Oden
Hamburg . 1771 .
Bey Johann Joachim Chriſtoph Bode .
Inhalt .
Erſtes Buch .
Dem D rloͤſer . 1751 .
Fuͤr den Koͤnig . 1753 .
Die Geneſung . 1754 .
Dem Allgegenwaͤrtigen . 1758 .
Das Anſchauen Gottes . 1759 .
Die Fruͤhlingsfeyer . 1759 .
Der Erbarmer . 1759 .
Die Gluͤckſeligkeit Aller. 1759 .
Die Geneſung des Koͤnigs . 1759 .
Die Welten . 1764 .
Die Geſtirne . 1764 .
Dem Unendlichen . 1764 .
Der Tod. 1764 .
Die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit . 1764 .
Der Vorhof und der Tempel . 1765 .
Das groſſe Halleluja . 1766 .
Schlachtgeſang. 1767 .
Zweytes Buch .
Der Lehrling der Griechen . 1747 .
Wingolf. 1747 .
An Giſeke . 1747 .
An Ebert . 1748 .
Bardale. 1748 .
An Fanny . 1748 .
Heinrich der Vogler . 1749 .
An Bodmer . 1750 .
Der Zuͤrcherſee . 1750 .
Friedrich der Fuͤnfte . 1750 .
Friedrich der Fuͤnfte . An Bernſtorff und Moltke . 1751 .
Die todte Clariſſa . 1751 .
Friedensburg. 1751 .
An Cidli . 1751 .
Die Koͤnigin Luiſe . 1752 .
Hermann und Thusnelda . 1752 .
Fragen. 1752 .
An Young . 1752 .
Die beyden Muſen . 1752 .
An Cidli . 1752 .
An Cidli . 1752 .
Cidli.
-
Cidli. 1752 .
An Gleim . 1752 .
An Cidli . 1752 .
Der Rheinwein . 1753 .
Cidli. 1753 .
An Cidli . 1754 .
Drittes Buch .
Das neue Jahrhundert . 1760 .
Aganippe und Phiala . 1764 .
Kaiſer Heinrich . 1764 .
Die Zukunft . 1764 .
Siona. 1764 .
Der Nachahmer . 1764 .
Sponda. 1764 .
Thuiskon. 1764 .
Der Eislauf . 1764 .
Der Juͤngling . 1764 .
Die fruͤhen Graͤber . 1764 .
Schlachtgeſang. 1765 .
Braga. 1766 .
Die Sommernacht . 1766 .
Skulda. 1766 .
Selmar und Selma . 1766 .
Der Bach . 1766 .
Wir und Sie . 1766 .
Unſre Fuͤrſten . 1766 .
Die Choͤre . 1767 .
Die Barden . 1767 .
Teone. 1767 .
Stintenburg. 1767 .
Unſre Sprache . 1767 .
Die Kunſt Tialfs . 1767 .
Der Huͤgel und der Hain . 1767 .
Hermann. 1767 .
Mein Vaterland . 1768 .
Vaterlandslied zum Singen fuͤr Johanna Eliſabeth von
Winthem. 1770 .
Elegien .
Die kuͤnſtige Geliebte . 1747 .
Selmar und Selma . 1748 .
Rothſchilds Graͤber . 1766 .
Erſtes
Erſtes Buch .
Dem Erloͤſer .
D er Seraph ſtammelts , und die Unendlichkeit
Bebts durch den Umkreis ihrer Gefilde nach
Dein hohes Lob , o Sohn ! Wer bin ich ,
Daß ich mich auch in die Jubel draͤnge ?
V on Staube Staub ! Doch wohnt ein Unſterblicher
Von hoher Abkunft in den Verweſungen !
Und denkt Gedanken , daß Entzuͤckung
Durch die erſchuͤtterte Nerve ſchauert !
A uch du wirſt einmal mehr wie Verweſung ſeyn ,
Der Seele Schatten , Huͤtte , von Erd’ erbaut ,
Und andrer Schauer Trunkenheiten
Werden dich dort , wo du ſchlummerſt , wecken .
D er Leben Schauplatz , Feld , wo wir ſchlummerten ,
Wo Adams Enkel wird , was ſein Vaker war ,
Als er ſich jetzt der Schoͤpfung Armen
Jauchzend entriß , und ein Leben daſtand !
A 2 O
O Feld vom Aufgang bis , wo ſie untergeht
Der Sonnen letzte , heiliger Todten voll ,
Wenn ſeh ich dich ? wenn weint mein Auge
Unter den tauſendmal tauſend Thraͤnen ?
D es Schlafes Stunden , oder Jahrhunderte ,
Fließt ſchnell voruͤber , fließt , daß ich auferſteh !
Allein ſie ſaumen ! und ich bin noch
Dieſſeits am Grabe ! … O helle Stunde ,
D er Ruh Geſpielinn , Stunde des Todes , komm !
O du Gefilde , wo der Unſterblichkeit
Dieß Leben reift , noch nie beſuchter
Acker fuͤr ewige Saat , wo biſt du ?
L aßt mich dort hingehn , daß ich die Staͤte ſeh !
Mit hingeſenktem trunkenem Blick ſie ſeh !
Der Erndte Blumen druͤber ſtreue ,
Unter die Blumen mich leg’ , und ſterbe !
W unſch groſſer Auſſicht , aber nur Gluͤcklichen ,
Wenn du , die ſuͤſſe Stunde der Seligkeit ,
Da wir dich wuͤnſchen , kaͤmſt , wer gliche
Dem , der alsdann mit dem Tode raͤnge ?
D ann miſcht’ ich kuͤhner unter den Throngeſang
Des Menſchen Stimme , ſaͤnge dann heiliger
Den meine Seele liebt ! den Beſten
Aller gebohrnen , den Sohn des Vaters !
Doch
D och laß mich leben , daß am erreichten Ziel
Ich ſterbe ! Daß erſt , wenn es geſungen iſt
Das Lied von dir , ich triumphirend
Ueber das Grab den erhabnen Weg geh !
O du mein Meiſter , der du gewaltiger
Die Gottheit lehrteſt ! zeige die Wege mir ,
Die dann du gingſt ! worauf die Seher ,
Deine Verkuͤndiger , Wonne ſangen .
D ort iſt es himmliſch ! Ach , aus der Ferne Nacht ,
Folg’ ich der Spur nach , die du gewandelt biſt ,
Doch faͤllt von deinen Strahlenhoͤhen
Schimmer herab , und mein Auge ſieht ihn .
D ann hebt mein Geiſt ſich , duͤrſtet nach Ewigkeit ,
Nicht jener kurzen , die auf der Erde bleibt ;
Nach Palmen ringt er , die im Himmel
Fuͤr der Unſterblichen Rechte ſproſſen .
Z eig mir die Laufbahn , wo an dem fernen Ziel
Die Palme wehet ! Meinen erhabenſten
Gedanken lehr ihn Hoheit ! fuͤhr ihm
Wahrheiten zu , die es ewig bleiben !
D aß ich den Nachhall der , die es ewig ſind ,
Den Menſchen ſinge ! daß mein geweihter Arm
Vom Altar Gottes Flammen nehme !
Flammen ins Herz der Erloͤſten ſtroͤme !
A 3 Fuͤr
Fuͤr den Koͤnig .
P ſalter , ſinge dem Herrn ! geuß Silbertoͤne ,
Laute Jubel herab ! und ruf zur Stimme
Deiner Feyer Gedanken ,
Welche Jehova , den Schoͤpfer , erhoͤhn !
D u biſt herrlich und mild ! Du gabſt , du Geber !
Dem gluͤckſeligen Volk , in deinen Gnaden ,
Einen weiſen Beherrſcher ,
Daß er die Ehre der Menſchlichkeit ſey !
P reis und Jubel und Dank dem groſſen Geber !
Heil dem Koͤnige ! Heil dem Gottgegebnen !
Segn’ ihn , wenn du herabſchauſt ,
S chau unverwandt , o Jehova , herab !
Schau herunter , und gieb ihm langes Leben ,
Sanftes Leben , du Gott der Menſchenfreunde !
Giebs dem Theuren , dem Guten ,
Ihm , der die Wonne der Menſchlichkeit iſt !
Den
D en wir lieben ! Er iſts ! Er iſt der Jubel
Unſrer Seele ! Dir rinnt die Freudenthraͤne !
Heil dir ! Weh dem Erobrer ,
Welcher im Blute der Sterbenden geht ,
W enn die Roſſe der Schlacht gezaͤhmter wuͤten ,
Als der ſchwillende Held nach Lorbern wiehert !
Stirb ! So tief ſie auch wuchſen ,
Fand ſie des Donnerers Auge doch auf !
F luͤche folgen ihm nach ! Ein lauter Seegen
Jauchzt dem edleren zu , der dieſes Nachruhms
Schwarze Freuden verabſcheut ,
Sich zu der beſſern Unſterblichkeit ſchwingt !
D ann bald hoͤher empor zum Gipfel aufſteigt ,
Spricht zum Ruhme : Du kennſt die Auſſenthat nur !
Edel handelt ! zum Lohne
Selbſt nicht den Beyfall des Weiſen begehrt !
R eines Herzens , das ſeyn ! Es iſt die letzte ,
Steilſte Hoͤhe von dem , was Weiſ’ erſannen ,
Weiſre thaten ! Der Zuruf
Selber des Engels belohnet nicht ganz
E inen Koͤnig , der Gott ſein Herz geweiht hat !
Kaum gebohren wird ihm das Kind ſchon lallen !
Und , geſchaffen vor Eden ,
Sieht ihn der Seraph , und nennt ihn vor Gott !
A 4 Einen
E inen Chriſten , ich ſah den Weiſen ſterben ,
Einen Chriſten , zur Zeit der neuen Heiden !
Liebend wandt’ er ſein Auge
Gegen den Enkel , und laͤchelte ſo :
E rſt ſey dieſes mein Dank , der ewig daure ,
Daß mein Schoͤpfer mich ſchuf , und nun mich wegwinkt ,
Von der Schwelle des Lebens ,
Zu dem unſterblichen Leben empor !
U nd dann bet’ ich ihn an , daß dieß mein Auge
Noch den Menſchenfreund ſah , den uns ſein Gott gab !
Gott , Gott ſegne , ja ſegn’ ihn !
Wende dich nicht , ach , und weine nicht , Sohn !
G ott , Gott ſegn’ ihn ! Hier wird der Tod mir bitter ,
Hier nur ! Denn nun erblickt mein todtes Auge
Meinen Koͤnig , den beſten ,
Ach ! den geliebteſten Koͤnig , nicht mehr !
D u , mein gluͤcklicher Sohn , du wirſt ihn lange ,
Lange wirſt du ihn ſehn , noch , wenn ſein Alter
Ihn , mit ſilbernen Haaren ,
Und , mit der Wonne des Lebens , bedeckt ,
A ch ! der Wonne , vor Gott gelebt zu haben !
Gute Thaten um ſich , in vollen Schaaren ,
Zu erblicken ! Sie folgen
Juͤngling ! ihm nach in das ernſte Gericht !
Vieles
V ieles ſah ich . Ich weiß , was groß und ſchoͤn iſt
In dem Leben ! Allein das iſt das hoͤchſte ,
Was des Sterblichen Auge
Sehn kann : Ein Koͤnig , der Gluͤckliche macht !
S ey du wuͤrdig , von Ihm gekannt zu werden !
Lern beſcheidnes Verdienſt ; Er wird dich kennen
Nun .. Gott ſegne , ja ſegn’ ihn !
Segne der Koͤnige Beſten ! .. Er ſtarb .
A 5 Die
Die Geneſung .
G eneſung , Tochter der Schoͤpfung auch ,
Obwohl der Unſterblichkeit nicht gebohren ,
Dich hat mir der Herr des Lebens und des Todes
Vom Himmel geſandt !
H aͤtt’ ich deinen ſanften Gang nicht vernommen ,
Nicht deiner Lispel Stimme gehoͤrt ;
So haͤtt auf des Liegenden kalter Stirn
Geſtanden mit dem eiſernem Fuſſe der Tod !
Z war waͤr ich auch dahin gewallet ,
Wo Erden wandeln um Sonnen ,
Haͤtte die Bahn betreten , auf der der beſchweifte
Komet
Sich ſelbſt dem doppelten Auge verliert ;
H aͤtte mit dem erſten entzuͤckenden Gruſſe
Die Bewoner gegruͤßt der Erden und der Sonnen ,
Gegruͤßt des hohen Kometen
Zahlloſe Bevoͤlkerung ;
J uͤnglings Fragen gefragt , Antworten
Mit den Fragen gleiches Maaſſes bekommen ,
Mehr in Stunden gelernt , als der Jahrhunderte
Lange Reihen hier entraͤthſeln .
Aber
A ber ich haͤtt’ auch hier das nicht vollendet ,
Was ſchon in den Bluͤthenjahren des Lebens
Mit lauter ſuͤſſer Stimme
Mein Beruf zu beginnen mir rief .
G eneſung , Tochter der Schoͤpfung auch ,
Obwohl der Unſterblichkeit nicht gebohren ,
Dich hat mir der Herr des Lebens und des Todes
Vom Himmel geſandt !
Dem
Dem Allgegenwaͤrtigen .
D a du mit dem Tode gerungen , mit dem Tode
Heftiger du gebetet hatteſt ,
Da dein Schweiß und dein Blut
Auf die Erde geronnen war ;
I n dieſer ernſten Stunde
Thateſt du jene groſſe Wahrheit kund
Die Wahrheit ſeyn wird
So lange die Huͤlle der ewigen Seele Staub iſt .
D u ſtandeſt , und ſprachſt
Zu den Schlafenden :
Willig iſt eure Seele ,
Aber das Fleiſch iſt ſchwach !
D ieſer Endlichkeit Looß , die Schwere der Erde
Fuͤhlt auch meine Seele ,
Wenn ſie zu Gott , zu dem Unendlichen
Sich erheben will .
A nbetend , Vater , ſink ich in den Staub , und fleh ,
Vernimm mein Flehn , die Stimme des Endlichen ,
Gieb meiner Seel’ ihr wahres Leben ,
Daß ſie zu dir ſich zu dir erhebe !
All-
A llgegenwaͤrtig , Vater !
Schlieſſeſt du mich ein !
Steh hier , Betrachtung , ſtill , und forſche
Dieſem Gedanken der Wonne nach .
W as wird das Anſchaun ſeyn , wenn der Gedank '
an dich
Allgegenwaͤrtiger ! ſchon Kraͤfte jener Welt hat !
Was wird es ſeyn dein Anſchaun ,
Unendlicher ! o du Unendlicher !
D as ſah kein Auge , das hoͤrte kein Ohr ,
Das kam in keines Herz , wie ſehr es auch rang ,
Wie es auch nach Gott , nach Gott ,
Nach dem Unendlichen duͤrſtete :
K ams doch in keines Menſchen Herz ,
Nicht ins Herz deß , der Suͤnder
Und Erd’ , und bald ein Todter iſt ,
Was Gott , denen , die ihn lieben , bereitet hat .
W enige nur , ach ! wenige ſind
Deren Aug’ in der Schoͤpfung
Den Schoͤpfer ſieht ! Wenige , deren Ohr
Ihn in dem maͤchtigen Rauſchen des Sturm-
winds hoͤrt ,
I m Donner , der rollt ! oder im liſpelnden Bache ,
Unerſchafner ! dich vernimmt !
Weniger Herzen erfuͤllt , mit Ehrfurcht und Schauer ,
Gottes Allgegenwart !
Laß
L aß mich im Heiligthume
Dich , Allgegenwaͤrtiger ,
Stets ſuchen , und finden ! und iſt
Er mir entflohn , dieſer Gedanke der Ewigkeit ;
L aß mich ihn tiefanbetend
Von den Choͤren der Seraphim
Ihn , mit lauten Thraͤnen der Freude ,
Herunter rufen !
D amit ich , dich zu ſchaun ,
Mich bereite , mich weihe ,
Dich zu ſchaun
In dem Allerheiligſten !
I ch hebe mein Aug’ auf , und ſeh ,
Und ſiehe der Herr iſt uͤberall !
Erd’ , aus deren Staube
Der erſte der Menſchen geſchaffen ward ;
A uf der ich mein erſtes Leben lebe ,
In der ich verweſen werde !
Und auferſtehen aus der !
Gott wuͤrdigt auch dich , dir gegenwaͤrtig zu ſeyn .
M it heiligem Schauer ,
Brech’ ich die Blum’ ab !
Gott machte ſie ,
Gott iſt , wo die Blum’ iſt .
Mit
M it heiligem Schauer , fuͤhl’ ich der Luͤfte Wehn ,
Hoͤr ich ihr Rauſchen ! Es hieß ſie wehn und rauſchen
Der Ewige ! … Der Ewige
Iſt , wo ſie ſaͤuſeln , und wo der Donnerſturm
die Ceder ſtuͤrzt .
F reu dich deines Todes , o Leib !
Wo du verweſen wirſt
Wird Er ſeyn
Der Ewige !
F reu dich deines Todes , o Leib ! in den Tiefen der
Schoͤpfung ,
In den Hoͤhen der Schoͤpfung , wird deine Truͤm-
mer verwehn !
Auch dort , Verweſter , Verſtaͤubter , wird Er ſeyn
Der Ewige !
D ie Hoͤhen werden ſich buͤcken !
Die Tiefen ſich buͤcken ,
Wenn der Allgegenwaͤrtige nun
Wieder aus Staub ’ Unſterbliche ſchaft .
W erft die Palmen , Vollendete ! nieder , und die Kronen !
Halleluja dem Schaffenden ,
Dem Toͤdtenden , Halleluja !
Halleluja dem Schaffenden !
I ch hebe mein Aug’ auf , und ſeh ,
Und ſiehe der Herr iſt uͤberall !
Euch , Sonnen , euch , Erden , euch , Monde der Erden ,
Erfuͤllet , ringsum mich , ſeine goͤttliche Gegenwart !
Nacht
N acht der Welten , wie wir im dunkeln Worte ſchaun
Den , der ewig iſt !
So ſchaun wir in dir , geheimnißvolle Nacht ,
Den , der ewig iſt !
