Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorprüfungssystem.

Es ist schon aus diesen Ziffern zu entnehmen, dass bei
dem Anmeldesystem allzuleicht und für die unnützesten Dinge
Patente erworben werden, welche zur Täuschung Unwis-
sender benutzt werden und der freien Bewegung der Ge-
werbe Hindernisse bereiten. Auch kann es bei der Ertheilung
von Patenten ohne jede Vorprüfung und ohne jeden Aufruf
nicht ausbleiben, dass Patente über den gleichen Gegenstand
an verschiedene Bewerber ertheilt werden, so dass aus diesem
Systeme eine grosse Zahl langwieriger und kostspieliger Pro-
zesse entspringt1).

Das Vorprüfungssystem begegnet ebenso erheblichen Ein-
wendungen, da eine Untersuchung von Amtswegen über die
Neuheit der angemeldeten Erfindungen nur mit grossen Schwie-
rigkeiten und nur mit unsicherem Erfolge angestellt werden
kann. Es ist bekannt, dass in Preussen trotz der überaus
strengen Praxis der begutachtenden technischen Deputation und
trotz der geringen Zahl der bewilligten Patente, dennoch ein-
zelne Fälle vorgekommen sind, in denen das ertheilte Patent
zurückgenommen werden musste, weil sich herausstellte, dass
die angeblich neue Erfindung bereits von einem Andern gemacht
und veröffentlicht war.

Viel häufiger sind die Fälle, in denen die entscheidende
Behörde das Merkmal der Neuheit verneint, weil die Abwei-
chungen von einer früheren bereits in den allgemeinen Ge-
brauch übergegangenen Construction oder Methode für bedeu-
tungslos erachtet wurden. Es ist nicht zu leugnen, dass ein

1) Berühmte Beispiele langwieriger und kostspieliger Prozesse
über bestrittene Patentrechte bietet insbesondere England, wo bis zum
Jahre 1852 das reine Anmeldungssystem herrschte. In der Sache Betts
v. Menzies handelte es sich um eine 1849 patentirte Fabrication von
Kapseln. Der Prozess begann 1857 und war 1863 noch nicht beendet.
Die Kosten des bis dahin geführten Prozesses beliefen sich auf die
ungeheure Summe von 26,357 lvr., wovon 15,267 lvr. der Kläger und
11,090 lvr. der Verklagte getragen hatte. Ein anderer Prozess betraf
das im Jahre 1839 von Marshall Heath gelöste Patent zur Verwendung
von kohlensaurem Maganoxydul in der Stahlfabrication. Der Prozess
schwebte von 1842 bis 1855, wo derselbe im Englischen Oberhause zu
Ende geführt wurde. Die Kosten betrugen mehr als 15,000 lvr. (Eng-
lisches Blaubuch von 1865 S. 33.)
6
Vorprüfungssystem.

Es ist schon aus diesen Ziffern zu entnehmen, dass bei
dem Anmeldesystem allzuleicht und für die unnützesten Dinge
Patente erworben werden, welche zur Täuschung Unwis-
sender benutzt werden und der freien Bewegung der Ge-
werbe Hindernisse bereiten. Auch kann es bei der Ertheilung
von Patenten ohne jede Vorprüfung und ohne jeden Aufruf
nicht ausbleiben, dass Patente über den gleichen Gegenstand
an verschiedene Bewerber ertheilt werden, so dass aus diesem
Systeme eine grosse Zahl langwieriger und kostspieliger Pro-
zesse entspringt1).

Das Vorprüfungssystem begegnet ebenso erheblichen Ein-
wendungen, da eine Untersuchung von Amtswegen über die
Neuheit der angemeldeten Erfindungen nur mit grossen Schwie-
rigkeiten und nur mit unsicherem Erfolge angestellt werden
kann. Es ist bekannt, dass in Preussen trotz der überaus
strengen Praxis der begutachtenden technischen Deputation und
trotz der geringen Zahl der bewilligten Patente, dennoch ein-
zelne Fälle vorgekommen sind, in denen das ertheilte Patent
zurückgenommen werden musste, weil sich herausstellte, dass
die angeblich neue Erfindung bereits von einem Andern gemacht
und veröffentlicht war.

