat man den ersten Uebelstand dadurch
nach Möglichkeit zu vermeiden gesucht, dass man die mit der
Vorprüfung beauftragte Behörde mit einem grossen Aufwande
von Mitteln dotirte, um die sorgfältigste Prüfung der überaus
zahlreichen Patentgesuche möglich zu machen. Zum Schutze
gegen die irrthümliche Zurückweisung eines Patentgesuches
aber ist durch das Gesetz vom 4. März 1861 ein förmlicher
Instanzenzug eingeführt, in welchem gegen die Entscheidung
der ersten Examinatoren zunächst an diese selbst und dem-
nächst an einen oberen Prüfungshof appellirt werden kann.
Allein auch hier sind die Resultate des Vorprüfungsverfahrens
keinesweges befriedigende. Der Richter Mason, der langjährige
Vorsitzende jener Prüfungsbehörde sagt in seinem Berichte an
den Congress vom Jahre 1856:

"Die Mannigfaltigkeit der Geschäfte des Patentamtes macht
es für den Vorsitzenden unmöglich, eine persönliche Aufsicht
über die Entscheidung jedes der zahllosen seiner Amtsthätig-
keit zufallenden Gesuche auszuüben. Wenn der Examinator
für die Bewilligung des Patentes berichtet, so wird dasselbe
ohne weitere Prüfung gewährt. Unter solchen Umständen kann
auf die Gleichförmigkeit und Zuverlässigkeit der Entscheidun-
gen bei der ersten Prüfung nicht genug Gewicht gelegt wer-
den. Doch kann auf ein solches Ergebniss unter dem jetzt
geltenden Verfahren vernünftiger Weise nicht gerechnet wer-
den und je länger dieses Verfahren fortgesetzt wird, desto grös-
ser wird das Uebel."

Während das Anmeldungssystem ebensowohl als das Vor-
prüfungsverfahren durch die Erfahrung gleichmässig verurtheilt
werden, hat das im Jahre 1852 in Grossbritannien eingeführte
1)

1) Die Gehälter der Beamten des Patentamtes betrugen 1861
mehr als 120,000 Dollars, die sachlichen Unkosten 80,000 Dollars.

II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme.
solches Urtheil als das Resultat einer bloss theoretischen Prü-
fung häufig fehl greifen mag. Jedenfalls haben die Resultate
der bisherigen Vorprüfung in Preussen weder das gewerbtrei-
bende Publikum noch die Behörden befriedigt, da sich auf bei-
den Seiten gewichtige Stimmen für die Abschaffung des Vor-
prüfungsverfahrens oder gar der Erfindungspatente überhaupt
erhoben haben.

In Nordamerika hat man den ersten Uebelstand dadurch
nach Möglichkeit zu vermeiden gesucht, dass man die mit der
Vorprüfung beauftragte Behörde mit einem grossen Aufwande
von Mitteln dotirte, um die sorgfältigste Prüfung der überaus
zahlreichen Patentgesuche möglich zu machen. Zum Schutze
gegen die irrthümliche Zurückweisung eines Patentgesuches
aber ist durch das Gesetz vom 4. März 1861 ein förmlicher
Instanzenzug eingeführt, in welchem gegen die Entscheidung
der ersten Examinatoren zunächst an diese selbst und dem-
nächst an einen oberen Prüfungshof appellirt werden kann.
Allein auch hier sind die Resultate des Vorprüfungsverfahrens
keinesweges befriedigende. Der Richter Mason, der langjährige
Vorsitzende jener Prüfungsbehörde sagt in seinem Berichte an
den Congress vom Jahre 1856:

»Die Mannigfaltigkeit der Geschäfte des Patentamtes macht
es für den Vorsitzenden unmöglich, eine persönliche Aufsicht
über die Entscheidung jedes der zahllosen seiner Amtsthätig-
keit zufallenden Gesuche auszuüben. Wenn der Examinator
für die Bewilligung des Patentes berichtet, so wird dasselbe
ohne weitere Prüfung gewährt. Unter solchen Umständen kann
auf die Gleichförmigkeit und Zuverlässigkeit der Entscheidun-
gen bei der ersten Prüfung nicht genug Gewicht gelegt wer-
den. Doch kann auf ein solches Ergebniss unter dem jetzt
geltenden Verfahren vernünftiger Weise nicht gerechnet wer-
den und je länger dieses Verfahren fortgesetzt wird, desto grös-
ser wird das Uebel.«

Während das Anmeldungssystem ebensowohl als das Vor-
prüfungsverfahren durch die Erfahrung gleichmässig verurtheilt
werden, hat das im Jahre 1852 in Grossbritannien eingeführte
1)

1) Die Gehälter der Beamten des Patentamtes betrugen 1861
mehr als 120,000 Dollars, die sachlichen Unkosten 80,000 Dollars.
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[82/0109] II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme. solches Urtheil als das Resultat einer bloss theoretischen Prü- fung häufig fehl greifen mag. Jedenfalls haben die Resultate der bisherigen Vorprüfung in Preussen weder das gewerbtrei- bende Publikum noch die Behörden befriedigt, da sich auf bei- den Seiten gewichtige Stimmen für die Abschaffung des Vor- prüfungsverfahrens oder gar der Erfindungspatente überhaupt erhoben haben. In Nordamerika hat man den ersten Uebelstand dadurch nach Möglichkeit zu vermeiden gesucht, dass man die mit der Vorprüfung beauftragte Behörde mit einem grossen Aufwande von Mitteln dotirte, um die sorgfältigste Prüfung der überaus zahlreichen Patentgesuche möglich zu machen. Zum Schutze gegen die irrthümliche Zurückweisung eines Patentgesuches aber ist durch das Gesetz vom 4. März 1861 ein förmlicher Instanzenzug eingeführt, in welchem gegen die Entscheidung der ersten Examinatoren zunächst an diese selbst und dem- nächst an einen oberen Prüfungshof appellirt werden kann. Allein auch hier sind die Resultate des Vorprüfungsverfahrens keinesweges befriedigende. Der Richter Mason, der langjährige Vorsitzende jener Prüfungsbehörde sagt in seinem Berichte an den Congress vom Jahre 1856: »Die Mannigfaltigkeit der Geschäfte des Patentamtes macht es für den Vorsitzenden unmöglich, eine persönliche Aufsicht über die Entscheidung jedes der zahllosen seiner Amtsthätig- keit zufallenden Gesuche auszuüben. Wenn der Examinator für die Bewilligung des Patentes berichtet, so wird dasselbe ohne weitere Prüfung gewährt. Unter solchen Umständen kann auf die Gleichförmigkeit und Zuverlässigkeit der Entscheidun- gen bei der ersten Prüfung nicht genug Gewicht gelegt wer- den. Doch kann auf ein solches Ergebniss unter dem jetzt geltenden Verfahren vernünftiger Weise nicht gerechnet wer- den und je länger dieses Verfahren fortgesetzt wird, desto grös- ser wird das Uebel.« Während das Anmeldungssystem ebensowohl als das Vor- prüfungsverfahren durch die Erfahrung gleichmässig verurtheilt werden, hat das im Jahre 1852 in Grossbritannien eingeführte 1) 1) Die Gehälter der Beamten des Patentamtes betrugen 1861 mehr als 120,000 Dollars, die sachlichen Unkosten 80,000 Dollars.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/109>, abgerufen am 20.04.2024.