H ier ſteh ich Erde ! was iſt mein Leib ,
Gegen dieſe ſelbſt den Engeln unzaͤhlbare Welten !
Was ſind dieſe ſelbſt den Engeln unzaͤhlbare Welten ,
Gegen meine Seele !
I hr , der Unſterblichen , ihr , der Erloͤſten
Biſt du naͤher , als den Welten !
Denn ſie denken , ſie fuͤhlen
Deine Gegenwart nicht .
M it ſtillem Ernſte dank ich dir ,
Wenn ich ſie denke !
Mit Freudenthraͤnen mit namloſer Wonne
Dank’ ich , o Vater ! dir , wenn ich ſie fuͤhle !
A ugenblicke deiner Erbarmungen ,
O Vater , ſinds , wenn du das himmelvolle Gefuͤhl
Deiner Allgegenwart
In meine Seele ſtrahlſt .
E in ſolcher Augenblick ,
Algegenwaͤrtiger ,
Iſt ein Jahrhundert
Voll Seligkeit !
Meine
M eine Seele duͤrſtet !
Wie nach der Auferſtehung verdorrtes Gebein ,
So duͤrſtet meine Seele
Nach dieſen Augenblicken deiner Erbarmungen !
I ch liege vor dir auf meinem Angeſichte ;
O laͤg ich , Vater , noch tiefer vor dir ,
Gebuͤckt in dem Staube
Der unterſten der Welten !
D u denkſt , du empfindeſt ,
O du , die ſeyn wird ,
Die hoͤher denken ,
Die ſeliger wird empfinden !
O die du anſchaun wirſt !
Durch wen , o meine Seele ?
Durch den , Unſterbliche !
Der war ! und der iſt ! und der ſeyn wird !
D u , den Worte nicht nennen ,
Deine noch ungeſchaute Gegenwart
Erleucht’ , und erhebe jeden meiner Gedanken !
Leit ihn , Unerſchafner , zu dir !
D einer Gottheit Gegenwart
Entflamm’ , und befluͤgle
Jede meiner Empfindungen !
Leite ſie , Unerſchafner , zu dir !
B Wer
W er bin ich , o Erſter !
Und wer biſt du !
Staͤrke , kraͤftige , gruͤnde mich ,
Daß ich auf ewig dein ſey !
O hn’ ihn , der ſich fuͤr mich geopfert hat ,
Koͤnt’ ich nicht dein ſeyn !
Ohn’ ihn waͤr deine Gegenwart
Feuereifer , und Rache mir !
E rd’ und Himmel vergehen ;
Deine Verheiſſungen , Goͤttlicher , nicht !
Von dem erſten Gefallnen an
Bis zu dem letzten Erloͤſten ,
D en die Poſaune der Auferſtehung
Wandeln wird ,
Biſt du bey den Deinen geweſen !
Wirſt du bey den Deinen ſeyn !
I n die Wunden deiner Haͤnde legt’ ich meine Fin-
ger nicht ;
In die Wunde deiner Seite
Legt’ ich meine Hand nicht ;
Aber du biſt mein Herr und mein Gott !
Das
Das Anſchaun Gottes .
Z itternd freu ich mich ,
Und wuͤrd’ es nicht glauben ;
Waͤre der groſſe Verheiſſer
Nicht der Ewige !
D enn ich weiß es , ich fuͤhl es :
Ich bin ein Suͤnder !
Wuͤßt’ es , und fuͤhlt’ es ,
Wenn auch das Gotteslicht
H eller mir meine Flecken nicht zeigte :
Vor meinen weiſeren Blicken
Nicht enthuͤllte
Meiner Seele Todesgeſtalt !
M it geſunkenem Knie ,
Mit tiefanbetendem Erſtaunen ,
Freu ich mich !
Ich werde Gott ſchaun !
F orſch ihm nach , dem goͤttlichſten Gedanken ,
Den du zu denken vermagſt ,
O die du naͤher ſtets des Leibes Grabe ,
Doch ewig biſt !
B 2 Nicht
N icht daß du wagteſt ,
In das Allerheiligſte zu gehn !
Viel unuͤberdachte , nie geprieſne , nie gefeyrte ,
Himmliſche Gnaden ſind in dem Heiligthume .
V on ferne nur , nur Einen gemilderten Schimmer ,
Damit ich nicht ſterbe !
Einen fuͤr mich durch Erdenacht gemilderten Schim̃er
Deiner Herrlichkeit ſeh ich .
W ie groß war der , der beten durfte :
Hab ich Gnade vor dir gefunden ; ſo laß mich
Deine Herrlichkeit ſehn !
So zum Unendlichen beten durft’ , und erhoͤrt ward !
I n das Land des Golgatha kam er nicht !
An ihm raͤcht’ es ein fruͤherer Tod ,
Daß er Einmal , nur Einmal nicht glaubte !
Wie groß zeigt ihn ſelbſt die Strafe !
I hn verbarg der Vater
In eine Nacht des Berges ,
Als vor dem Endlichen voruͤberging
Des Sohnes Herrlichkeit !
A ls die Poſaun ’ auf Sinai ſchwieg ,
Und die Stimme der Donner !
Als Gott
Von Gott ſprach !
Unein-
U neingehuͤllt durch Nacht ,
In eines Tages Lichte ,
Das keine Schatten ſichtbarer machen ,
Schaut er nun , ſo halten wirs , Jahrhunderte
ſchon ;
A uſſer den Schranken der Zeit ,
Ohn’ Empfindung des Augenblicks ,
Dem der Augenblick folgt ,
Schaut er nun
D eine Herrlichkeit ,
Heiliger !
Heiliger !
Heiliger !
N amloſeſte Wonne meiner Seele ,
Gedanke des kuͤnftigen Schauns !
Du biſt meine groſſe Zuverſicht ,
Du biſt der Fels , auf den ich tret’ , und gen
Himmel ſchaue ;
W enn die Schrecken der Suͤnde ,
Des Todes Schrecken
Fuͤrchterlich drohn ,
Mich niederzuſtuͤrzen !
A uf dieſem Felſen , o du ,
Den nun die Todten Gottes ſchaun ,
Laß mich ſtehen , wenn die Allmacht
Des unbezwingbaren Todes mich ringsum ein-
ſchließt .
B 3 Er-
E rheb , o meine Seele , dich uͤber die Sterblichkeit ,
Blick auf , und ſchau ; und du wirſt ſtrahlenvoll
Des Vaters Klarheit
In Jeſus Chriſtus Antlitz ſchaun !
H oſianna ! Hoſianna !
Die Fuͤlle der Gottheit
Wohnet in dem Menſchen
Jeſus Chriſtus !
K aum ſchallet der Cherubim Harfe noch ,
Sie bebt !
Kaum toͤnet ihre Stimme noch ,
Sie zittert , ſie zittert !
H oſianna ! Hoſianna !
Die Fuͤlle der Gottheit
Wohnet in dem Menſchen
Jeſus Chriſtus !
S elbſt damals , da einer der Gottesſtrahlen auf unſere
Welt ,
Jene Blutweiſſagung heller leuchtet’ , erfuͤllt ward ,
Da er verachtet , und elend war ,
Als kein anderer Menſch verachtet , und elend
war ;
E rblickten , nicht die Suͤnder ,
Aber die Engel ,
Des Vaters Klarheit
In dem Angeſichte des Sohns !
Ich
I ch ſeh , ich ſehe den Zeugen !
Sieben entſetzliche Mitternaͤchte
Hatt’ er gezweifelt ! mit der Schmerzen baͤngſten
Anbetend gerungen !
I ch ſeh ihn !
Ihm erſcheinet der Auferſtandne !
Seine Haͤnde legt er in des Goͤttlichen Wunden !
Himmel und Erde vergehen um ihn !
E r ſieht die Klarheit des Vaters im Angeſichte des
Sohns !
Ich hoͤr’ , ich hoͤr’ ihn ! er ruft ,
Himmel und Erde vergehen um ihn ! er ruft :
Mein Herr ! und mein Gott !
B 4 Die
Die Fruͤhlingsfeyer .
Nicht in den Ocean der Welten alle
Will ich mich ſtuͤrzen ! ſchweben nicht ,
Wo die erſten Erſchaffnen , die Jubelchoͤre der
Soͤhne des Lichts ,
Anbeten , tief anbeten ! und in Entzuͤckung ver-
gehn !
Nur um den Tropfen am Eimer ,
Um die Erde nur , will ich ſchweben , und anbeten !
Halleluja ! Halleluja ! Der Tropfen am Eimer
Rann aus der Hand des Allmaͤchtigen auch !
Als der Hand des Allmaͤchtigen
Die groͤſſeren Erden entquollen !
Die Stroͤme des Lichts rauſchten , und Sieben-
geſtirne wurden ,
Da entrannſt du , Tropfen ! der Hand des All-
maͤchtigen !
Als ein Strom des Lichts rauſcht’ , und unſre Sonne
wurde !
Ein Wogenſturz ſich ſtuͤrzte wie vom Felſen
Der Wolk’ herab , und Orion guͤrtete ,
Da entrannſt du , Tropfen ! der Hand des All-
maͤchtigen !
Wer ſind die tauſendmal tauſend ,
Wer die Myriaden alle ,
Welche den Tropfen bewohnen , und bewohnten ?
Und wer bin ich ?
Halle-
H alleluja dem Schaffenden !
Mehr , wie die Erden , die quollen !
Mehr , wie die Siebengeſtirne ,
Die aus Strahlen zuſammen ſtroͤmten !
A ber du Fruͤhlingswuͤrmchen ,
Das gruͤnlichgolden neben mir ſpielt ,
Du lebſt ; und biſt vielleicht
Ach ! nicht unſterblich !
I ch bin heraus gegangen anzubeten ,
Und ich weine ? Vergieb , vergieb
Auch dieſe Thraͤne dem Endlichen ,
O du , der ſeyn wird !
D u wirſt die Zweifel alle mir enthuͤllen ,
O du , der mich durchs dunkle Thal
Des Todes fuͤhren wird ! Ich lerne dann ,
Ob eine Seele das goldene Wuͤrmchen hatte .
B iſt du nur gebildeter Staub ,
Sohn des Mays , ſo werde denn
Wieder verfliegender Staub ,
Oder was ſonſt der Ewige will !
E rgeuß von neuem du , mein Auge ,
Freudenthraͤnen !
Du , meine Harfe ,
Preiſe den Herrn !
B 5 Um-
U mwunden wieder , mit Palmen
Iſt meine Harf ’ umwunden ! Ich ſinge dem Herrn !
Hier ſteh ich . Rund um mich
Iſt Alles Allmacht ! und Wunder Alles !
M it tiefer Ehrfurcht ſchau ich die Schoͤpfung an ,
Denn Du !
Namenloſer , Du !
Schufeſt ſie !
L uͤfte , die um mich wehn , und ſanfte Kuͤhlung
Auf mein gluͤhendes Angeſicht hauchen ,
Euch , wunderbare Luͤfte ,
Sandte der Herr ? der Unendliche ?
A ber jetzt werden ſie ſtill , kaum athmen ſie .
Die Morgenſonne wird ſchwuͤl !
Wolken ſtroͤmen herauf !
Sichtbar iſt der kommt der Ewige !
N un ſchweben , und rauſchen , und wirbeln die Winde !
Wie beugt ſich der Wald ! wie hebt ſich der Strom !
Sichtbar , wie du es Sterblichen ſeyn kannſt ,
Ja ! das biſt du , ſichtbar , Unendlicher !
D er Wald neigt ſich , der Strom fliehet , und ich
Falle nicht auf mein Angeſicht ?
Herr ! Herr ! Gott ! barmherzig und gnaͤdig !
Du Naher ! .... erbarme dich meiner !
Zuͤrneſt
Z uͤrneſt du , Herr ,
Weil Nacht dein Gewand iſt ?
Dieſe Nacht iſt Seegen der Erde .
Vater du zuͤrneſt nicht !
S ie kommt , Erfriſchung auszuſchuͤtten ,
Ueber den ſtaͤrkenden Halm !
Ueber die herzerfreuende Traube !
Du zuͤrneſt nicht , o Vater !
A lles iſt ſtille vor dir , du Naher !
Rings umher iſt Alles ſtille !
Auch das Wuͤrmchen mit Golde bedeckt , merkt
auf !
Iſt es vielleicht nicht ſeelenlos ? iſt es unſterblich ?
A ch , vermoͤcht’ ich dich , Herr , wie ich duͤrſte , zu
preiſen !
Immer herrlicher offenbareſt du dich !
Immer dunkler wird die Nacht um dich ,
Und voller von Seegen !
S eht ihr den Zeugen des Nahen den zuͤckenden Strahl ?
Hoͤrt ihr Jehova’s Donner ?
Hoͤrt ihr ihn ? Hoͤrt ihr ihn ,
Den erſchuͤtternden Donner des Herrn ?
H err ! .... Herr ! .... Gott ! ....
Barmherzig , und gnaͤdig !
Angebetet , geprieſen
Sey dein herrlicher Name !
Und
U nd die Gewitterwinde ? Sie tragen den Donner !
Wie ſie rauſchen ! wie ſie die Waͤlder durchrauſchen !
Und nun ſchweigen ſie . Langſam wandelt
Die ſchwarze Wolke .
S eht ihr den neuen Zeugen des Nahen , den flie-
genden Strahl ?
Hoͤrt ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn ?
Er ruft : Jehova ! Jehova ! Jehova !
Und der geſchmetterte Wald dampft !
A ber nicht unſre Huͤtte !
Unſer Vater gebot
Seinem Verderber ,
Vor unſrer Huͤtte voruͤberzugehn !
A ch ! ſchon rauſcht , ſchon rauſcht
Himmel , und Erde vom gnaͤdigen Regen !
Nun iſt , wie duͤrſtete ſie ! die Erd’ erquickt ,
Und der Himmel der Seegensfuͤll ’ entlaſtet !
S iehe , nun kommt Jehova nicht mehr im Wetter ,
In ſtillem , ſanftem Saͤuſeln
Koͤmmt Jehova ,
Und unter ihm neigt ſich der Bogen des Frie-
dens !
Der
Der Erbarmer .
O Bewunderung , Gottes Bewunderung ,
Meine Seligkeit !
Nein ! wenn ſie nur bewundert ,
Hebt ſich die Seele zu ſchwach !
Erſtaunen ! himmelfliegendes Erſtaunen !
Ueber den , der unendlich iſt !
O du der Seligkeiten hoͤchſte ,
Ueberſtroͤme meine ganze Seele
Mit deinem heiligen Feuer !
Und laß ſie , du Seligkeit ,
So oft , und ſo hoch die Endliche kann ,
Aufflammen in Entzuͤckungen !
Du warſt ! du biſt ! wirſt ſeyn !
Du biſt !
Wie ſoll ich dich denken !
Meine Seele ſtehet ſtill , erreicht es nicht !
Vater ! Vater !
So ſoll meine Seele dich denken ,
Dich empfinden mein Herz !
Meine Lippe dich ſtammeln .
Vater!
V ater ! Vater ! Vater !
Fallt nieder , betet an , ihr Himmel der Himmel !
Er iſt euer Vater !
Unſer Vater auch !
O ihr , die einſt mit den Himmel Bewohnern
Erſtaunen werden !
Wandelt forſchend in dieſem Labyrinth der Wonne ,
Denn Jehova redet !
Z war durch den rollenden Donner auch
Durch den fliegenden Sturm , und ſanftes Saͤuſeln ;
Aber erforſchlicher , daurender ,
Durch die Sprache der Menſchen .
D er Donner verhallt , der Sturm brauſt weg , das
Saͤuſeln verweht ,
Mit langen Jahrhunderten ſtroͤmt die Sprache der
Menſchen fort ,
Und verkuͤndet jeden Augenblick ,
Was Jehova geredet hat !
B in ich am Grabe noch ? oder ſchon uͤber dem Grabe ?
Hab ich den himmliſchen Flug ſchon gethan ?
O Worte des ewigen Lebens !
So redet Jehova :
K ann die Mutter vergeſſen ihres Saͤuglings ,
Daß ſie ſich nicht uͤber den Sohn ihres Leibes erbarme ?
Vergaͤſſe ſie ſein ;
Ich will dein nicht vergeſſen !
Preis,
P reis , Anbetung , und Freudenthraͤnen , und ewiger
Dank ,
Fuͤr die Unſterblichkeit !
Heiſſer , inniger herzlicher Dank
Fuͤr die Unſterblichkeit !
H alleluja in dem Heiligthume !
Und jenſeits des Vorhangs
In dem Allerheiligſten Halleluja !
Denn ſo hat Jehova geredet !
W irf zu dem tiefſten Erſtaunen dich nieder ,
O du , die unſterblich iſt !
Geneuß , o Seele , deine Seligkeit !
Denn ſo hat Jehova geredet !
Die
Die Gluͤckſeligkeit Aller .
Ich legte meine Hand auf den Mund , und ſchwieg
Vor Gott !
Itzt nehm’ ich meine Harfe wieder aus dem
Staub auf ,
Und laſſe vor Gott , vor Gott ſie erſchallen !
Wenn dem Tage der Garben zu reifen ,
Geſaͤt iſt meine Saat ;
Wenn gepflanzt iſt im Himmel meine Seele ,
Zu wachſen zur Ceder Gottes ;
Wenn ich erkenne ,
Wie ich erkennet werde !
Schwing dich uͤber dieſe Hoͤhe , mein Flug , empor !
Wenn ich liebe , wie ich geliebet werde !
Von Gott geliebet ! …
Anbetung , Anbetung , von Gott !
Ach dann ! allein wie vermag ich es hier
Nur fern zu empfinden !
Was iſt es in mir , daß ich ſo endlich bin ?
Und dennoch weniger endlich zu ſeyn !
Duͤrſte mit dieſem heiſſem Durſte ?
Das iſt es in mir : Einſt werd’ ich weniger
endlich ſeyn .
Wie
W ie herrlich ſind , Gott , vor mir deine Gedanken !
Wie zahllos ſind ſie ! Wollt’ ich ſie zaͤhlen ;
Ach ihrer wuͤrde mehr , wie des Sandes am
Meere ſeyn !