Viel häufiger sind die Fälle, in denen die entscheidende
Behörde das Merkmal der Neuheit verneint, weil die Abwei-
chungen von einer früheren bereits in den allgemeinen Ge-
brauch übergegangenen Construction oder Methode für bedeu-
tungslos erachtet wurden. Es ist nicht zu leugnen, dass ein

1) Berühmte Beispiele langwieriger und kostspieliger Prozesse
über bestrittene Patentrechte bietet insbesondere England, wo bis zum
Jahre 1852 das reine Anmeldungssystem herrschte. In der Sache Betts
v. Menzies handelte es sich um eine 1849 patentirte Fabrication von
Kapseln. Der Prozess begann 1857 und war 1863 noch nicht beendet.
Die Kosten des bis dahin geführten Prozesses beliefen sich auf die
ungeheure Summe von 26,357 lvr., wovon 15,267 lvr. der Kläger und
11,090 lvr. der Verklagte getragen hatte. Ein anderer Prozess betraf
das im Jahre 1839 von Marshall Heath gelöste Patent zur Verwendung
von kohlensaurem Maganoxydul in der Stahlfabrication. Der Prozess
schwebte von 1842 bis 1855, wo derselbe im Englischen Oberhause zu
Ende geführt wurde. Die Kosten betrugen mehr als 15,000 lvr. (Eng-
lisches Blaubuch von 1865 S. 33.)
6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0108" n="81"/>
            <fw place="top" type="header">Vorprüfungssystem.</fw><lb/>
            <p>Es ist schon aus diesen Ziffern zu entnehmen, dass bei<lb/>
dem Anmeldesystem allzuleicht und für die unnützesten Dinge<lb/>
Patente erworben werden, welche zur Täuschung Unwis-<lb/>
sender benutzt werden und der freien Bewegung der Ge-<lb/>
werbe Hindernisse bereiten. Auch kann es bei der Ertheilung<lb/>
von Patenten ohne jede Vorprüfung und ohne jeden Aufruf<lb/>
nicht ausbleiben, dass Patente über den gleichen Gegenstand<lb/>
an verschiedene Bewerber ertheilt werden, so dass aus diesem<lb/>
Systeme eine grosse Zahl langwieriger und kostspieliger Pro-<lb/>
zesse entspringt<note place="foot" n="1)">Berühmte Beispiele langwieriger und kostspieliger Prozesse<lb/>
über bestrittene Patentrechte bietet insbesondere England, wo bis zum<lb/>
Jahre 1852 das reine Anmeldungssystem herrschte. In der Sache Betts<lb/>
v. Menzies handelte es sich um eine 1849 patentirte Fabrication von<lb/>
Kapseln. Der Prozess begann 1857 und war 1863 noch nicht beendet.<lb/>
Die Kosten des bis dahin geführten Prozesses beliefen sich auf die<lb/>
ungeheure Summe von 26,357 lvr., wovon 15,267 lvr. der Kläger und<lb/>
11,090 lvr. der Verklagte getragen hatte. Ein anderer Prozess betraf<lb/>
das im Jahre 1839 von Marshall Heath gelöste Patent zur Verwendung<lb/>
von kohlensaurem Maganoxydul in der Stahlfabrication. Der Prozess<lb/>
schwebte von 1842 bis 1855, wo derselbe im Englischen Oberhause zu<lb/>
Ende geführt wurde. Die Kosten betrugen mehr als 15,000 lvr. (Eng-<lb/>
lisches Blaubuch von 1865 S. 33.)</note>.</p><lb/>
            <p>Das Vorprüfungssystem begegnet ebenso erheblichen Ein-<lb/>
wendungen, da eine Untersuchung von Amtswegen über die<lb/>
Neuheit der angemeldeten Erfindungen nur mit grossen Schwie-<lb/>
rigkeiten und nur mit unsicherem Erfolge angestellt werden<lb/>
kann. Es ist bekannt, dass in Preussen trotz der überaus<lb/>
