Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Hallers Doris, sie sang, selber des Liedes werth,
Hirzels Daphne, den Kleist zärtlich wie Gleimen liebt,
Und wir Jünglinge sangen,
Und empfanden, wie Hagedorn.
Jezt empfing uns die Au in die beschattenden
Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;
Da, da kamest du, Freude!
Volles Maasses auf uns herab!
Göttinn Freude! du selbst! dich, wir empfanden dich!
Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,
Deiner Unschuld Gespielinn,
Die sich über uns ganz ergoß!
Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft
In der Jünglinge Herzen,
Und die Herzen der Mädchen gießt.
Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich
Jede blühende Brust schöner, und bebender,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich!
Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,
Bessre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,
Im sokratischen Becher
Von der thauenden Ros' umkränzt;

Wenn
F 5

Hallers Doris, ſie ſang, ſelber des Liedes werth,
Hirzels Daphne, den Kleiſt zaͤrtlich wie Gleimen liebt,
Und wir Juͤnglinge ſangen,
Und empfanden, wie Hagedorn.
Jezt empfing uns die Au in die beſchattenden
Kuͤhlen Arme des Walds, welcher die Inſel kroͤnt;
Da, da kameſt du, Freude!
Volles Maaſſes auf uns herab!
Goͤttinn Freude! du ſelbſt! dich, wir empfanden dich!
Ja, du wareſt es ſelbſt, Schweſter der Menſchlichkeit,
Deiner Unſchuld Geſpielinn,
Die ſich uͤber uns ganz ergoß!
Suͤß iſt, froͤhlicher Lenz, deiner Begeiſtrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn ſich dein Odem ſanft
In der Juͤnglinge Herzen,
Und die Herzen der Maͤdchen gießt.
Ach du machſt das Gefuͤhl ſiegend, es ſteigt durch dich
Jede bluͤhende Bruſt ſchoͤner, und bebender,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich!
Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,
Beſſre ſanftere Luſt, wenn er Gedanken winkt,
Im ſokratiſchen Becher
Von der thauenden Roſ’ umkraͤnzt;

Wenn
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg>
            <pb facs="#f0097" n="89"/>
            <lg n="6">
              <l><hi rendition="#in">H</hi>allers Doris, &#x017F;ie &#x017F;ang, &#x017F;elber des Liedes werth,</l><lb/>
              <l>Hirzels Daphne, den Klei&#x017F;t za&#x0364;rtlich wie Gleimen liebt,</l><lb/>
              <l>Und wir Ju&#x0364;nglinge &#x017F;angen,</l><lb/>
              <l>Und empfanden, wie Hagedorn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ezt empfing uns die Au in die be&#x017F;chattenden</l><lb/>
              <l>Ku&#x0364;hlen Arme des Walds, welcher die In&#x017F;el kro&#x0364;nt;</l><lb/>
              <l>Da, da kame&#x017F;t du, Freude!</l><lb/>
              <l>Volles Maa&#x017F;&#x017F;es auf uns herab!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l><hi rendition="#in">G</hi>o&#x0364;ttinn Freude! du &#x017F;elb&#x017F;t! dich, wir empfanden dich!</l><lb/>
              <l>Ja, du ware&#x017F;t es &#x017F;elb&#x017F;t, Schwe&#x017F;ter der Men&#x017F;chlichkeit,</l><lb/>
              <l>Deiner Un&#x017F;chuld Ge&#x017F;pielinn,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ich u&#x0364;ber uns ganz ergoß!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>u&#x0364;ß i&#x017F;t, fro&#x0364;hlicher Lenz, deiner Begei&#x017F;trung Hauch,</l><lb/>
              <l>Wenn die Flur dich gebiert, wenn &#x017F;ich dein Odem &#x017F;anft</l><lb/>
              <l>In der Ju&#x0364;nglinge Herzen,</l><lb/>
              <l>Und die Herzen der Ma&#x0364;dchen gießt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ch du mach&#x017F;t das Gefu&#x0364;hl &#x017F;iegend, es &#x017F;teigt durch dich</l><lb/>
              <l>Jede blu&#x0364;hende Bru&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;ner, und bebender,</l><lb/>
              <l>Lauter redet der Liebe</l><lb/>
              <l>Nun entzauberter Mund durch dich!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l><hi rendition="#in">L</hi>ieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;&#x017F;re &#x017F;anftere Lu&#x017F;t, wenn er Gedanken winkt,</l><lb/>
              <l>Im &#x017F;okrati&#x017F;chen Becher</l><lb/>
              <l>Von der thauenden Ro&#x017F;&#x2019; umkra&#x0364;nzt;</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">F 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] Hallers Doris, ſie ſang, ſelber des Liedes werth, Hirzels Daphne, den Kleiſt zaͤrtlich wie Gleimen liebt, Und wir Juͤnglinge ſangen, Und empfanden, wie Hagedorn. Jezt empfing uns die Au in die beſchattenden Kuͤhlen Arme des Walds, welcher die Inſel kroͤnt; Da, da kameſt du, Freude! Volles Maaſſes auf uns herab! Goͤttinn Freude! du ſelbſt! dich, wir empfanden dich! Ja, du wareſt es ſelbſt, Schweſter der Menſchlichkeit, Deiner Unſchuld Geſpielinn, Die ſich uͤber uns ganz ergoß! Suͤß iſt, froͤhlicher Lenz, deiner Begeiſtrung Hauch, Wenn die Flur dich gebiert, wenn ſich dein Odem ſanft In der Juͤnglinge Herzen, Und die Herzen der Maͤdchen gießt. Ach du machſt das Gefuͤhl ſiegend, es ſteigt durch dich Jede bluͤhende Bruſt ſchoͤner, und bebender, Lauter redet der Liebe Nun entzauberter Mund durch dich! Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen, Beſſre ſanftere Luſt, wenn er Gedanken winkt, Im ſokratiſchen Becher Von der thauenden Roſ’ umkraͤnzt; Wenn F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/97
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/97>, abgerufen am 28.04.2024.