Einer von ihnen iſt : Einſt bin ich weniger endlich !
O Hofnung , Hofnung , dem Himmel nah ,
Vorſchmack der kuͤnftigen Welt !
Hier ſchon hebſt du meine Seele
Ueber ihrer jetzigen Endlichkeit Schranken !
D u Durſt , du heiſſes Verlangen meines muͤden Herzen :
Mein Herr und mein Gott !
Preiſen , preiſen will ich deinen herrlichen Namen !
Lobſingen , lobſingen deinem herrlichen Namen !
W enn begann er ? und wo iſt er ?
Der , wie Gott , wuͤrdig meiner Liebe ſey !
Die Ewigkeiten , die Welten all’ herunter
Iſt keiner !
Q uell des Heils ! ewiger Quell des ewigen Heils !
Welcher Entwurf von Seligkeiten ,
Fuͤr alle , welche nicht fielen !
Und fuͤr alle , die fielen !
T auſendarmiger Strom , der herab durch das groſſe
Labyrinth ſtroͤmt :
Reicher Geber der Seligkeiten !
Sie gebaͤhren Seligkeiten !
Einſt gebiert das Elend auch !
C Pfeiler,
P feiler , auf dem einſt Freuden ohne Zahl ruhn ,
Du ſtehſt auf der Erd’ , o Elend !
Und reicheſt bis in den Himmel !
Auch um dich ſtroͤmet der ewige Strom !
G ott , du biſt Vater der Weſen
Nicht nur , daß ſie waͤren ;
Du biſt es , daß ſie auf ewig
Gluͤckſelig waͤren !
W elche Reihen ohn’ Ende ! Wenn meine reifere Seele
Jahrtauſende noch gewachſen wird ſeyn ,
Wie wenige werd’ ich von euch ,
Ihr Mitgeſchafnen kennen !
S chaaren Gottes ! ihr Mitanbeter !
Ach wenn dereinſt auch ich ,
Neben euren Kronen ,
Eine Krone niederlegte !
G ott , mein Vater ! …
Aber darf ich noch laͤnger mich unterwinden
Mit dir zu reden ?
Der ich Erde bin ?
V ergieb , vergieb , o Vater !
Dem kuͤnftigem Todten
Seine Suͤnden ! ſeine Wuͤnſche !
Seinen Lobgeſang !
Weſen
W eſen der Weſen !
Du warſt von Ewigkeit !
Dieß vermag ich nicht zu denken !
In dieſen Fluten verſink’ ich !
W eſen der Weſen ! du biſt !
Ach Wonne ! du biſt !
Was waͤr ich ,
Wenn du nicht waͤrſt !
D u wirſt ſeyn !
Auch ich werde durch dich ſeyn ,
O du der Geiſter Geiſt !
Weſen der Weſen !
E rſter ! ein ganz Anderer ,
Als die Geiſter alle !
Obgleich ſie der wunderbare Schatten
Deiner Herrlichkeit ſind .
W arum , da allein du dir genung warſt , Erſter ,
ſchufſt du ? ..
Zahlloſen Schaaren Seliger
Wollteſt du der unerſchoͤpfliche Quell
Ihrer Seligkeit ſeyn !
W urdeſt du ſeliger dadurch , daß du Seligkeit gabſt ?
Eine der aͤuſſerſten Schranken des Endlichen iſt hier .
Schwindeln kann ich an dieſem Hange des Ab-
grunds ,
Aber nichts in ſeinen Tiefen ſehn .
C 2 Hei-
H eilige Nacht , an der ich ſtehe ,
Vielleicht ſinket ,
Nach Jahrtauſenden ,
Dein geheimnisverhuͤllender Vorhang .
V ielleicht ſchaft Gott Erkenntniß in mir ,
Die meine Kraft , und was ſie entflammt ,
Wie viel es auch iſt , und wie groß ,
Die ganze Schoͤpfung mir nicht geben kann !
D u mein kuͤnftiges Seyn , wie jauchz’ ich dir entgegen !
Wie fuͤhl’ ich es in mir , wie klein ich bin !
Aber wie fuͤhl’ ich es auch ,
Wie groß ich werde ſeyn !
O du , die ſteigt zu dem Himmel hinauf ,
Hofnung gegeben von Gott !
Ein kurzer , ſchneller , gefluͤgelter Augenblick ,
Er heiſſet Tod ! dann werd ich es ſeyn !
V on dieſem Nun an , ſchwing’ ich mich
Selbſt uͤber die hoͤchſte der Hofnungen auf !
Denn ſelig ſind von dieſem Nun an ,
Die Todten , die dem Herrn entſchlafen !
E r iſt der Suͤnde Lohn , der Augenblick , der Tod heißt !
Aber ſeine gefuͤrchtete Nacht
Zeigt auch heller das himmliſche Licht ,
Welches dicht hinter ihr ſtrahlt !
Laß
L aß den fliegenden Augenblick ,
Du , der mit ihm in das wahre Leben fuͤhrt ,
In einer Stunde deiner Gnaden ,
Herr des Lebens , mich toͤdten !
E r komm’ in ſanfteren Saͤuſeln ,
Oder mit Donnertritte ,
Laß nur in einer Stunde deiner Gnaden
Ihn zu der Auferſtehung mich ausſaͤn !
W elch ein Anſchaun welcher Triumph wird es mei-
ner Seele ſeyn ,
Wenn ſie mit Einem Blicke nur auf der Erde noch
weilt ,
Mit dieſem Einem , zu ſehn ,
Daß ihre Saat geſaͤt wird !
W elcher Gedank ’ iſt der
Dem , der ihn zu denken vermag ,
Welcher hoͤhere Triumphgedanke :
Jeſus Chriſtus iſt auch geſtorben ! iſt auch be-
graben !
C 3 Die
Die Geneſung des Koͤnigs .
Laßt dem Erhalter unſers Geliebten uns freudig danken !
Du haſts allein gethan , o du des Lebens
Herr ! und Herr des Todes !
Dir ſey der Ruhm , der Dank , der Preis , die Ehre ,
Groſſer Erhalter unſers Geliebten !
Thraͤnen der Wonne , dankende Thraͤnen ſeyn unſer
Opfer !
Mit dieſem Opfer fallet tiefanbetend
Vor dem Throne nieder ,
Von dem des Rettenden Befehl ’ erſchollen :
Leben , ja leben ſoll mein Geſalbter !
Wunderbar haſt du , Vater des Schickſals , uns ihn
erhalten !
Zu viel zu viel Barmherzigkeit , o Vater ,
Haſt du uns gegeben !
Steig oft , und ſtark , Gebet , viel iſt der Gnade !
Steige mit Wonne auf zu dem Geber !
Men-
M engen erlagen , aber ihn ruͤhrte ſanft deine Hand nur .
So ſanft , daß wir ſogar , wer kann hier danken ?
Nicht einmal erſchracken !
Zu viel , zu viel Barmherzigkeit , o Vater ,
Gab uns die Stunde deiner Errettung !
A ch , den wir lieben , Vater , er lebet ! und auch wir leben !
Der in der Stunde deiner reichen Gnade ,
Da du ihn erhielteſt ,
Da ruͤhrteſt du auch uns mit ſanfter Hand an .
Vater , die Erde bebt’ , und wir leben !
H err ! da die Erde unter uns bebte , ſcholl deine Stimme ,
Nicht deines Zornes , deiner Liebe Stimme
Scholl , uns aus dem Staube
Zu rufen , und gen Himmel ſchaun zu lehren ,
Auf zu des Lebens Herrn , und des Todes !
N och mit Entzuͤckung hoͤr’ ich der Erde gelindes Rauſchen !
Des Richters Arm , der uͤber andre Voͤlker
Fuͤrchterlich ſich ausſtreckt ,
Die Staͤdt’ erſchuͤttert , daß ſie voll Entſetzens
Donnern , und fallen , unterzugehen !
D er itzt die Voͤlker , daß es ſie wuͤrge , dem Schwerte
zufuͤhrt ,
Der Arm wird uͤber unſerm Haupt erhoben ,
Ach , damit er ſegne !
Und daß wir auf des Segens Fuͤlle merken ,
Wecket er ſanft uns auf von dem Schlummer .
C 4 Fallet
F allet mit Jauchzen vor dem Erbarmer aufs Antlitz
nieder !
Laßt Aller Herz das Halleluja ſingen !
Herr , Herr , Gott , barmherzig !
Du Dulder ! du Getreuer ! Gnadenvoller !
Ehre dir ! Preis dir ! Dank dir , Erbarmer !
G ing nicht des Herrſchers Herrlichkeit ſichtbar vor uns
voruͤber ?
Laßt uns anbetend ihr von ferne nachſehn !
Ja , in unſrer Seele
Soll dieſes Heils Erinnerung ewig bleiben ,
Bleiben , ein Nachhall deſſen , was Gott that !
S agt es den Enkeln , Vaͤter , und lehrt ſie gen Him-
mel ſchauen !
Vernimms , der Enkel Sohn , und lerne danken !
Und kein Greis entſchlummre ,
Der nicht noch Einmal Dank , wenn er entſchlummert ,
Gott aus des Herzens Innerſten ſtammle .
D aß wir dir danken , Vater , o gieb uns auch dieſe
Gnade !
Herr , Herr ! Preis , Ehr’ , und Ruhm ſey , und
Anbetung
Deinem groſſen Namen !
Im Himmel oben hubſt du deinen Arm auf ,
Herr ! uns zu ſegnen ! Herr ! uns zu ſegnen .
Die
Die Welten .
Groß iſt der Herr ! und jede ſeiner Thaten ,
Die wir kennen , iſt groß !
Ocean der Welten , Sterne ſind Tropfen des Oceans !
Wir kennen dich nicht !
Wo beginn ich ? und ach ! wo end’ ich
Des Ewigen Preis ?
Welcher Donner giebt mir Stimme ?
Gedanken welcher Engel ?
Wer leitet mich hinauf
Zu den ewigen Huͤgeln ?
Ich verſink’ , ich verſink’ , und geh
In deiner Welten Ocean unter !
Wie ſchoͤn , und hehr war dieſe Sternennacht ,
Eh ich des groſſen Gedankens Flug ,
Eh ich es wagte , mich zu fragen :
Welche Thaten dort oben der Herrliche thaͤte ?
Mich ! den Thoren ! den Staub !
Ich fuͤrchtet’ , als ich zu fragen begann ,
Daß kommen wuͤrde , was gekommen iſt .
Ich unterliege dem groſſen Gedanken !
Weniger kuͤhn , haſt , o Pilot ,
Du gleiches Schickſal .
Truͤb am fernen Olymp
Sammeln ſich Sturmwolken .
C 5 Jetzo
J etzo ruht das Meer noch fuͤrchterlich ſtill .
Doch der Pilot weiß
Welcher Sturm dort herdroht !
Und die eherne Bruſt bebt ihm ,
E r ſtuͤrzt am Maſte
Bleich die Seegel herab .
Ach ! nun kraͤuſelt ſich
Das Meer , und der Sturm iſt da !
D onnernder rauſcht der Ocean als du , ſchwarzer Olymp !
Krachend ſtuͤrzet der Maſt !
Lautheulend zuckt der Sturm !
Singt Todtengeſang !
D er Pilot kennt ihn . Immer ſteigender hebſt , Woge ,
du dich !
Ach die letzte , letzte biſt du ! Das Schif geht unter !
Und den Todtengeſang heult dumpf noch fort
Auf dem groſſen , immer offnem Grabe der
Sturm !
Die
Die Geſtirne .
Es toͤnet ſein Lob Feld , und Wald , Thal , und Gebirg ,
Das Geſtad’ hallet , es donnert das Meer dumpf-
brauſend
Des Unendlichen Lob , ſiehe des Herrlichen ,
Unerreichten von dem Danklied der Natur !
Es ſingt die Natur dennoch dem , welcher ſie ſchuf ,
Ihr Getoͤn ſchallet vom Himmel herab , laut preiſend
In umwoͤlkender Nacht rufet des Strahls Gefaͤhrt
Von den Wipfeln , und der Berg’ Haupt es herab !
Es rauſchet der Hain , und ſein Bach liſpelt es auch
Mit empor , preiſend , ein Feyrer , wie er ! Die Luft ,
wehts
Zu dem Bogen mit auf ! Hoch in der Woͤlke ward
Der Erhaltung und der Huld Bogen geſetzt .
Und ſchweigeſt denn du , welchen Gott ewig erſchuf ?
Und verſtummeſt mitten im Preiſ ’ um dich her ?
Gott hauchte
Dir Unſterblichkeit ein ! Danke dem Herrlichen !
Unerreicht bleibt von dem Aufſchwung des
Geſangs
Der
D er Geber , allein dennoch ſing , preiſ’ ihn , o du
Der empfing ! Feyrendes Chor um mich her , ernſt-
freudig ,
Du Erheber des Herrn , tret’ ich herzu , und ſing
In Entzuͤckung , o du Chor , Pſalme mit dir !
D er Welten erſchuf , dort des Tags ſinkendes Gold ,
Und den Staub hier voll Gewuͤrmegedraͤng , wer
iſt der ?
Es iſt Gott ! es iſt Gott ! Vater ! ſo rufen wir an ;
Und unzaͤhlbar , die mit uns rufen , ſeyd ihr !
D er Welten erſchuf , dort den Leun ! Heiſſer ergießt
Sich ſein Herz ! Widder , und dich Capricorn ,
Pleionen ,
Scorpion , und den Krebs . Steigender waͤgt
Sie dort
Den Begleiter . Mit dem Pfeil zielet , und blitzt
D er Schuͤtze ! Wie toͤnt , dreht er ſich , Koͤcher ,
und Pfeil !
Wie vereint leuchtet ihr , Zwilling’ , herab ! Sie
heben
Im Triumphe des Gangs freudig den Strah-
lenfuß !
Und der Fiſch ſpielet , und blaͤſt Stroͤme der
Glut .
Die
D ie Roſ’ in dem Kranz duftet Licht ! Koͤniglich
ſchwebt ,
In dem Blick Flamme , der Adler , gebeut Ge-
horſam
Den Gefaͤhrten um ſich ! Stolz , den gebognen
Hals
Und den Fittig in die Hoͤh , ſchwimmet der
Schwan !
W er gab Harmonie , Leyer , dir ? zog das Getoͤn
Und das Gold himmliſcher Saiten dir auf ? Du
ſchalleſt
Zu dem kreiſenden Tanz , welchen , beſeelt von dir ,
Der Planet haͤlt in der Laufbahn um dich her ,
I n feſtlichem Schmuck ſchwebt , und traͤgt Halm’ in
der Hand ,
Und des Weins Laub die gefluͤgelte Jungfrau !
Licht ſtuͤrzt
Aus der Urn er dahin ! Aber Orion ſchaut
Auf den Guͤrtel , nach der Urn ſchauet er nicht !
A ch goͤſſe dich einſt , Schaale , Gott auf dem Al-
tar ,
So zerfiel Truͤmmer die Schoͤpfung ! es braͤch des
Leun Herz !
Es verſiegte die Urn ! toͤnte Todeston
Um die Leyer ! und gewelkt ſaͤnke der Kranz !
Dort
D ort ſchuf ſie der Herr ! hier dem Staub naͤher den
Mond ,
Der , Genoß ſchweigender kuͤhlender Nacht , ſanft
ſchimmernd
Die Erdulder des Strahls heitert ! in jener Nacht
Der Entſchlafnen da umſtrahlt einſt ſie Geſtirn !
I ch preiſe den Herrn ! preiſe den , welcher des Monds
Und des Tods kuͤhlender , heiliger Nacht , zu daͤm-
mern ,
Und zu leuchten ! gebot . Erde , du Grab , das ſtets
Auf uns harrt , Gott hat mit Blumen dich
beſtreut !
N euſchaffend bewegt , ſteht er nun auf zum Gericht ,
Das gebeindeckende Grab , das Gefild der Saat ,
Gott !
Es erwachet , wer ſchlaͤft ! Donner entſtuͤrzt dem
Thron !
Zum Gericht hallts ! und das Grab hoͤrts , und
der Tod !
Dem
Dem Unendlichen .
Wie erhebt ſich das Herz , wenn es dich ,
Unendlicher , denkt ! wie ſinkt es ,
Wenns auf ſich herunterſchaut !
Elend ſchauts wehklagend dann , und Nacht
und Tod !
Allein du rufſt mich aus meiner Nacht , der im Elend ,
der im Tod hilft !
Dann denk ich es ganz , daß du ewig mich ſchufſt ,
Herrlicher ! den kein Preis , unten am Grab’ ,
oben am Thron ,
Herr Herr Gott ! den dankend entflammt , kein
Jubel genug beſingt .
Weht , Baͤume des Lebens , ins Harfengetoͤn !
Rauſche mit ihnen ins Harfengetoͤn , kryſtallner
Strom !
Ihr liſpelt , und rauſcht , und , Harfen , ihr toͤnt
Nie es ganz ! Gott iſt es , den ihr preiſt !
Donnert , Welten , in feyerlichem Gang , in der Po-
ſaunen Chor !
Du Orion , Wage , du auch !
Toͤnt all’ ihr Sonnen auf der Straſſe voll Glanz ,
In der Poſaunen Chor !
Ihr Welten , donnert
Und du , der Poſaunen Chor , halleſt
Nie es ganz , Gott ; nie es ganz , Gott ,
Gott , Gott iſt es , den ihr preiſt !
Der
Der Tod .
O Anblick der Glanznacht , Sternheere ,
Wie erhebt ihr ! Wie entzuͤckſt du , Anſchauung
Der herrlichen Welt ! Gott Schoͤpfer !
Wie erhaben biſt du , Gott Schoͤpfer !
Wie freut ſich des Emporſchauns zum Sternheer wer
empfindet
Wie gering er , und wer Gott , welch ein Staub
er , und wer Gott
Sein Gott iſt ! O ſey dann , Gefuͤhl
Der Entzuͤckung , wenn auch ich ſterbe , mit
mir !
Was erſchreckſt du denn ſo , Tod , des Beladnen
Schlaf ?
O bewoͤlke den Genuß himmliſcher Freude nicht
mehr !
