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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Aufgebotsverfahren.
Aufgebotsverfahren ziemlich allgemeine Billigung gefunden und
der Bericht, welchen die unter dem Vorsitze Lord Stanley's
niedergesetzte Commission im Jahre 1865 über die bisherigen
Ergebnisse dieses Verfahrens an das Parlament erstattete1),
constatirt auf Grund zahlreicher Zeugenvernehmungen und
schriftlicher Berichte das im Wesentlichen befriedigende Resul-
tat des herrschenden Patentsystemes.

Das Eigenthümliche dieses englischen Verfahrens besteht
darin, dass das Patentgesuch vor der Ertheilung des Patentes
mit der Aufforderuug bekannt gemacht wird, etwaige Einsprüche
binnen 21 Tagen bei dem Patentamte geltend zu machen. Die
erhobenen Einsprüche werden an den Kronanwalt (den Attor-
ney general oder den Solicitor general, verwiesen, welcher nach
Anhörung beider Theile über die Ertheilung oder Versagung
des Patentes entscheidet. Gegen die Entscheidung, durch welche
der erhobene Einspruch verworfen wird, steht dem Opponenten
die Berufuug an den Lord Kanzler zu, gegen die Versagung
des Patentes dagegen findet kein Rechtsmittel statt.

Der Zweck dieses Aufgebotsverfahrens fällt mit demjeni-
gen der Vorprüfung zusammen. Allein an die Stelle des Un-
tersuchungsverfahrens tritt die Verhandlungsmaxime und an
die Stelle der untersuchenden Commission, welche lediglich auf
Grund der ihren Mitgliedern beiwohnenden Kenntnisse die Neu-
heit der Erfindung prüft, tritt die Oeffentlichkeit und die Wach-
samkeit der Betheiligten, welche am meisten befähigt sind, das
zur Entscheidung über die Neuheit der Erfindung und über die
Uebereinstimmung mit früheren Erfindungen dienliche Material
herbeizuschaffen. Es ist nicht mehr nothwendig, mit einem
Aufwande von Hunderttausenden Gelehrte und Techniker aus
allen Fächern zur Prüfung der Patentgesuche anzustellen. Die
entscheidende Behörde findet in jedem Falle in den Industriel-
len des betheiligten Gewerbszweiges unbesoldete Gehülfen,
welche durch ihr Interesse gespornt und durch ihre Erfahrung
befähigt werden, alle Einwendungen beizubringen, welche gegen
die Neuheit der behaupteten Erfindung beigebracht werden

1) Report of the Commissioners appointed to inquire into the
working of the law relating to letters patent of inventions, presented
to both houses of parliament by command of Her Majesty. London 1865.

Aufgebotsverfahren.
Aufgebotsverfahren ziemlich allgemeine Billigung gefunden und
der Bericht, welchen die unter dem Vorsitze Lord Stanley’s
niedergesetzte Commission im Jahre 1865 über die bisherigen
Ergebnisse dieses Verfahrens an das Parlament erstattete1),
constatirt auf Grund zahlreicher Zeugenvernehmungen und
schriftlicher Berichte das im Wesentlichen befriedigende Resul-
tat des herrschenden Patentsystemes.

Das Eigenthümliche dieses englischen Verfahrens besteht
darin, dass das Patentgesuch vor der Ertheilung des Patentes
mit der Aufforderuug bekannt gemacht wird, etwaige Einsprüche
binnen 21 Tagen bei dem Patentamte geltend zu machen. Die
erhobenen Einsprüche werden an den Kronanwalt (den Attor-
ney general oder den Solicitor general, verwiesen, welcher nach
Anhörung beider Theile über die Ertheilung oder Versagung
des Patentes entscheidet. Gegen die Entscheidung, durch welche
der erhobene Einspruch verworfen wird, steht dem Opponenten
die Berufuug an den Lord Kanzler zu, gegen die Versagung
des Patentes dagegen findet kein Rechtsmittel statt.