strengen Praxis der begutachtenden technischen Deputation und<lb/>
trotz der geringen Zahl der bewilligten Patente, dennoch ein-<lb/>
zelne Fälle vorgekommen sind, in denen das ertheilte Patent<lb/>
zurückgenommen werden musste, weil sich herausstellte, dass<lb/>
die angeblich neue Erfindung bereits von einem Andern gemacht<lb/>
und veröffentlicht war.</p><lb/>
            <p>Viel häufiger sind die Fälle, in denen die entscheidende<lb/>
Behörde das Merkmal der Neuheit verneint, weil die Abwei-<lb/>
chungen von einer früheren bereits in den allgemeinen Ge-<lb/>
brauch übergegangenen Construction oder Methode für bedeu-<lb/>
tungslos erachtet wurden. Es ist nicht zu leugnen, dass ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0108] Vorprüfungssystem. Es ist schon aus diesen Ziffern zu entnehmen, dass bei dem Anmeldesystem allzuleicht und für die unnützesten Dinge Patente erworben werden, welche zur Täuschung Unwis- sender benutzt werden und der freien Bewegung der Ge- werbe Hindernisse bereiten. Auch kann es bei der Ertheilung von Patenten ohne jede Vorprüfung und ohne jeden Aufruf nicht ausbleiben, dass Patente über den gleichen Gegenstand an verschiedene Bewerber ertheilt werden, so dass aus diesem Systeme eine grosse Zahl langwieriger und kostspieliger Pro- zesse entspringt 1). Das Vorprüfungssystem begegnet ebenso erheblichen Ein- wendungen, da eine Untersuchung von Amtswegen über die Neuheit der angemeldeten Erfindungen nur mit grossen Schwie- rigkeiten und nur mit unsicherem Erfolge angestellt werden kann. Es ist bekannt, dass in Preussen trotz der überaus strengen Praxis der begutachtenden technischen Deputation und trotz der geringen Zahl der bewilligten Patente, dennoch ein- zelne Fälle vorgekommen sind, in denen das ertheilte Patent zurückgenommen werden musste, weil sich herausstellte, dass die angeblich neue Erfindung bereits von einem Andern gemacht und veröffentlicht war. Viel häufiger sind die Fälle, in denen die entscheidende Behörde das Merkmal der Neuheit verneint, weil die Abwei- chungen von einer früheren bereits in den allgemeinen Ge- brauch übergegangenen Construction oder Methode für bedeu- tungslos erachtet wurden. Es ist nicht zu leugnen, dass ein 1) Berühmte Beispiele langwieriger und kostspieliger Prozesse über bestrittene Patentrechte bietet insbesondere England, wo bis zum Jahre 1852 das reine Anmeldungssystem herrschte. In der Sache Betts v. Menzies handelte es sich um eine 1849 patentirte Fabrication von Kapseln. Der Prozess begann 1857 und war 1863 noch nicht beendet. Die Kosten des bis dahin geführten Prozesses beliefen sich auf die ungeheure Summe von 26,357 lvr., wovon 15,267 lvr. der Kläger und 11,090 lvr. der Verklagte getragen hatte. Ein anderer Prozess betraf das im Jahre 1839 von Marshall Heath gelöste Patent zur Verwendung von kohlensaurem Maganoxydul in der Stahlfabrication. Der Prozess schwebte von 1842 bis 1855, wo derselbe im Englischen Oberhause zu Ende geführt wurde. Die Kosten betrugen mehr als 15,000 lvr. (Eng- lisches Blaubuch von 1865 S. 33.) 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/108
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/108>, abgerufen am 23.04.2024.