Ich ſink’ in den Staub , Gottes Saat ! was
ſchreckſt
Den Unſterblichen du , taͤuſchender Tod ?
Mit hinab , o mein Leib , denn zur Verweſung !
In ihr Thal ſanken hinab die Gefallnen
Vom Beginn her ! mit hinab , o mein Staub ,
Zur Heerſchaar , die entſchlief !
Die
Die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit .
Wie erhoͤht , Weltherrſcher ,
Deine Bewundrung den Geiſt des Staubs !
Denket er dich , Herrlicher , welches Gefuͤhl
Flammt in ihm ! welcher Gedank ’ hebt ihn ,
denket er dich !
Iſt ein Menſch gluͤckſelig ?
Einer der Waller am Grabe das ?
Du ! der es iſt , rede , dich frag’ ich allein !
Nenneſt du , wuͤrdigeſt du etwas Seligkeit dann ,
In dem Staub ’ hier , droben ,
Dann noch zu nennen , wenn Gottes Wink
Wonnegefuͤhl ſeiner Volkommenheit dir
Sandt’ , und du freudig erſchrackſt uͤber Gott ,
wie in Traum ,
Vor dem Anſchaun ſelig ?
Fluͤge durch Welten ? Ein Freund zu ſeyn
Derer , die ſchon Ewigkeit hinter ſich ſehn ,
Dachten , und thaten ? .. Es iſt nur Gluͤck-
ſeligkeit auch
D Der
Der Vorhof und der Tempel .
Wer ermuͤdet hinauf zu der Heerſchaar der Geſtirne ,
In die Hoͤhen zu ſchaun , wo der Lichtfuß ſich
herabſenkt ,
Wo den Blitzglanz Fomahant und Antar , wo
des Leun Herz
Sich ergeußt , ins Gefild hin , wo die Aehr’ und
die Winzerinn ſtrahlt !
Mit Graun fuͤllt , und Ehrfurcht der Anblick , mit
Entzuͤckung
Das Herz deß , der ſich da freut , wo Freud iſt ,
nicht allein ihn
Ihr Phantom taͤuſcht ! Ich ſteh hier im Vorhof
der Gottheit .
Befluͤgelt von dem Tod’ eilt mein Geiſt einſt
in den Tempel !
Mitternacht , hoͤre du meinen Geſang , Morgenſtern ,
Finde du preiſend oft , dankend mich , Thraͤnen im
Blick ,
Bote des Tags ! Wirſt du darauf Abendſtern ,
find’ auch dann
Ueber Gott , den erſtaunt , welcher ſein Heil
nie begreift !
Das
Das groſſe Halleluja .
Ehre ſey dem Hocherhabnen , dem Erſten , dem Va-
ter der Schoͤpfung !
Dem unſre Pſalme ſtammeln ,
Obgleich der wunderbare Er
Unausſprechlich , und undenkbar iſt .
Eine Flamme von dem Altar an dem Thron
Iſt in unſre Seele geſtroͤmt !
Wir freun uns Himmelsfreuden ,
Daß wir ſind , und uͤber Ihn erſtaunen koͤnnen !
Ehre ſey ihm auch von uns an den Graͤbern hier ,
Obwohl an ſeines Thrones letzten Stufen
Des Erzengels niedergeworfne Krone
Und ſeines Preisgeſangs Wonne toͤnt .
Ehre ſey und Dank und Preis dem Hocherhabnen ,
dem Erſten ,
Der nicht begann , und nicht aufhoͤren wird !
Der ſo gar des Staubes Bewohnern gab ,
Nicht aufzuhoͤren .
Ehre dem Wunderbaren ,
Der unzaͤhlbare Welten in den Ocean der Unend-
lichkeit ausſaͤte !
Und ſie mit Heerſchaaren Unſterblicher fuͤllte ,
Daß Ihn ſie liebten , und ſelig waͤren durch
Ihn !
D 2 Ehre
E hre dir ! Ehre dir ! Ehre dir !
Hocherhabner ! Erſter !
Vater der Schoͤpfung !
Unausſprechlicher ! Undenkbarer !
Schlacht-
Schlachtgeſang .
Mit unſerm Arm iſt nichts gethan ;
Steht uns der Maͤchtige nicht bey ,
Der Alles ausfuͤhrt !
Umſonſt entflammt uns kuͤhner Muth ;
Wenn uns der Sieg von dem nicht wird ,
Der Alles ausfuͤhrt !
Vergebens flieſſet unſer Blut
Fuͤrs Vaterland ; wenn der nicht hilft ,
Der Alles ausfuͤhrt !
Vergebens ſterben wir den Tod
Fuͤrs Vaterland ; wenn der nicht hilft ,
Der Alles ausfuͤhrt !
Stroͤm’ hin , o Blut , und toͤdt’ , o Tod
Fuͤrs Vaterland ! Wir trauen dem ,
Der Alles ausfuͤhrt !
Auf ! in den Flammendampf hinein !
Wir laͤchelten dem Tode zu ,
Und laͤcheln , Feind’ , euch zu !
Der Tanz , den unſre Trommel ſchlaͤgt ,
Der laute ſchoͤne Kriegestanz
Er tanzet hin nach euch !
D 3 Die
D ie dort trompeten , hauet ein ,
Wo unſer rother Stahl das Thor
Euch weit hat aufgethan !
D en Flug , den die Trompete blaͤſt ,
Den lauten ſchoͤnen Kriegesflug
Fliegt , fliegt ihn ſchnell hinein !
W o unſre Fahnen vorwaͤrts wehn ,
Da weh auch die Standart hinein ,
Da ſiege Roß und Mann !
S eht ihr den hohen weiſſen Hut ?
Seht ihr das aufgehobne Schwert ?
Des Feldherrn Hut und Schwert ?
F ern ordnet’ er die kuͤhne Schlacht ,
Und jetzo da’s Entſcheidung gilt ,
Thut ers dem Tode nah .
D urch ihn , und uns iſt nichts gethan ;
Steht uns der Maͤchtige nicht bey ,
Der Alles ausfuͤhrt !
D ort dampft es noch . Hinein ! hinein !
Wir laͤchelten dem Tode zu !
Und laͤcheln , Feind’ , euch zu !
Zwey-
Zweytes Buch .
D 4 Der
Der Lehrling der Griechen .
Wen des Genius Blick , als er gebohren ward ,
Mit einweichendem Laͤcheln ſah ,
Wen , als Knaben , ihr einſt Smintheus Anakreons
Fabelhafte Geſpielinnen ,
Dichtriſche Tauben umflogt , und ſein maͤoniſch Ohr
Vor dem Laͤrme der Scholien
Sanft zugirrtet , und ihm , daß er das Alterthum
Ihrer faltigen Stirn nicht ſah ,
Eure Fittige lieht , und ihn umſchattetet ,
Den ruft , ſtolz auf den Lorberkranz ,
Welcher vom Fluche des Volks welkt , der Eroberer
In das eiſerne Feld umſonſt ,
Wo kein muͤtterlich Ach baͤnger beym Scheidekuß ,
Und aus blutender Bruſt geſeufzt ,
Ihren ſterbenden Sohn dir , unerbittlicher
Hundertarmiger Tod , entreißt !
Wenn das Schickſal ihn ja Koͤnigen zugeſellt ,
Umgewoͤhnt zu dem Waffenklang ,
Sieht er , von richtendem Ernſt ſchauernd , die Leich-
name
Stumm und ſeelenlos ausgeſtreckt ,
Segnet dem fliehenden Geiſt in die Gefilde nach ,
Wo kein toͤdtender Held mehr ſiegt .
Ihn laͤßt guͤtiges Lob , oder Unſterblichkeit
Deß , der Ehre vergeudet , kalt !
Kalt der wartende Thor , welcher bewundernsvoll
Ihn großaͤugigten Freunden zeigt ,
D 5 Und
Und der laͤchelnde Blick einer nur ſchoͤnen Frau ,
Der zu dunkel die Singer iſt .
Thraͤnen nach beſſerem Ruhm werden Unſterblichen ,
Jenen alten Unſterblichen ,
Deren daurender Werth , wachſenden Stroͤmen gleich ,
Jedes lange Jahrhundert fuͤllt ,
Ihn geſellen , und ihn jenen Belohnungen ,
Die der Stolze nur traͤumte , weihn !
Ihm iſt , wenn ihm das Gluͤck , was es ſo ſelten that ,
Eine denkende Freundin giebt ,
Jede Zaͤhre von ihr , die ihr ſein Werk entlockt ,
Kuͤnftiger Zaͤhren Verkuͤnderin !
Win-
Wingolf .
Erſtes Lied .
Wie Gna in Fluge , jugendlich ungeſtuͤm ,
Und ſtolz , als reichten mir aus Idunens Gold
Die Goͤtter , ſing’ ich meine Freunde
Feyrend in kuͤhnerem Bardenliede .
Willſt du zu Strophen werden , o Haingeſang ?
Willſt du geſetzlos , Oſſians Schwunge gleich ,
Gleich Ullers Tanz auf Meerkryſtalle ,
Frey aus der Seele des Dichters ſchweben ?
Die Waſſer Hebrus waͤlzten mit Adlereil
Des Celten Leyer , welche die Waͤlder zwang ,
Daß ſie ihr folgten , die die Felſen
Taumeln , und wandeln aus Wolken lehrte .
So
Nach der Mythologie unſrer Vorfahren , eine
Untergoͤttin , welche Freya , die erſte der Goͤttinnen ,
mit ihren Befehlen ausſandte .
Iduna , auch Idun , bewahrte in einer gold-
nen Schale Aepfel , womit die Goͤtter die Unſterb-
lichkeit erhielten .
Schoͤnheit , Pfeil , und Schrittſchuh unterſchei-
den ihn von den andern Goͤttern .
S o floß der Hebrus . Schattenbeſaͤnftiger ,
Mit fortgeriſſen folgte dein fliehend Haupt
Voll Bluts , mit todter Stirn , der Leyer
Hoch im Getoͤſe geſtuͤrzter Wogen .
S o floß der Waldſtrom hin nach dem Ocean !
So fließt mein Lied auch , ſtark , und gedankenvoll .
Deß ſpott’ ich , der’s mit Kluͤglingsblicken
Hoͤret , und kalt von der Gloſſe triefet .
D en ſegne , Lied , ihn ſegne beym feſtlichen
Entgegengehn , mit Freudenbegruͤſſungen ,
Der uͤber Wingolfs hohe Schwelle
Heiter , im Hain gekraͤnzt , hereintritt .
D ein Barde wartet . Liebling der ſanften Hlyn ,
Wo bliebſt du ? koͤmmſt du von dem begeiſternden
Achaͤerhoͤmus ? Oder koͤmmſt du
Von den unſterblichen ſieben Huͤgeln ?
W o Scipionen , Flaccus und Tullius ,
Uhrenkel denkend , toͤnender redt’ , und ſang ,
Wo Maro mit dem Kapitole
Um die Unſterblichkeit muthig zankte !
Voll
Der Tempel der Freundſchaft .
Die Goͤttinn der Freundſchaft .
V oll ſichern Stolzes , ſah er die Ewigkeit
Des hohen Marmors : Truͤmmer wirſt einſt du ſeyn !
Staub dann ! und dann des Sturms Geſpiele ,
Du Kapitol ! und du Gott der Donner !
W ie oder zoͤgerſt du von des Albion
Eiland heruͤber ? Liebe ſie , Ebert , nur !
Sie ſind auch deutſchen Stamms , Uhrſoͤhne
Jener , die kuͤhn auf der Woge kamen !
S ey mir gegruͤſſet ! Immer gewuͤnſcht koͤmmſt du ,
Wo du auch herkoͤmmſt , Liebling der ſanften Hlyn !
Vom Tybris lieb , ſehr lieb vom Hoͤmus !
Lieb von Britanniens ſtolzem Eiland ,
A llein geliebter , wenn du voll Vaterlands
Aus jenen Hainen kommſt , wo der Barden Chor
Mit Braga ſinget , wo die Telyn
Toͤnet zum Fluge des deutſchen Liedes .
D a koͤmmſt du jetzt her , haſt aus dem Mimer ſchon
Die geiſtervolle ſilberne Flut geſchoͤpft !
Schon glaͤnzt die Trunkenheit des Quells dir ,
Ebert , aus hellem entzuͤcktem Auge .
Wohin
Auch Bragar , der Gott der Dichtkunſt .
Die Leyer der Barden . Sie heißt noch jetzt
ſo in derjenigen neuern celtiſchen Sprache , die am
meiſten von der aͤltern behalten hat .
Der Quell der Dichtkunſt und der Weisheit .
Wohin beſchwoͤrſt du , Dichter , den Folgenden ?
Was trank ? was ſah ich ? Bauteſt du wieder auf
Tanfana ? oder , wie an Dirce
Mauren Amphion , Wathalla’s Tempel ?
Die ganze Lenzflur ſtreute mein Genius ,
Der unſern Freunden rufet , damit wir uns
Hier in des Wingolf lichten Hallen
Unter dem Fluͤgel der Freud’ umarmen .
Zweytes Lied .
Sie kommen ! Cramern gehet in Rhythmustanz ,
Mit hochgehobner Leyer Iduna vor !
Sie geht , und ſieht auf ihn zuruͤcke ,
Wie auf die Wipfel des Hains der Tag ſieht .
Sing noch Beredſamkeiten ! die erſte weckt
Den Schwan in Glaſor ſchon zur Entzuͤckung auf !
Sein Fittig ſteigt , und ſanft gebogen
Schwebet ſein Hals mit des Liedes Toͤnen !
Die deutſche Nachwelt ſinget der Barden Lied ,
( Wir ſind ihr Barden ! ) einſt bey der Lanze Klang !
Sie wird von dir auch Lieder ſingen ,
Wenn ſie heran zu der kuͤhnen Schlacht zeucht .
Schon
Ein Tempel der Deutſchen .
Sie iſt Braga’s Frau .
Ein Hain in Walhalla , deſſen Baͤume goldne
Zweige haben .
S chon hat den Geiſt der Donnerer ausgehaucht ,
Schon waͤlzt ſein Leib ſich blutig im Rheine fort ,
Doch bleibt am leichenvollen Ufer
Horchend der eilende Geiſt noch ſchweben .
D u ſchweigeſt , Freund , und ſieheſt mich weinend an .
Ach warum ſtarb die zaͤrtliche Radikin ?
Schoͤn , wie die junge Morgenroͤthe ,
Heiter und ſanft , wie die Sommermondnacht .
N imm dieſe Roſen , Gieſeke ; Lesbia
Hat ſie mit Zaͤhren heute noch ſanft benetzt ,
Als ſie dein Lied mir von den Schmerzen
Deiner Geſpielin der Liebe vorſang .
D u laͤchelſt : Ja , dein Auge voll Zaͤrtlichkeit
Hat dir mein Herz ſchon dazumal zugewandt ,
Als ich zum erſtenmal dich ſahe ,
Als ich dich ſah , und du mich nicht kannteſt .
W enn einſt ich todt bin , Freund , ſo beſinge mich !
Dein Lied voll Thraͤnen wird den entfliehenden
Dir treuen Geiſt noch um dein Auge ,
Das mich beweint , zu verweilen zwingen .
D ann ſoll mein Schutzgeiſt , ſchweigend und unbemerkt
Dich dreymal ſegnen ! dreymal dein ſinkend Haupt
Umfliegen , und nach mir beym Abſchied
Dreymal noch ſeyn , und dein Schutzgeiſt werden .
Der
Der Thorheit Haſſer , aber auch Menſchenfreund ,
Allzeit gerechter Rabner , dein heller Blick
Dein froh und herzenvoll Geſicht iſt
Freunden der Tugend , und deinen Freunden
Nur liebenswuͤrdig ; aber den Thoren biſt
Du furchtbar ! Scheuch ſie , wenn du noch ſchweigeſt , ſchon
Zuruͤck ! Laß ſelbſt ihr kriechend Laͤcheln
Dich in dem ſtrafenden Zorn nicht ſtoͤren .
Stolz , und voll Demuth , arten ſie niemals aus !
Sey unbekuͤmmert , wenn auch ihr zahllos Heer
Stets wuͤchſ’ , und wenn in Voͤlkerſchaften
Auch Philoſophen die Welt umſchwaͤrmten !
Wenn du nur Einen jedes Jahrhundert nimmſt ,
Und ihn der Weisheit Lehrlingen zugeſellſt ;
Wohl dir ! Wir wollen deine Siege ,
Die in der Fern dich erwarten , ſingen .
Dem Enkel winkend ſtell’ ich dein heilig Bild
Zu Tiburs Lacher , und zu der Houyhmeß Freund ,
Da ſollſt du einſt den Namen ( wenig
Fuͤhreten ihn ) des Gerechten fuͤhren !
Drittes Lied .
Lied , werde ſanfter , flieſſe gelinder fort .
Wie auf die Roſen hell aus des Morgens Hand
Der Thau herabtraͤuft , denn dort koͤmmt er
Froͤlicher heut und entwoͤlkt mein Gellert .
Dich
D ich ſoll der ſchoͤnſten Mutter geliebteſte
Und ſchoͤnſte Tochter leſen , und reizender
Im Leſen werden , dich in Unſchuld ,
Sieht ſie dich etwa wo ſchlummern , kuͤſſen .
A uf meinem Schooß , in meinen Umarmungen
Soll einſt die Freundin , welche mich lieben wird ,
Dein ſuͤß Geſchwaͤtz mir ſanft erzaͤhlen
Und es zugleich an der Hand als Mutter
D ie kleine Zilie lehren . Des Herzens Werth
Zeigt auf dem Schauplatz keine mit jenem Reitz ,
Den du ihm gabſt . Da einſt die beyden
Edleren Maͤdchen mit ſtiller Großmuth ,
E uch unnachahmbar , welchen nur Schoͤnheit bluͤht ,
Sich in die Blumen ſetzten , da weint’ ich , Freund ,
Da floſſen ungeſehne Thraͤnen
Aus dem geruͤhrten entzuͤckten Auge .
D a ſchwebte lange freudiger Ernſt um mich .
O Tugend ! rief ich , Tugend , wie ſchoͤn biſt du !