Der Zweck dieses Aufgebotsverfahrens fällt mit demjeni-
gen der Vorprüfung zusammen. Allein an die Stelle des Un-
tersuchungsverfahrens tritt die Verhandlungsmaxime und an
die Stelle der untersuchenden Commission, welche lediglich auf
Grund der ihren Mitgliedern beiwohnenden Kenntnisse die Neu-
heit der Erfindung prüft, tritt die Oeffentlichkeit und die Wach-
samkeit der Betheiligten, welche am meisten befähigt sind, das
zur Entscheidung über die Neuheit der Erfindung und über die
Uebereinstimmung mit früheren Erfindungen dienliche Material
herbeizuschaffen. Es ist nicht mehr nothwendig, mit einem
Aufwande von Hunderttausenden Gelehrte und Techniker aus
allen Fächern zur Prüfung der Patentgesuche anzustellen. Die
entscheidende Behörde findet in jedem Falle in den Industriel-
len des betheiligten Gewerbszweiges unbesoldete Gehülfen,
welche durch ihr Interesse gespornt und durch ihre Erfahrung
befähigt werden, alle Einwendungen beizubringen, welche gegen
die Neuheit der behaupteten Erfindung beigebracht werden

1) Report of the Commissioners appointed to inquire into the
working of the law relating to letters patent of inventions, presented
to both houses of parliament by command of Her Majesty. London 1865.
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[83/0110] Aufgebotsverfahren. Aufgebotsverfahren ziemlich allgemeine Billigung gefunden und der Bericht, welchen die unter dem Vorsitze Lord Stanley’s niedergesetzte Commission im Jahre 1865 über die bisherigen Ergebnisse dieses Verfahrens an das Parlament erstattete 1), constatirt auf Grund zahlreicher Zeugenvernehmungen und schriftlicher Berichte das im Wesentlichen befriedigende Resul- tat des herrschenden Patentsystemes. Das Eigenthümliche dieses englischen Verfahrens besteht darin, dass das Patentgesuch vor der Ertheilung des Patentes mit der Aufforderuug bekannt gemacht wird, etwaige Einsprüche binnen 21 Tagen bei dem Patentamte geltend zu machen. Die erhobenen Einsprüche werden an den Kronanwalt (den Attor- ney general oder den Solicitor general, verwiesen, welcher nach Anhörung beider Theile über die Ertheilung oder Versagung des Patentes entscheidet. Gegen die Entscheidung, durch welche der erhobene Einspruch verworfen wird, steht dem Opponenten die Berufuug an den Lord Kanzler zu, gegen die Versagung des Patentes dagegen findet kein Rechtsmittel statt. Der Zweck dieses Aufgebotsverfahrens fällt mit demjeni- gen der Vorprüfung zusammen. Allein an die Stelle des Un- tersuchungsverfahrens tritt die Verhandlungsmaxime und an die Stelle der untersuchenden Commission, welche lediglich auf Grund der ihren Mitgliedern beiwohnenden Kenntnisse die Neu- heit der Erfindung prüft, tritt die Oeffentlichkeit und die Wach- samkeit der Betheiligten, welche am meisten befähigt sind, das zur Entscheidung über die Neuheit der Erfindung und über die Uebereinstimmung mit früheren Erfindungen dienliche Material herbeizuschaffen. Es ist nicht mehr nothwendig, mit einem Aufwande von Hunderttausenden Gelehrte und Techniker aus allen Fächern zur Prüfung der Patentgesuche anzustellen. Die entscheidende Behörde findet in jedem Falle in den Industriel- len des betheiligten Gewerbszweiges unbesoldete Gehülfen, welche durch ihr Interesse gespornt und durch ihre Erfahrung befähigt werden, alle Einwendungen beizubringen, welche gegen die Neuheit der behaupteten Erfindung beigebracht werden 1) Report of the Commissioners appointed to inquire into the working of the law relating to letters patent of inventions, presented to both houses of parliament by command of Her Majesty. London 1865.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/110>, abgerufen am 26.04.2024.