Welch goͤttlich Meiſterſtuͤck ſind Seelen ,
Die ſich hinauf bis zu dir erheben !
D er du uns auch liebſt , Olde , komm naͤher her ,
Du Kenner , der du edel und feuervoll
Unbiegſam beyden , beyden furchtbar ,
Stuͤmper der Tugend und Schriften haſſeſt !
E Du,
Du , der bald Zweifler , und Philoſoph bald war ,
Bald Spoͤtter aller menſchlichen Handlungen ,
Bald Miltons und Homerus Prieſter ,
Bald Miſanthrope , bald Freund , bald Dichter ,
Viel Zeiten , Kuͤhnert , haſt du ſchon durchgelebt ,
Von Eiſen Zeiten , ſilberne , goldene !
Komm , Freund , komm wieder zu des Milton
Und zu der Zeit des Homer zuruͤcke !
Noch zween erblick ich . Den hat vereintes Blut ,
Mehr noch die Freundſchaft , zaͤrtlich mir zugeſellt ,
Und den des Umgangs ſuͤſſe Reitzung
Und der Geſchmack mit der hellen Stirne .
Schmidt , der mir gleich iſt , den die Unſterblichen
Des Hains Geſaͤngen neben mir auferziehn !
Und Rothe , der ſich freyer Weisheit
Und der geſelligen Freundſchaft weihte .
Viertes Lied .
Ihr Freunde fehlt noch , die ihr mich kuͤnftig liebt !
Wo ſeyd ihr ? Eile ! ſaͤume nicht , ſchoͤne Zeit !
Kommt , auserkohrne , helle Stunden ,
Da ich ſie ſeh , und ſie ſanft umarme !
Und du , o Freundin , die du mich lieben wirſt ,
Wo biſt du ? Dich ſucht , Beſte , mein einſames
Mein fuͤhlend Herz , in dunkler Zukunft ,
Durch Labyrinthe der Nacht hin ſuchts dich !
Haͤlt
Haͤlt dich , o Freundin , etwa die zaͤrtlichſte
Von allen Frauen muͤtterlich ungeſtuͤm ;
Wohl dir ! Auf ihrem Schooſſe lernſt du
Tugend und Liebe zugleich empfinden !
Doch hat dir Blumenkraͤnze des Fruͤhlings Hand
Geſtreut , und ruhſt du , wo er in Schatten weht ;
So fuͤhl auch dort ſie ! Dieſes Auge ,
Ach dein von Zaͤrtlichkeit volles Auge ,
Und der in Zaͤhren ſchwimmende ſuͤſſe Blick ,
Die ganze Seele bildet in ihm ſich mir !
Ihr heller Ernſt , ihr Flug zu denken ,
Leichter als Tanz in dem Weſt und ſchoͤner !
Die Mine , voll des Guten , des Edlen voll ,
Dieß vor Empfindung bebende ſanfte Herz !
Dieß alles , o die einſt mich liebet !
Dieſes … geliebte Phantom iſt mein ! du ,
Du ſelber fehlſt mir ! Einſam und wehmuthsvoll
Und ſtill und weinend irr’ ich , und ſuche dich ,
Dich Beſte , die mich kuͤnftig liebet ,
Ach die mich liebt ! und noch fern von mir iſt !
Fuͤnftes Lied .
Sahſt du die Thraͤne , welche mein Herz vergoß ,
Mein Ebert ? Traurend lehn’ ich auf dich mich hin .
Sing mir begeiſtert , als vom Dreyfuß ,
Brittiſchen Ernſt , daß ich froh wie du ſey !
E 2 Doch
D och jetzt auf Einmal wird mir mein Auge hell !
Geſichten hell , und hell der Begeiſterung !
Ich ſeh in Wingolfs fernen Hallen
Tief in den ſchweigenden Daͤmmerungen
D ort ſeh ich langſam heilige Schatten gehn !
Nicht jene , die ſich traurig von Sterbenden
Loshuͤllen , nein , die , in der Dichtkunſt
Stund’ und der Freundſchaft , um Dichter ſchweben !
S ie fuͤhret , hoch den Fluͤgel , Begeiſtrung her !
Verdeckt dem Auge , welches der Genius
Nicht ſchaͤrft , ſiehſt du ſie ſeelenvolles ,
Treues , poetiſches Auge , du nur !
D rey Schatten kommen ! neben den Schatten toͤnts
Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain
Mit Ungeſtuͤm herrauſcht , und Weisheit
Lehret die horchenden Widerhalle !
W ie aus der hohen Druͤden Verſammlungen ,
Nach Braga’s Telyn , nieder vom Opferfels ,
Ins lange tiefe Thal der Waldſchlacht ,
Satzungenlos ſich der Barden Lied ſtuͤrzt !
D er du dort wandelſt , ernſtvoll und heiter doch ,
Das Auge voll von weiſer Zufriedenheit ,
Die Lippe voll von Scherz ; Es horchen
Ihm die Bemerkungen deiner Freunde ,
Ihm
Ihm horcht entzuͤckt die feinere Schaͤferin ,
Wer biſt , du Schatten ? Ebert ! er neiget ſich
Zu mir , und laͤchelt . Ja er iſt es !
Siehe der Schatten iſt unſer Gaͤrtner !
Uns werth , wie Flaccus war ſein Quintilius ,
Der unverhuͤllten Wahrheit Vertraulichſter ,
Ach komm doch , Gaͤrtner , deinen Freunden
Ewig zuruͤck ! Doch du flieheſt fern weg !
Fleuch nicht , mein Gaͤrtner , fleuch nicht ! du flohſt ja nicht ,
Als wir an jenen traurigen Abenden ,
Um dich voll Wehmuth ſtill verſammelt ,
Da dich umarmten , und Abſchied nahmen !
Die letzten Stunden , welche du Abſchied nahmſt ,
Der Abend ſoll mir feſtlich auf immer ſeyn !
Da lernt’ ich , voll von ihrem Schmerze ,
Wie ſich die wenigen Edlen liebten !
Viel Mitternaͤchte werden noch einſt entfliehn .
Lebt ſie nicht einſam , Enkel , und heiligt ſie
Der Freundſchaft , wie ſie eure Vaͤter
Heiligten , und euch Exempel wurden !
Sechſtes Lied .
In meinem Arme , freudig , und weisheitsvoll ,
Sang Ebert : Evan , Evoe Hagedorn !
Da tritt er auf dem Rebenlaube
Muthig einher , wie Lyaͤus , Zevs Sohn !
E 3 Mein
M ein Herze zittert ! herrſchend und ungeſtuͤm
Bebt mir die Freude durch mein Gebein dahin !
Evan , mit deinem Weinlaubſtabe
Schone mit deiner gefuͤllten Schaale !
I hn deckt’ als Juͤngling eine Lyaͤerin ,
Nicht Orpheus Feindin , weislich mit Reben zu !
Und dieß war allen Waſſertrinkern
Wunderſam , und die in Thaͤlern wohnen ,
I n die des Waſſers viel von den Huͤgeln her
Stuͤrzt , und kein Weinberg laͤngere Schatten st reckt .
So ſchlief er , keinen Schwaͤtzer fuͤrchtend ,
Nicht ohne Goͤtter , ein kuͤhner Juͤngling .
M it ſeinem Lorbeer hat dir auch Patareus ,
Und eingeflochtner Myrthe das Haupt umkraͤnzt !
Wie Pfeile von dem goldnen Koͤcher ,
Toͤnet dein Lied , wie des Juͤnglings Pfeile
S chnellrauſchend klangen , da der Unſterbliche
Nach Peneus Tochter durch die Gefilde flog !
Oft wie des Satyrs Hohngelaͤchter ,
Als er den Wald noch nicht laut durchlachte .
Z u Wein und Liedern waͤhnet der Thore dich nur
Allein geſchaffen . Denn den Unwiſſenden
Iſt , was das Herz der Edlen hebet ,
Unſichtbar ſtets und verdeckt geweſen !
Dir
Dir ſchlaͤgt ein maͤnnlich Herz auch ! Dein Leben toͤnt
Mehr Harmonien , als ein unſterblich Lied !
In unſokratiſchem Jahrhundert
Biſt du fuͤr wenige Freund ’ ein Muſter !
Siebendes Lied .
Er ſangs . Jetzt ſah ich fern in der Daͤmmerung
Des Hains am Wingolf Schlegeln aus dichtriſchen
Geweihten Eichenſchatten ſchweben ,
Und in Begeiſterung vertieft und ernſtvoll ,
Auf Lieder ſinnen . Toͤnet ! da toͤneten
Ihm Lieder , nahmen Geniusbildungen
Schnell an ! In ſie hatt’ er der Dichtkunſt
Flamme geſtroͤmt , aus der vollen Urne !
Noch Eins nur fehlt dir ! falt’ auch des Richters
Stirn ,
Daß , wenn zu uns ſie etwa vom Himmel koͤmmt
Die goldne Zeit , der Hain Thuiskens
Leer des undichtriſchen Schwarmes ſchatte .
Achtes Lied .
Komm , goldne Zeit , die ſelten zu Sterblichen
Herunterſteiget , laß dich erflehn , und komm
Zu uns , wo dir es ſchon im Haine
Weht , und herab von dem Quell ſchon toͤnet !
E 4 Ge-
G edankenvoller , tief in Entzuͤckungen
Verlohren , ſchwebt bey dir die Natur … Sie hats
Gethan ! hat Seelen , die ſich fuͤhlen ,
Fliegen den Geniusflug , gebildet .
N atur , dich hoͤrt’ ich durchs Unermeßliche
Herwandeln , wie , mit Sphaͤrengeſangeston ,
Argo , von Dichtern nur vernommen ,
Strahlend im Meere der Luͤfte wandelt .
A us allen goldnen Zeiten begleiten dich ,
Natur , die Dichter ! Dichter des Alterthums !
Der ſpaͤten Nachwelt Dichter ! Segnend
Sehn ſie ihr heilig Geſchlecht hervorgehn .
An
An Giſeke .
Geh ! ich reiſſe mich los , obgleich die maͤnnliche
Tugend
Nicht die Thraͤne verbeut ,
Geh ! ich weine nicht , Freund . Ich muͤßte mein Le-
ben durchweinen ,
Weint’ ich dir , Giſeke , nach !
Denn ſo werden ſie alle dahingehn , jeder den andern
Traurend verlaſſen , und fliehn .
Alſo trennet der Tod gewaͤhlte Gatten ! der Mann
kam
Seufzend im Ocean um ,
Sie am Geſtad , wo von Todtengeripp , und Schei-
ter , und Meerſand
Stuͤrme das Grab ihr erhoͤhn .
So liegt Miltons Gebein von Homers Gebeine ge-
ſondert ,
Und der Cypreſſe verweht
Ihre Klag’ am Grabe des Einen , und kommt nicht
hinuͤber
Nach des Anderen Gruft .
So ſchrieb unſer aller Verhaͤngniß auf eherne Ta-
feln
Der im Himmel , und ſchwieg .
Was der Hocherhabene ſchrieb , verehr’ ich im Staube ,
Weine gen Himmel nicht auf .
Geh , mein Theurer ! Es letzen vielleicht ſich unſere
Freunde
Auch ohne Thraͤnen mit dir ;
Wenn nicht Thraͤnen die Seele vergießt , unweinbar
dem Fremdling
Sanften edlen Gefuͤhls .
E 5 Eile
Eile zu Hagedorn hin , und haſt du genung ihn um
armet ,
Iſt euch die erſte Begier ,
Euch zu ſehen , geſtillt , ſind alle Thraͤnen der Freu d e
Weggelaͤchelt entflohn ,
Giſeke , ſag’ ihm alsdann , nach drey genoſſenen T a-
gen ,
Daß ich ihn liebe , wie du !
An
An Ebert .
Ebert , mich ſcheucht ein truͤber Gedanke vom blin-
kenden Weine
Tief in die Melancholey !
Ach du redeſt umſonſt , vor dem gewaltiges Kelchglas ,
Heitre Gedanken mir zu !
Weggehn muß ich , und weinen ! vielleicht , daß die
lindernde Thraͤne
Meine Betruͤbniß verweint .
Lindernde Thraͤnen , euch gab die Natur dem menſch-
lichen Elend
Weiſ’ als Geſellinnen zu .
Waͤret ihr nicht , und koͤnnten ihr Leiden die Men-
ſchen nicht weinen ,
Ach ! wie ertruͤgen ſie ’s da !
Weggehn muß ich , und weinen ! Mein ſchwermuths-
voller Gedanke
Bebt noch gewaltig in mir .
Ebert ! … ſind ſie nun … alle dahin ! deckt un-
ſere Freunde
Alle die heilige Gruft ;
Und ſind wir … zween Einſame … dann von
allen noch uͤbrig ! …
Ebert ! … verſtummſt du nicht hier ?
Sieht dein Auge nicht bang um ſich her , nicht ſtarr
ohne Seele ?
So erſtarb auch mein Blick !
So erbebt’ ich , als mich von allen Gedanken der
baͤngſte
Donnernd das erſtemal traf !
Wie du einen Wanderer , der , zu eilend der Gattin ,
Und dem gebildeten Sohn ,
Und
Und der bluͤhenden Tochter , nach ihrer Umarmung
ſchon hinweint ,
Du den , Donner , ereilſt ,
Toͤdtend ihn faſſeſt , und ſeine Gebeine zu fallendem
Staube
Machſt , triumphirend alsdann
Wieder die hohe Wolke durchwandelſt ; ſo traf der
Gedanke
Meinen erſchuͤtterten Geiſt ,
Daß mein Auge ſich dunkel verlor , und das bebende
Knie mir
Kraftlos zittert’ , und ſank .
Ach , in ſchweigender Nacht , ging mir die Todtener-
ſcheinung ,
Unſre Freunde , vorbey !
Ach in ſchweigender Nacht erblickt’ ich die offenen
Graͤber ,
Und der Unſterblichen Schaar !
Wenn nicht mehr des zaͤrtlichen Giſeken Auge mir
laͤchelt !
Wenn , von der Radikinn fern ,
Unſer redlicher Cramer verweſt ! wenn Gaͤrtner , wenn
Rabner
Nicht ſokratiſch mehr ſpricht !
Wenn in des edelmuͤthigen Gellert harmoniſchem Leben
Jede Saite verſtummt !
Wenn , nun uͤber dem Grabe , der freye geſellige Rothe
Freudegenoſſen ſich waͤhlt !
Wenn der erfindende Schlegel aus einer laͤngern Ver-
bannung
Keinem Freunde mehr ſchreibt !
Wenn in meines geliebteſten Schmidts Umarmung
mein Auge
Nicht mehr Zaͤrtlichkeit weint !
Wenn
Wenn einſchlummernd ſich Hagedorn unſer Vater ent-
fernet ;
Ebert , was ſind wir alsdann ,
Wie Geweihte des Schmerzes , die hier ein truͤberes
Schickſal
Laͤnger , als Alle ſie ließ .
Stirbt denn auch einer von uns , mich reißt mein
banger Gedanke
Immer naͤchtlicher fort !
Stirbt dann auch Einer von uns , und bleibt nur Ei-
ner noch uͤbrig ;
Bin der Eine dann ich ;
Hat mich dann auch die ſchon geliebt , die kuͤnftig mich
liebet ,
Ruht auch Sie in der Gruft ;
Bin dann ich der Einſame , bin allein auf der Erde :
Wirſt du , ewiger Geiſt ,
Seele zur Freundſchaft erſchaffen , du dann die leeren
Tage
Sehn , und fuͤhlend noch ſeyn ?
Oder wirſt du betaͤubt fuͤr Naͤchte ſie halten , und
ſchlummern
Und gedankenlos ruhn ?
Aber wenn du bisweilen erwachteſt zu fuͤhlen dein Elend ,
Banger , unſterblicher Geiſt ?
Rufe , wenn du erwachſt , das Bild vom Grabe der
Freunde ,
Das nur rufe zuruͤck !
O ihr Graͤber der Todten ! ihr Graͤber meiner Ent-
ſchlafnen !
Warum liegt ihr zerſtreut ?
Warum liegt ihr nicht in bluͤhenden Thalen beyſam-
men ?
Oder in Hainen vereint ?
Leitet
Leitet den ſterbenden Greis ! Ich will mit bebendem Fuſſe
Gehn , auf jegliches Grab
Eine Cypreſſe pflanzen , die noch nicht ſchattenden Baͤume
Fuͤr die Enkel erziehn ,
Oft in der Nacht auf biegſamen Wipfel die himmli-
ſche Bildung
Meiner Unſterblichen ſehn ,
Zitternd mein Haupt gen Himmel erheben , und wei-
nen , und ſterben !
Grabet den Todten dann ein
Bey dem Grabe , bey dem er ſtarb ! Nimm dann , o
Verweſung !
Meine Thraͤnen , und mich ! …
Finſtrer Gedanke , laß ab ! laß ab in die Seele zu
donnern !
Wie die Ewigkeit ernſt ,
Furchtbar , wie das Gericht , laß ab ! die verſtummen-
de Seele
Faßt dich , Gedanke , nicht mehr !
Bar-
Bardale .
Einen froͤhlichen Lenz ward ich , und flog umher !
Dieſen froͤhlichen Lenz lehrete ſorgſam mich
Meine Mutter , und ſagte :
Sing , Bardale , den Fruͤhling durch !
Hoͤrt der Wald dich allein , deine Geſpielinnen
Flattern horchend nur ſie dir um den Schattenaſt ;
Singe dann , o Bardale ,
Nachtigallen Geſaͤnge nur .
Aber tritt er daher , welcher erhabner iſt ,
Als die Greiſe des Hains , kommt er der Erde Gott ,
Sing dann , gluͤcklicher Saͤnger ,
Toͤnevoller , und lyriſcher !
Denn ſie hoͤren dich auch , die doch unſterblich ſind !
Ihren goͤttlichſten Trieb lockt dein Geſang hervor .
Ach , Bardale , du ſingeſt
Liebe zu , den Unſterblichen !
Ich
von Barde , hieß in unſrer aͤlteren Sprache
die Lerche . Die Nachtigall verdients noch mehr ,
ſo zu heiſſen .
I ch entflog ihr , und ſang , und der bewegte Hain
Und die Huͤgel umher hoͤrten mein floͤtend Lied !
Und des Baches Geſpraͤche
Sprachen leiſer am Ufer hin .
D och der Huͤgel , der Bach war nicht , die Eiche ſelbſt
War der Gott nicht ! und bald ſenkte den Ton mein Lied .
Denn ich ſang dich , o Liebe ,
Nicht Goͤttinnen , und Goͤttern nicht !
J etzo kam ſie herauf , unter des Schattens Nacht
Kam die edle Geſtalt , lebender , als der Hain !
Schoͤner , als die Gefilde !
Eine von den Unſterblichen !
W elch ein neues Gefuͤhl gluͤhte mir ! Ach der Blick
Ihres Auges ! Der Weſt hielt mich , ich ſank ſchon hin !
Spraͤch die Stimme den Blick aus ;
O ſo wuͤrde ſie ſuͤſſer ſeyn ,
A ls mein leiſeſter Laut , als mein geſungenſter ,
Und gefuͤhlteſter Ton , wenn mich die junge Luſt
Von dem Zweige des Strauches
In die Wipfel des Hains entzuͤckt !
A ug’ , ach Auge ! dein Blick bleibt unvergeßlich mir !
Und wie nennet das Lied ? ſingen die Toͤne dich ?
Nennt ’s dich , ſingen ſie : Seele ?
Biſt du’s , das die Unſterblichen
Zu
Z u Unſterblichen macht ? Auge ! wem gleich ’ ich dich ?
Biſt du Blaͤue der Luft , wenn ſie der Abendſtern
Sanft mit Golde beſchimmert ?
Oder gleicheſt du jenem Bach ,
D er dem Quell kaum entfloß ? Schoͤner erblickte nie
Seine Roſen der Buſch ! heller ich ſelber nie
Mich in einem der Baͤche ,
Niederſchwankend am Fruͤhlingsſproß .
O was ſprach itzt ihr Blick ? Hoͤrteſt du , Goͤttinn , mich ?
Eine Nachtigall du ? Sang ich von Liebe dir ?
Und was flieſſet gelinder
Dir vom ſchmachtenden Aug’ herab ?
I ſt das Liebe , was dir zaͤrtlich vom Auge rinnt ?
Deinen goͤttlichſten Trieb lockt ihn mein Lied hervor ?
Welche ſanfte Bewegung
Hebt dir deine beſeelte Bruſt ?
S ag , wie heiſſet der Trieb , welcher dein Herz bewegt ?
Reitzt ohn’ ihn dich Iduns goldene Schaale noch ?
Iſt er himmliſche Tugend ?
Oder Freud’ in dem Hain Walhalls ?
O gefeyert ſey mir , blumiger Zwoͤlfter May ,
Da die Goͤttinn ich ſah ! aber gefeyerter
Seyſt du unter den Mayen ,
Wenn ich in den Umarmungen
F Eines
E ines Juͤnglings ſie ſeh , der die Beredſamkeit
Dieſer Augen , und euch fuͤhlet , ihr Fruͤhlinge
Dieſer laͤchelnden Minen ,
Und den Geiſt , der dieß alles ſchuf !
W ars nicht , Fanny , der Tag ? wars nicht der
Zwoͤlfte May ,
Als der Schatten dich rief ? wars nicht der Zwoͤlfte
May ,
Der mir , weil ich allein war ,
Oed’ und traurig voruͤberfloß ?
An
An Fanny .
Wenn einſt ich todt bin , wenn mein Gebein zu Staub
Iſt eingeſunken , wenn du , mein Auge , nun
Lang ’ uͤber meines Lebens Schickſal ,
Brechend im Tode , nun ausgeweint haſt ,
Und ſtillanbetend da , wo die Zukunft iſt ,
Nicht mehr hinauf blickſt , wenn mein erſungner Ruhm ,
Die Frucht von meiner Juͤnglingsthraͤne ,
Und von der Liebe zu dir , Meßias !
Nun auch verweht iſt , oder von wenigen
In jene Welt hinuͤber gerettet ward :
Wenn du alsdann auch , meine Fanny ,
Lange ſchon todt biſt , und deines Auges
Stillheitres Laͤcheln , und ſein beſeelter Blick
Auch iſt verloſchen , wenn du , vom Volke nicht
Bemerket , deines ganzen Lebens
Edlere Thaten nunmehr gethan haſt ,
Des Nachruhms werther , als ein unſterblich Lied ,
Ach wenn du dann auch einen begluͤckteren
Als mich geliebt haſt , laß den Stolz mir ,
Einen Begluͤckteren , doch nicht edlern !
F 2 Dann
D ann wird ein Tag ſeyn , den werd ich auferſtehn !
Dann wird ein Tag ſeyn , den wirſt du auferſtehn !
Dann trennt kein Schickſal mehr die Seelen ;
Die du einander , Natur , beſtimmteſt .
D ann waͤgt die Wagſchaal in der gehobnen Hand
Gott Gluͤck und Tugend gegen einander gleich ;
Was in der Dinge Lauf jetzt misklingt ,
Toͤnet in ewigen Harmonieen !
W enn dann du daſtehſt jugendlich auferweckt ,
Dann eil’ ich zu dir ! ſaͤume nicht , bis mich erſt
Ein Seraph bey der Rechten faſſe ,
Und mich , Unſterbliche , zu dir fuͤhre .
D ann ſoll dein Bruder , zaͤrtlich von mir umarmt ,
Zu dir auch eilen ! dann will ich thraͤnenvoll ,
Voll froher Thraͤnen jenes Lebens
Neben dir ſtehn , dich mit Namen nennen ,
U nd dich umarmen ! Dann , o Unſterblichkeit ,
Gehoͤrſt du ganz uns ! Kommt , die das Lied nicht ſingt ,
Kommt , unausſprechlich ſuͤſſe Freuden !
So unausſprechlich , als jetzt mein Schmerz iſt .
R inn unterdeß , o Leben . Sie kommt gewiß
Die Stunde , die uns nach der Cypreſſe ruft !
Ihr andern , ſeyd der ſchwermuthsvollen
Liebe geweiht ! und umwoͤlkt und dunkel !
Hein-
Heinrich der Voͤgler .
Der Feind iſt da ! Die Schlacht beginnt !
Wohlauf zum Sieg ’ herbey !
Es fuͤhret uns der beſte Mann
Im ganzen Vaterland !
Heut fuͤhlet er die Krankheit nicht ,
Dort tragen ſie ihn her !
Heil , Heinrich ! heil dir Held und Mann
Im eiſernen Gefild !
Sein Antlitz gluͤht vor Ehrbegier ,
Und herrſcht den Sieg herbey !
Schon iſt um ihn der Edlen Helm
Mit Feindesblut beſprizt !
Streu furchtbar Strahlen um dich her ,
Schwert in des Kayſers Hand ,
Daß alles toͤdtliche Geſchoß
Den Weg voruͤbergeh !
Willkommen Tod fuͤrs Vaterland !
Wenn unſer ſinkend Haupt
Schoͤn Blut bedeckt , dann ſterben wir
Mit Ruhm fuͤrs Vaterland !
Wenn vor uns wird ein ofnes Feld
Und wir nur Todte ſehn
Weit um uns her , dann ſiegen wir
Mit Ruhm fuͤrs Vaterland !
F 3 Dann
D ann treten wir mit hohem Schritt
Auf Leichnamen daher !
Dann jauchzen wir im Siegsgeſchrey !
Das geht durch Mark und Bein !
U ns preiſt mit frohem Ungeſtuͤm
Der Braͤutgam und die Braut ;
Er ſieht die hohen Fahnen wehn ,
Und druͤckt ihr ſanft die Hand ,
U nd ſpricht zu ihr : Da kommen ſie ,
Die Kriegesgoͤtter , her !
Sie ſtritten in der heiſſen Schlacht
Auch fuͤr uns beyde mit !
U ns preiſt der Freudenthraͤnen voll
Die Mutter und ihr Kind !
Sie druͤckt den Knaben an ihr Herz ,
Und ſieht dem Kaiſer nach .
U ns folgt ein Ruhm , der ewig bleibt ,
Wenn wir geſtorben ſind ,
Geſtorben fuͤr das Vaterland
Den ehrenvollen Tod !
An
An Bodmer .
Der die Schickungen lenkt , heiſſet den froͤmmſten
Wunſch ,
Mancher Seligkeit goldnes Bild
Oft verwehen , und ruft da Labyrinth hervor ,
Wo ein Sterblicher gehen will .
In die Fernen hinaus ſieht , der Unendlichkeit
Uns unſichtbaren Schauplatz , Gott !
Ach , ſie finden ſich nicht , die fuͤr einander doch ,
Und zur Liebe geſchaͤffen ſind .
Jetzo trennet die Nacht fernerer Himmel ſie ,
Jetzo lange Jahrhunderte .
Niemals ſah dich mein Blick , Sokrates-Addiſon ,
Niemals lehrte dein Mund mich ſelbſt .
Niemals laͤchelte mir Singer , der Lebenden
Und der Todten Geſellerinn .
Auch dich werd ich nicht ſehn , der du in jener Zeit ,
Wenn ich lange geſtorben bin ,
Fuͤr mein Herze gemacht , und mir der aͤhnlichſte ,
Nach mir einmal auch ſeufzen wirſt ,
Auch dich werd ich nicht ſehn , wie du dein Leben lebſt ,
Werd ich einſt nicht dein Genius .
Alſo ordnet es Gott , der in die Fernen ſieht ,
Tiefer hin ins Unendliche !
Oft erfuͤllet er auch , was das erzitternde
Volle Herz kaum zu wuͤnſchen wagt .
Wie von Traͤumen erwacht , ſehn wir dann unſer Gluͤck ,
Sehns mit Augen , und glaubens kaum .
Dieſes Gluͤcke ward mir , als ich das erſtemal
Bodmers Armen entgegen kam .
F 4 Der
Der Zuͤrcherſee .
Schoͤn iſt , Mutter Natur , deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verſtreut , ſchoͤner ein froh Geſicht ,
Das den groſſen Gedanken
Deiner Schoͤpfung noch einmal denkt .
Von des ſchimmernden Sees Traubengeſtaden her ,
Oder , floheſt du ſchon wieder zum Himmel auf ,
Komm in roͤthendem Strale
Auf dem Fluͤgel der Abendluft ,
Komm , und lehre mein Lied jugendlich heiter ſeyn ,
Suͤſſe Freude , wie du ! gleich dem beſeelteren
Schnellen Jauchzen des Juͤnglings ,
Sanft , der fuͤhlenden Fanny gleich .
Schon lag hinter uns weit Uto , an deſſem Fuß
Zuͤrch in ruhigem Thal freye Bewohner naͤhrt ;
Schon war manches Gebirge
Voll von Reben vorbeygeflohn .
Jetzt entwoͤlkte ſich fern ſilberner Alpen Hoͤh ,
Und der Juͤnglinge Herz ſchlug ſchon empfindender ,
Schon verrieth es beredter
Sich der ſchoͤnen Begleiterin .
Hal-
H allers Doris , ſie ſang , ſelber des Liedes werth ,
Hirzels Daphne , den Kleiſt zaͤrtlich wie Gleimen liebt ,
Und wir Juͤnglinge ſangen ,
Und empfanden , wie Hagedorn .
J ezt empfing uns die Au in die beſchattenden
Kuͤhlen Arme des Walds , welcher die Inſel kroͤnt ;
Da , da kameſt du , Freude !
Volles Maaſſes auf uns herab !
G oͤttinn Freude ! du ſelbſt ! dich , wir empfanden dich !
Ja , du wareſt es ſelbſt , Schweſter der Menſchlichkeit ,
Deiner Unſchuld Geſpielinn ,
Die ſich uͤber uns ganz ergoß !
S uͤß iſt , froͤhlicher Lenz , deiner Begeiſtrung Hauch ,
Wenn die Flur dich gebiert , wenn ſich dein Odem ſanft
In der Juͤnglinge Herzen ,
Und die Herzen der Maͤdchen gießt .
A ch du machſt das Gefuͤhl ſiegend , es ſteigt durch dich
Jede bluͤhende Bruſt ſchoͤner , und bebender ,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich !
L ieblich winket der Wein , wenn er Empfindungen ,
Beſſre ſanftere Luſt , wenn er Gedanken winkt ,
Im ſokratiſchen Becher
Von der thauenden Roſ ’ umkraͤnzt ;
F 5 Wenn
W enn er dringt bis ins Herz , und zu Entſchlieſſungen ,
Die der Saͤufer verkennt , jeden Gedanken weckt ,
Wenn er lehret verachten ,
Was nicht wuͤrdig des Weiſen iſt .
R eizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
In das ſchlagende Herz , und die Unſterblichkeit
Iſt ein groſſer Gedanke ,
Iſt des Schweiſſes der Edlen werth !
D urch der Lieder Gewalt , bey der Urenkelinn
Sohn und Tochter noch ſeyn ; mit der Entzuͤckung Ton
Oft beym Namen genennet ,
Oft gerufen vom Grabe her ,
D ann ihr ſanfteres Herz bilden , und , Liebe , dich ,
Fromme Tugend , dich auch gieſſen ins ſanfte Herz ,
Iſt , Goldhaͤufer ! nicht wenig !
Iſt des Schweiſſes der Edlen werth !
A ber ſuͤſſer iſts noch , ſchoͤner und reizender ,
In dem Arme des Freunds wiſſen ein Freund zu ſeyn !
So das Leben genieſſen ,
Nicht unwuͤrdig der Ewigkeit !
T reuer Zaͤrtlichkeit voll , in den Umſchattungen
In den Luͤften des Walds , und mit geſenktem Blick
Auf die ſilberne Welle ,
That mein Herze den frommen Wunſch :
Waͤ-
W aͤret ihr auch bey uns , die ihr mich ferne liebt ,
In des Vaterlands Schooß einſam von mir verſtreut ,
Die in ſeligen Stunden
Meine ſuchende Seele fand ,
O ſo bauten wir hier Huͤtten der Freundſchaft uns !
Ewig wohnten wir hier , ewig ! Der Schattenwald
Wandelt ’ uns ſich in Tempe ,
Jenes Thal in Elyſium !
Frie-
Friedrich der Fuͤnfte .
Welchen Koͤnig der Gott uͤber die Koͤnige
Mit einweihendem Blick , als er gebohren ward ,
Sah vom hohen Olymp , dieſer wird Menſchenfreund
Seyn , und Vater des Vaterlands !
Viel zu theuer durchs Blut bluͤhender Juͤnglinge
Und der Mutter und Braut naͤchtliche Thraͤn ’ erkauft ,
Lockt mit Silbergetoͤn ihn die Unſterblichkeit
In das eiſerne Feld umſonſt !
Niemals weint’ er am Bild eines Eroberers ,
Seines gleichen zu ſeyn ! Schon da ſein menſchlich Herz
Kaum zu fuͤhlen begann , war der Eroberer
Fuͤr den Edleren viel zu klein !
Aber Thraͤnen nach Ruhm , welcher erhabner iſt ,
Keines Hoͤflings bedarf , Thraͤnen geliebt zu ſeyn
Vom gluͤckſeligen Volk , weckten den Juͤngling oft
In der Stunde der Mitternacht ,
Wenn der Saͤugling im Arm hoffender Muͤtter ſchlief ,
Einſt ein gluͤcklicher Mann ! wenn ſich des Greiſes Blick
Sanft im Schlummer verlor , jetzo verjuͤngert ward ,
Noch den Vater des Volks zu ſehn .
Lange
L ange ſinnt er ihm nach , welch ein Gedank ’ es iſt !
Gott nachahmen , und ſelbſt Schoͤpfer des Gluͤckes ſeyn
Vieler tauſend ! Er hat eilend die Hoͤh erreicht ,
Und entſchließt ſich , wie Gott zu ſeyn !
W ie das ernſte Gericht furchtbar die Wage nimmt ,
Und die Koͤnige waͤgt , wenn ſie geſtorben ſind ,
Alſo waͤgt er ſich ſelbſt jede der Thaten vor ,
Die ſein Leben bezeichnen ſoll !
I ſt ein Chriſt ! und belohnt redliche Thaten erſt !
Und dann ſchauet ſein Blick laͤchelnd auf die herab ,
Die der Muſe ſich weihn , welche das weiche Herz
Tugendhafter und edler macht !
W inkt dem ſtummen Verdienſt , das in der Ferne ſteht !
Durch ſein Muſter gereizt , lernt es Unſterblichkeit !
Denn er wandelt allein , ohne der Muſe Lied ,
Sichern Wegs zur Unſterblichkeit !
D ie vom Sion herab Gott den Meſſias ſingt ,
Fromme Saͤngerinn , eil’ itzt zu den Hoͤhen hin ,
Wo den Koͤnigen Lob , beſſeres Lob ertoͤnt ,
Die Nachahmer der Gottheit ſind !
F ang den lyriſchen Flug ſtolz mit dem Namen an ,
Der oft , lauter getoͤnt , dir um die Saite ſchwebt ,
Singſt du einſt von dem Gluͤck , welches die Tugenden
Auf dem freyeren Throne lohnt !
Da-
D aniens Friederich iſts , welcher mit Blumen dir
Jene Hoͤhen beſtreut , die du noch ſteigen mußt !
Er , der Koͤnig und Chriſt , waͤhlt dich zur Fuͤhrerin ,
Bald auf Golgatha Gott zu ſehn .
Frie-
Friedrich der Fuͤnfte ,
an Bernſtorf , und Moltke .
Eingehuͤllet in Nacht , jetzt , da die beeiſten Gebirge ,
Und der einſame Wald
Stumm und menſchenlos ruhn , jetzt eil’ ich , gefluͤgel-
ter eilen
Meine Gedanken euch zu ,
Wuͤrdige Freunde des Beſten der Koͤnige ! Leiſeren Lautes
Sang ihn mein furchtſames Lied ;
Aber euch ſag’ ich ſie ganz des vollen Herzens Em-
pfindung ,
Wie das Herz ſie empfand ,
Ohne des Zweifels verſuchenden Ton ; ſo offen ich ſage ,
Daß dem Sieger bey Sorr
Julianus zum Muſter zu klein , und , ein Chriſt zu
werden !
Wuͤrdig Friederich iſt .
Aber das iſt ein Gedanke voll Nacht : Er wird es nicht
werden …
Da ſein Freund ihm entſchlief ,
Und , entflohen dem Labyrinthe , gewiß war , es herrſche
Jeſus ! und richte die Welt !
Blieb der laͤchelnde Koͤnig ſich gleich . Zwar weinte
ſein Auge
Um den Freund , der ihm ſtarb !
Oft , da dem Todten ſein Moos ſchon begann , ging Frie-
drich noch ſeitwaͤrts ,
Ohne Zeugen zu ſeyn .
Ernſte Muſe , verlaß den wehmuthsvollen Gedanken ,
Der dich traurig vertieft ,
Wecke
Wecke zu Silbertoͤnen die Leyer , die frohere , wenn ſie ,
Scandinaviens Stolz ,
Auch der Deutſchen , beſingt . Der nennt der Menſch-
lichkeit Ehre ,
Welcher Friederich nennt !
Voͤlker werden ihn einſt , den Liebenswuͤrdigen , nennen ,
Und der denkende Mann
Wird mit richtendem Blick ſein ſchoͤnes Leben betrachten ,
Keinen finden , wie ihn !
Dann wird , jenen furchtbaren Tag , den die Muſe
des Tabor
Jetzo ſtammelnd beſingt ,
Wenn im Tempel der Ehre die Lorbeern alle ver-
welkt ſind ,
Und kein Ruhm mehr beſchuͤtzt ,
Ach den Tag wird dann der ſanften Menſchlichkeit
Lohn ſeyn ,
Wie ihr Leben einſt war !
Die
Die todte Clariſſa .
Blume , du ſtehſt verpflanzet , wo du bluͤheſt ,
Werth , in dieſer Beſchattung nicht zu wachſen ,
Werth , ſchnell wegzubluͤhen , der Blumen Edens
Beſſre Geſpielin !
Luͤfte , wie dieſe , die die Erd’ umathmen ,
Sind , die leiſeren ſelbſt , dir rauhe Weſte .
Doch ein Sturmwind wird , o er koͤmmt ! ent-
flieh du ,
Eh er daher rauſcht ,
Grauſam , indem du nun am hellſten glaͤnzeſt ,
Dich hinſtuͤrzen ! Allein , auch hingeſtuͤrzet ,
Wirſt du ſchoͤn ſeyn , werden wir dich bewundern ,
Aber durch Thraͤnen !
Reizend noch ſtets , noch immer liebenswuͤrdig ,
Lag Clariſſa , da ſie uns weggebluͤht war ,
Und noch ſtille Roͤthe die hingeſunkne
Wange bedeckte .
G Freu-
F reudiger war entronnen ihre Seele ,
War zu Seelen geflogen , welch’ ihr glichen ,
Schoͤnen , ihr verwandten , geliebten Seelen ,
Die ſie empfingen ,
D aß in dem Himmel ſanft die Liedervollen
Frohen Huͤgel umher zugleich ertoͤnten :
Ruhe dir , und Kronen des Siegs , o Seele ,
Weil du ſo ſchoͤn warſt !
S o triumphirten , die es wuͤrdig waren .
Komm , laß uns wie ein Feſt die Stunde , Cidli ,
Da ſie fliehend uns ihr erhabnes Bild ließ ,
Einſamer feyern !
S ammle Cypreſſen , daß des Trauerlaubes
Kraͤnz ’ ich winde , du dann auf dieſe Kraͤnze
Mitgeweinte Thraͤnen zur ernſten Feyer
Schweſterlich weineſt !
Frie-
Friedensburg .
Selbſt der Engel entſchwebt Wonnegefilden , laͤßt
Seine Krone voll Glanz unter den Himmliſchen ,
Wandelt , unter den Menſchen
Menſch , in Juͤnglingsgeſtalt umher .
Laß denn , Muſe , den Hain , wo du das Weltgericht ,
Und die Koͤnige ſingſt , welche verworfen ſind !
Komm , hier winken dich Thaͤler
In ihr Tempe zur Erd’ herab .
Komm , es hoffet ihr Wink ! Wo du der Ceder Haupt
Durch den ſteigenden Schall deines Geſangs bewegſt ,
Nicht nur jene Gefilde
Sind mit lachendem Reiz bekraͤnzt ;
Auch hier ſtand die Natur , da ſie aus reicher Hand
Ueber Huͤgel und Thal lebende Schoͤnheit goß ,
Mit verweilendem Tritte ,
Dieſe Thaͤler zu ſchmuͤcken , ſtill .
Sieh den ruhenden See , wie ſein Geſtade ſich ,
Dicht vom Walde bedeckt , ſanfter erhoben hat ,
Und den ſchimmernden Abend
In der gruͤnlichen Daͤmmrung birgt .
G 2 Sieh
S ieh des ſchattenden Walds Wipfel . Sie neigen ſich .
Vor dem kommenden Hauch lauterer Luͤfte ? Nein ,
Friedrich koͤmmt in den Schatten !
Darum neigen die Wipfel ſich .
W arum laͤchelt dein Blick ? warum ergieſſet ſich
Dieſe Freude , der Reiz heller vom Aug herab ?
Wird ſein feſtlicher Name
Schon genannt , wo die Palme weht ?
G laubſt du , daß wir auf das , was auf der Erd ’ ihr thut ,
Nicht mit forſchendem Blick wachſam herunter ſehn ?
Und die Edlen nicht kennen ,
Die ſo einſam hier unten ſind ?
D a wir , wenn er kaum reift , ſchon den Gedanken ſehn ,
Und die werdende That , eh ſie hinuͤbertrit
Vor das Auge des Schauers ,
Und nun andre Gebehrden hat !
K ann was feyrlicher denn uns wie ein Koͤnig ſeyn ,
Der zwar feurig und jung , dennoch ein Weiſer iſt ,
Und , die hoͤchſte der Wuͤrden ,
Durch ſich ſelber , noch mehr erhoͤht ?
H eil dem Koͤnig ! Er hoͤrt , rufet die Stund ihm einſt ,
Die auch Kronen vom Haupt , wenn ſie ertoͤnet , wirft ,
Unerſchrocken ihr Rufen ,
Laͤchelt , ſchlummert zu Gluͤcklichen
Still
S till hinuͤber ! Um ihn ſtehn in Verſammlungen
Seine Thaten umher , jede mit Licht gekroͤnt ,
Jede bis zu dem Richter
Seine ſanfte Begleiterin .
G 3 An
An Cidli .
Lang in Trauren vertieft , lernt’ ich die Liebe , ſie
Die der Erden entfloh , aber auch wiederkehrt
Zur geheimeren Tugend ,
Wie die erſte der Liebenden
Voller Unſchuld im Hauch duftender Luͤfte kam ,
Und mit jungem Gefuͤhl an das Geſtade trat ,
Bald ſich ſelbſt mit den Roſen
Von dem Hang des Geſtades ſah .
Die erſchien mir ! O Schmerz , da ſie erſchienen war ,
Warum trafeſt du mich mit dem gewaltigſten
Deiner zitternden Kummer ,
Schwermuthsvoller , wie Naͤchte ſind ?
Jahre trafſt du mich ſchon ! Endlich ( das hoft ’ ich nicht )
Sinkt die traurige Nacht , iſt nun nicht ewig mehr ,
Und mir wachen mit Laͤcheln
Alle ſchlummernde Freuden auf !
Seyd ihrs ſelber ? und taͤuſcht , taͤuſchet mein Herz
mich nicht ?
Ach ihr ſeyd es ! die Ruh , dieſes Gefuͤhl ſo ſanft
Durch das Leben gegoſſen ,
Fuͤhlt ich , als ich noch gluͤcklich war !
Als
A ls … Wie ſtaun’ ich mich an , daß ich itzt wieder bin ,
Der ich war ! wie entzuͤckt uͤber die Wandlungen
Meines Schickſals , wie dankbar
Wallt mein freudiges Herz in mir !
N ichts Unedles , kein Stolz ( ihm iſt mein Herz zu groß ! )
Nicht betaͤubtes Gefuͤhl ; aber was iſt es denn ,
Das mich heitert ? O Tugend ,
Sanfte Tugend , belohnſt du mich ?
D och biſt du es allein ? oder ( o darf ichs auch
Mir vertrauen ? ) entſchluͤpft , Tugend , an deiner Hand
Nicht ein Maͤdchen der Unſchuld
Deinen Hoͤhn , und erſcheinet mir ?
S anft im Traume des Schlafs , ſanfter im wachenden ,
Daß ich , wenn es vor mir eilend voruͤber ſchluͤpft ,
Stamml’ , und ſchweig’ , und beginne :
Warum eilſt du ? ich liebe dich !
A ch , du kennſt ja mein Herz , wie es geliebet hat !
Gleicht ein Herz ihm ? Vielleicht gleichet dein Herz
ihm nur !
Darum liebe mich , Cidli ,
Denn ich lernte die Liebe dir !
D ich zu finden , ach dich , lernt’ ich die Liebe , ſie ,
Die mein ſteigendes Herz himmliſch erweiterte ,
Nun in ſuͤßeren Traͤumen
Mich in Edens Gefilde traͤgt !
G 4 Die
Die Koͤniginn Luiſe .
Da Sie , ihr Name wird im Himmel nur genennet !
Ihr ſanftes Aug’ im Tode ſchloß ,
Und , von dem Thron’ , empor zum hoͤhern Throne ,
In Siegsgewande trat ,
Da weinten wir ! Auch der , der ſonſt nicht Thraͤnen
kannte ,
Ward blaß , erbebt’ und weinte laut !
Wer mehr empfand , blieb unbeweglich ſtehen ,
Verſtummt’ , und weint’ erſt ſpaͤt .
So ſteht mit ſtarrem Blick , der Marmor auf dem
Grabe ;
So ſchauteſt Du Ihr , Friedrich , nach !
Ihr Engel ſah , als er zu Gott Sie fuͤhrte ,
Nach deinen Thraͤnen hin .
O , Schmerz ! ſtark , wie der Tod ! … Wir ſollten
zwar nicht weinen ,
Weil Sie ſo groß und edel ſtarb !
Doch weinen wir . Ach , ſo geliebt zu werden ,
Wie heilig iſt dieß Gluͤck !
Der Koͤnig ſtand , und ſah , ſah die Entſchlafne liegen ,
Und neben ihr den todten Sohn .
Auch er ! auch er ! O Gott ! o , unſer Richter !
Ein Friedrich ſtarb in ihm !
Wir
W ir beten weinendan . Weil nun nicht mehr ihr Leben
Uns lehrt ; ſo lehr uns denn ihr Tod !
O himmliſche , bewundernswerthe Stunde ,
Da Sie entſchlummerte !
D ich ſoll der Enkel noch , du Todesſtunde , feyern !
Sie ſey ſein Feſt um Mitternacht !
Voll heiliger tiefeingehuͤllter Schauer ,
Ein Feſt der Weinenden !
N icht dieſe Stunde nur , Sie ſtarb viel lange Tage !
Und jeder war des Todes werth ,
Des lehrenden des ehrenvollen Todes ,
Den Sie geſtorben iſt .
D ie ernſte Stunde kam , in Nebel eingehuͤllet ,
Den ſie bey Graͤbern bildete .
Die Koͤniginn , nur ſie , vernimmt den Fußtritt
Der kommenden ! nur ſie
H oͤrt , durch die Nacht herauf , der dunkeln Fluͤgel
Rauſchen ,
Den Todeston ! da laͤchelt ſie …
Sey ewig , mein Geſang , weil du es ſingeſt ,
Daß ſie gelaͤchelt hat !
U nd nun ſind Throne nichts , nichts mehr der Erde
Groͤſſen ,
Und alles , was nicht ewig iſt !
Zwo Thraͤnen noch ! die eine fuͤr den Koͤnig ;
Fuͤr ihre Kinder die ,
G 5 Und
U nd fuͤr die liebende , ſo ſehr geliebte Mutter :
Und dann wird Gott allein geliebt !
Die Erde ſinkt , wird ihr zum leichten Staube ;
Und , nun entfchlummert ſie …
D a liegt im Tode ſie , und ſchoͤn des Seraphs Auge ,
Der Sie zum Unerſchafnen fuͤhrt .
Indem erblaßt die Wang’ , und ſinkt ; es troknen
Die letzten Thraͤnen auf !
S choͤn ſind , und ehrenvoll des Patrioten Wunden !
Mit hoͤhrer Schoͤne ſchmuͤckt der Tod
Den Chriſten ! ihn die letzte Ruh ! der ſanften
Gebrochnen Augen Schlaf !
N ur wenige verſtehn , was dem fuͤr Ehren bleiben ,
Der liegt , und uͤberwunden hat ,
Dem ewigen , dem gottgeweihten Menſchen ,
Der auferſtehen ſoll !
F leug , mein Geſang , den Flug unſterblicher Geſaͤnge ,
Und ſinge nicht vom Staube mehr !
Zwar heilig iſt ihr Staub ; doch ſein Bewohner
Iſt heiliger , als er !
D ie hohe Seele ſtand vor Gott . Ihr groſſer Fuͤhrer ,
Des Landes Schutzgeiſt , ſtand bey ihr .
Dort ſtrahlt’ es auch , um ſie , an ihrer Seite ,
Wo Carolina ſtand .
Die
D ie groſſe Tochter ſah vom neuen Thron herunter ,
Sah bey den Koͤnigen ihr Grab ;
Der Leiche Pomp . Da ſah ſie auf den Seraph ;
So ſprach die Gluͤckliche :
M ein Fuͤhrer , der du mich zu dieſer Wonne fuͤhrteſt ,
Die fern von dort , und ewig iſt !
Kehrſt du zuruͤck , wo wir , zum Tod’ , itzt werden ,
Dann bald unſterblich ſind :
K ehrſt du dorthin zuruͤck , wo du des Landes Schickſal ,
Und meines Koͤnigs Schickſal , lenkſt ;
So folg’ ich dir . Ich will ſanft um dich ſchweben ,
Mit dir , ſein Schutzgeiſt ſeyn !
W enn du unſichtbar dich den Einſamkeiten naͤherſt ,
Wo er um meinen Tod noch klagt ;
So troͤſt’ ich ſeinen Schmerz mit dir ! ſo lispl’ ich
Ihm auch Gedanken zu !
M ein Koͤnig , wenn du fuͤhlſt , daß ſich ein ſanfters Leben ,
Und Ruh , durch deine Seele gießt ;
So war ichs auch , die dir , in deine Seele ,
Der Himmel Frieden goß !
O , moͤchten dieſe Hand , und dieſe hellen Locken ,
Dir ſichtbar ſeyn ; ich trocknete ,
Mit dieſer Hand , mit dieſen goldnen Locken ,
Die Thraͤnen , die du weinſt !
O,
O , weine nicht ! Es iſt , in dieſem hoͤhern Leben ,
Fuͤr ſanfte Menſchlichkeit viel Lohn ,
Viel groſſer Lohn ! und Kronen bey dem Ziele ,
Das ich ſo fruͤh ergrif !
D u eilſt mit hohem Blick , doch laͤnger iſt die Laufbahn !
Mein Koͤnig , dieſem Ziele zu !
Die Menſchlichkeit , dieß groͤßte Lob der Erde !
Ihr Gluͤck , ihr Lob iſt dein .
I ch ſchwebe jeden Tag , den du , durch ſie , verewigſt ,
Dein ganzes Leben , um dich her !
Auch dieß iſt Lohn des fruͤherrungnen Zieles ,
Zu ſehen , was du thuſt .
E in ſolcher Tag iſt mehr , als viele lange Leben ,
Die ſonſt ein Sterblicher verlebt !
Wer edel herrſcht , hat doch , ſtuͤrb’ er auch fruͤher ,
Jahrhunderte gelebt !
I ch ſchreibe jede That , hier wurd ihr Antlitz heller ,
Und himmliſchlaͤchelnd ſtand ſie auf ,
Ins groſſe Buch , woraus einſt Engel richten ;
Und nenne ſie vor Gott !
Her-
Hermann und Thusnelda .
Ha ! dort koͤmmt er mit Schweiß , mit Roͤmerblute ,
Mit dem Staube der Schlacht bedeckt ! ſo ſchoͤn war
Hermann niemals ! So hats ihm
Niemals vom Auge geflammt !
Komm ! ich bebe vor Luſt ! Reich mir den Adler
Und das triefende Schwert ! komm , athm’ , und ruhe ,
Hier in meiner Umarmung
Aus von der donnernden Schlacht !
Ruh hier , daß ich den Schweiß der Stirn abtrokne ,
Und der Wange das Blut ! Wie gluͤht die Wange !
Hermann ! Hermann ! ſo hat dich
Niemals Thusnelda geliebt !
Selbſt nicht , da du zuerſt in Eichenſchatten
Mit dem braͤunlichen Arm mich wilder faßteſt !
Fliehend blieb ich , und ſah dir
Schon die Unſterblichkeit an ,
Die nun dein iſt ! Erzaͤhlts in allen Hainen ,
Daß Auguſtus nun bang mit ſeinen Goͤttern
Nektar trinket ! Daß Hermann
Hermann unſterblicher iſt !
War-
W arum lockſt du mein Haar ? Liegt nicht der ſtumme
Todte Vater vor uns ? O haͤtt ’ Auguſtus
Seine Heere gefuͤhrt , Er
Laͤge noch blutiger da !
L aß dein ſinkendes Haar mich , Hermann , heben ,
Daß es uͤber dem Kranz in Locken drohe !
Siegmar iſt bey den Goͤttern !
Folg du , und wein’ ihm nicht nach !
Fra-
Fragen .
Veracht ihn , Leyer , welcher den Genius
In ſich verkennet ! und zu des Albion
Zu jedem edlern Stolz unfaͤhig ,
Fern , es zu werden , noch immer nachahmt !
Soll Hermanns Sohn , und , Leibniz , dein Zeitgenoß ,
( Des Denkers Leben lebet noch unter uns ! )
Soll der in Ketten denen nachgehn ,
Welchen er kuͤhner voruͤber floͤge ?
Und doch die Wange niemals mit gluͤhender
Schamvoller Roͤthe faͤrben ? nie feuriger ,
Sieht er des Griechen Flug , ausrufen :
Wurde nur er ein Poet gebohren ?
Nicht zuͤrnend weinen , weinen vor Ehrbegier ,
Wenn ers nicht ausrief ? gehn , und um Mitternacht
Auffahren ? nicht , an ſeiner Kleinmuth ,
Sich , durch unſterbliche Werke , raͤchen ?
Zwar , werther Hermanns , hat die beſtaͤubte Schlacht
Uns oft gekroͤnet ! hat ſich des Juͤnglings Blick
Entflammt ! hat laut ſein Herz geſchlagen ,
Brennend nach kuͤhnerer That gedurſtet ?
Des
D es Zeug’ iſt Hoͤchſted , dort , wo die dunkle Schlacht
Noch donnert , wo , mit edlen Britanniern ,
Gleich wuͤrdig ihrer groſſen Vaͤter ,
Deutſche den Galliern Flucht geboten !
D as Werk des Meiſters , welches von hohem Geiſt
Gefluͤgelt hinſchwebt , iſt , wie des Helden That ,
Unſterblich ! wird , gleich ihr , den Lorber
Maͤnnlich verdienen , und niederſehen !
An
An Young .
Stirb , prophetiſcher Greis , ſtirb ! denn dein Pal-
menzweig
Sproßte lang ſchon empor ; daß ſie dir rinnen , ſtehn
Schon der freudigen Thraͤnen
Viel im Auge der Himmliſchen .
Du verweilſt noch ? und haſt hoch an die Wolken hin
Schon dein Denkmal gebaut ! Denn die geheiligten ,
Ereſten , feſtlichen Nachte
Wacht der Freigeiſt mit dir , und fuͤhls ,
Daß dein tiefer Geſang drohend des Weltgerichts
Prophezeyhung ihm ſingt ! fuͤhlts , was die Weisheit will ,
Wenn ſie von der Poſaune
Spricht , der Todtenerweckerin !
Stirb ! du haſt mich gelehrt , daß mir der Name Tod ,
Wie der Jubel ertoͤnt , den ein Gerechter ſingt .
Aber bleibe mein Lehrer ,
Stirb , und werde mein Genius !
H Die
Die beyden Muſen .
Ich ſah , o ſagt mir , ſah ich , was jetzt geſchieht ?
Erblickt’ ich Zukunft ? mit der britanniſchen
Sah ich in Streitlauf Deutſchlands Muſe
Heiß zu den kroͤnenden Zielen fliegen .
Zwey Ziele graͤnzten , wo ſich der Blick verlor ,
Dort an die Laufbahn . Dieſes beſchattete
Des Haines Eiche , jenes weitre
Wehende Palmen im Abendſchimmer .
Gewohnt des Streitlaufs , trat die von Albion
Stolz in die Schranken , ſo wie ſie kam , da ſie
Einſt mit der Maonid’ , und jener
Vom Kapitol in den heiſſen Sand trat .
Sie ſah die junge bebende Streiterin ;
Doch dieſe bebte maͤnnlich , und gluͤhende
Siegswerthe Roͤthen uͤberſtroͤmten
Flammend die Wang’ , und ihr wehend Haar flog .
Schon hielt ſie muͤhſam in der empoͤrten Bruſt
Den engen Athem ; hing ſchon hervorgebeugt
Dem Ziele zu ; ſchon klang des Herolds
Silberton ihr , und ihr trunkner Blick ſchwamm .
Stolz
S tolz auf die Kuͤhne , ſtolzer auf ſich , bemaß
Die hohe Brittin , aber mit edlem Blick ,
Thuiskons Tochter : Ja bey Barden
Wuchs ich mit dir in dem Eichenhain auf ;
A llein ich glaubte , daß du geſtorben waͤrſt !
Verzeih , o Muſe , wenn du unſterblich biſt ,
Verzeih , daß ichs erſt jetzo lerne ;
Aber am Ziele nur will ichs lernen !
D ort ſteht es ! doch o ſiehſt du das weitere ,
Und ſeine Kron ’ auch ? dieſen gehaltnen Muth ,
Dieß ſtolze Schweigen , dieſen Blick , der
Feurig zur Erde ſich ſenkt , die kenn’ ich !
D och eh der Herold dir zu gefahrvoll toͤnt ,
Sinn’s nach noch Einmal . Bin es nicht ich , die ſchon
Mit der an Thermopyl geſtritten ?
Und mit der hohen der ſieben Huͤgel ?
S ie ſprachs . Der groſſe , richtende Augenblick
Kam mit dem Herold naͤher . Ich liebe dich !
Sprach ſchnell mit Flammenblick Teutona ,
Brittin , ich liebe dich mit Bewundrung !
D och dich nicht heiſſer , als die Unſterblichkeit ,
Und jene Palmen ! ruͤhre , dein Genius
Gebeut ers , ſie vor mir , doch faß’ ich ,
Wenn du ſie faſſeſt , dann gleich die Kron’ auch .
H 2 Und
U nd o ! wie beb’ ich ! o ihr Unſterblichen !
Vielleicht erreich’ ich fruͤher das hohe Ziel !
Dann mag , o dann , an meine leichte
Fliegende Locke , dein Athem hauchen !
D er Herold klang ! Sie flogen mit Adlereil .
Die weite Laufbahn ſtaͤubte , wie Wolken , auf .
Ich ſah : Vorbey der Eiche wehte
Dunkler der Staub , und mein Blick verlor ſie !
An
An Cidli .
Unerforſchter , als ſonſt etwas den Forſcher taͤuſcht ,
Iſt ein Herz , das die Lieb ’ empfand ,
Sie , die wirklicher Werth , nicht der vergaͤngliche
Unſers dichtenden Traums gebahr ,
Jene trunkene Luſt , wenn die erweinete ,
Faſt zu ſelige Stunde kommt ,
Die dem Liebenden ſagt , daß er geliebet wird !
Und zwo beſſere Seelen nun
Ganz , das erſtemal ganz , fuͤhlen , wie ſehr ſie ſind !
Und wie gluͤcklich ! wie aͤhnlich ſich !
Ach , wie gluͤcklich dadurch ! Wer der Geliebten ſpricht
Dieſe Liebe mit Worten aus ?
Wer mit Thraͤnen ? und wer mit dem verweilenden ,
Vollem Blick , und der Seele drinn ?
Selbſt das Trauren iſt ſuͤß , das ſie verkuͤndete ,
Eh die ſelige Stunde kam !
Wenn dieß Trauren umſonſt Eine verkuͤndete ;
O dann waͤhlte die Seele falſch ,
Und doch wuͤrdig ! Das webt keiner der Denker auf ,
Was vor Irren ſie damals ging !
Selbſt der kennt ſie nicht ganz , welcher ſie wandelte ,
Und verfehlt ſie nur weniger .
Leiſe redets darin : Weil du es wuͤrdig warſt ,
Daß du liebteſt , ſo lehrten wir
Dich die Liebe . Du kennſt alle Verwandlungen
Ihres maͤchtigen Zauberſtabs !
Ahm den Weiſen nun nach : Handle ! die Wiſſenſchaft ,
Sie nur , machte nie Gluͤckliche !
Ich gehorche . Das Thal , Eden nur ſchattete ,
Wie es ſchattet , der Lenz im Thal
Wei !t dich ! Luͤfte , wie die , welche die Himmliſchen
Sanft umathmen , umathmen dich !
H 3 Roſen
Roſen knoſpen dir auf , daß ſie mit ſuͤſſem Duft
Dich umſtroͤmen ! dort ſchlummerſt du !
Wach , ich werfe ſie dir leiſ’ in die Locken hin ,
Wach vom Thaue der Roſen auf .
Und … noch bebt mir mein Herz , lange daran verwoͤhnt ,
Und … o wache mir laͤchelnd auf !
An
An Cidli .
Zeit , Verkuͤndigerin der beſten Freuden ,
Nahe ſelige Zeit , dich in der Ferne
Auszuforſchen , vergoß ich
Truͤbender Thraͤnen zu viel !
Und doch kommſt du ! O dich , ja Engel ſenden ,
Engel ſenden dich mir , die Menſchen waren ,
Gleich mir liebten , nun lieben
Wie ein Unſterblicher liebt .
Auf den Fluͤgeln der Ruh , in Morgenluͤften ,
Hell vom Thaue des Tags , der hoͤher laͤchelt ,
Mit dem ewigen Fruͤhling ,
Kommſt du den Himmel herab .
Denn ſie fuͤhlet ſich ganz , und gießt Entzuͤckung
In dem Herzen empor die volle Seele ,
Wenn ſie , daß ſie geliebet wird ,
Trunken von Liebe , ſichs denkt !
H 4 Cidli.
Cidli .
Sie ſchlaͤft . O gieß ihr , Schlummer , gefluͤgeltes
Balſamiſch Leben uͤber ihr ſanftes Herz !
Aus Edens ungetruͤbter Quelle
Schoͤpfe die lichte , kryſtallne Tropfe !
Und laß ſie , wo der Wange die Roͤth ’ entfloh ,
Dort duftig hinthaun ! Und du , o beſſere ,
Der Tugend und der Liebe Ruhe ,
Grazie deines Olymps , bedecke
Mit deinem Fittig Cidli . Wie ſchlummert ſie ,
Wie ſtille ! Schweig , o leiſere Saite ſelbſt !
Es welket dir dein Lorberſproͤßling ,
Wenn aus dem Schlummer der Cidli liſpelſt !
An
An Gleim .
Der verkennet den Scherz , hat von den Grazien
Keine Mine belauſcht , der es nicht faſſen kann ,
Daß der Liebling der Freude
Nur mit Sokrates Freunden lacht .
Du verkenneſt ihn nicht , wenn du dem Abendſtern ,
Nach den Pflichten des Tags , ſchnellere Fluͤgel giebſt ,
Und dem Ernſte der Weisheit
Deine Blumen entgegen ſtreuſt .
Laß den Lacher , o Gleim , lauter dein Lied entweihn !
Deine Freunde verſtehns . Wenige kenneſt du ;
Und manch lesbiſches Maͤdchen
Straft des Liedes Entweihungen !
Lacht dem Juͤnglinge nicht , welcher den Flatterer
Zu buchſtaͤblich erklaͤrt ! weiß es , wie ſchoͤn ſie iſt !
Zuͤrnt ihn weiſer , und lehrt ihn ,
Wie ihr Laͤcheln , dein Lied verſtehn !
Nun verſteht ers ; ſie mehr . Aber ſo ſchoͤn ſie iſt ,
So empoͤrt auch ihr Herz deinem Geſange ſchlaͤgt :
O ſo kennt ſie doch Gleimen ,
Und ſein feuriges Herz nicht ganz !
H 5 Sei-
S einen brennenden Durſt , Freunden ein Freund zu ſeyn !
Wie er auf das Verdienſt deß , den er liebet , ſtolz ,
Edel ſtolz iſt , vom halben ,
Kaltem Lobe beleidiget !
L iebend , Liebe gebeut ! hier nur die zoͤgernde
Sanfte Maͤßigung haßt , oder , von Friederichs ,
Wenn , von Friederichs Preiſe !
Ihm die trunknere Lippe trieft ,
O hne Wuͤnſche nach Lohn ; aber auch unbelohnt !
Sprich nur wider dich ſelbſt edel , und ungerecht !
Dennoch beuget , o Gleim , dir
Ihren ſtolzeren Nacken nicht
D eutſchlands Muſe ! .. In Flug’ eilend zum hohen Ziel ,
Das mit heiligem Sproß Barden umſchatteten ,
Hin zum hoͤheren Ziele ,
Das der Himmliſchen Palm ’ umweht ,
S ang die Zuͤrnende mir ; toͤnend entſchluͤpfete
Mir die Leyer , als ich drohend die Prieſterin ,
Und mit fliegendem Haar ſah ,
Und entſcheidendem Ernſt ! ſie ſang :
L ern des innerſten Hains Ausſpruch , und lehre den
Jeden Guͤnſtling der Kunſt ; oder ich nehme dir
Deine Leyer , zerreiſſe
Ihre Nerven , und haſſe dich !
Wuͤr-
W uͤrdig war er , uns mehr , als dein begluͤckteſter
Freyheitshaſſer , o Rom , Octavian zu ſeyn !
Mehr als Ludewig , den uns
Sein Jahrhundert mit aufbewahrt .
S o verkuͤndiget’ ihn , als er noch Juͤngling war ,
Sein aufſteigender Geiſt ! Noch , da der Lorber ihm
Schon vom Blute der Schlacht trof ,
Und der Denker gepanzert ging ,
F loß der dichtriſche Quell Friedrich entgegen , ihm
Abzuwaſchen die Schlacht ! Aber er wandte ſich ,
Stroͤmt’ in Haine , wohin ihm
Heinrichs Saͤnger nicht folgen wird !
S agts der Nachwelt nicht an , daß er nicht achtete ,
Was er werth war , zu ſeyn ! Aber ſie hoͤrt es doch .
Sagts ihr traurig , und fodert
Ihre Soͤhne zu Richtern auf !
An
An Cidli .
Cidli , du weineſt , und ich ſchlummre ſicher ,
Wo im Sande der Weg verzogen fortſchleicht ;
Auch wenn ſtille Nacht ihn umſchattend decket ,
Schlummr’ ich ihn ſicher .
Wo er ſich endet , wo ein Strom das Meer wird ,
Gleit’ ich uͤber den Strom , der ſanfter aufſchwillt ;
Denn , der mich begleitet , der Gott gebots ihm !
Weine nicht , Cidli .
Der
Der Rheinwein .
Odu , der Traube Sohn , der im Golde blinkt ,
Den Freund , ſonſt Niemand , lad’ in die Kuͤhlung ein .
Wir drey ſind unſer werth , und jener
Deutſcheren Zeit , da du , edler Alter ,
Noch ungekeltert , aber ſchon feuriger
Dem Rheine zuhingſt , der dich mit auferzog ,
Und deiner heiſſen Berge Fuͤſſe
Sorgſam mit gruͤnlicher Woge kuͤhlte .
Jetzt , da dein Ruͤcken bald ein Jahrhundert traͤgt ,
Verdieneſt du es , daß man den hohen Geiſt
In dir verſtehen lern’ , und Catons
Ernſtere Tugend von dir entgluͤhe .
Der Schule Lehrer kennet des Thiers um ihn ,
Kennt aller Pflanzen Seele . Der Dichter weiß
So viel nicht ; aber ſeiner Roſe
Weibliche Seele , des Weines ſtaͤrkre ,
Den jene kraͤnzt , der floͤtenden Nachtigall
Erfindungsvolle Seele , die ſeinen Wein
Mit ihm beſingt , die kennt er beſſer ,
Als der Erweis , der von Folgen triefet .
Rhein-
R heinwein , von ihnen haſt du die edelſte ,
Und biſt es wuͤrdig , daß du des Deutſchen Geiſt
Nachahmſt ! biſt gluͤhend , nicht aufflammend ,
Taumellos , ſtark , und von leichtem Schaum leer .
D u dufteſt Balſam , wie mit der Abendluft
Der Wuͤrze Blume von dem Geſtade dampft ,
Daß ſelbſt der Kraͤmer die Geruͤche
Athmender trinkt , und nur gleitend fortſchift .
F reund ! laß die Laub’ uns ſchlieſſen ; der Lebensduft
Verſtroͤmet ſonſt , und etwa ein kluger Mann
Moͤcht ’ uns beſuchen , breit ſich ſetzen ,
Und von der Weisheit wohl gar mit ſprechen .
N un ſind wir ſicher . Engere Wiſſenſchaft ,
Den hellen Einfall , lehr uns des Alten Geiſt !
Die Sorgen ſoll er nicht vertreiben !
Haſt du geweinte , geliebte Sorgen ,
L aß mich mit dir ſie ſorgen . Ich weine mit ,
Wenn dir ein Freund ſtarb . Nenn ihn . So ſtarb er mir !
Das ſprach er noch ! Nun kam das letzte ,
Letzte Verſtummen ! nun lag er todt da !
V on allem Kummer , welcher des Sterblichen
Kurzſichtig Leben nervenlos niederwirft ,
Waͤrſt du , des Freundes Tod ! der truͤbſte ;
Waͤr ſie nicht auch die Geliebte ſterblich !
Doch
D och wenn dich , Juͤngling , andere Sorg ’ entflammt ,
Und dirs zu heiß wird , daß du der Barden Gang
Im Haine noch nicht gingſt , dein Name
Noch unerhoͤht mit der groſſen Fluth fleußt ;
S o red’ ! In Weisheit wandelt ſich Ehrbegier ,
Waͤhlt jene . Thorheit iſt es , ein kleines Ziel
Das wuͤrdigen , zum Ziel zu machen ,
Nach der unſterblichen Schelle laufen !
N och viel Verdienſt iſt uͤbrig . Auf , hab es nur ;
Die Welt wirds kennen . Aber das edelſte
Iſt Tugend ! Meiſterwerke werden
Sicher unſterblich ; die Tugend ſelten !
A llein ſie ſoll auch dieſer Unſterblichkeit
Nur wenig achten ! … Athme nun auf , und trink .
Wir wollen viel von groſſen Maͤnnern ,
Eh ſich der Schatten verlaͤngt , noch reden !
An
An Cidli .
Der Liebe Schmerzen , nicht der erwartenden
Noch ungeliebten , die Schmerzen nicht ,
Denn ich liebe , ſo liebte
Keiner ! ſo werd ich geliebt !
Die ſanftern Schmerzen , welche zum Wiederſehn
Hinblicken , welche zum Wiederſehn
Tief aufathmen , doch liſpelt
Stammelnde Freude mit auf !
Die Schmerzen wollt ich ſingen . Ich hoͤrte ſchon
Des Abſchieds Thraͤnen am Roſenbuſch
Weinen ! weinen der Thraͤnen
Stimme die Saiten herab !
Doch ſchnell verbot ich meinem zu leiſem Ohr
Zuruͤck zu horchen ! die Thraͤne ſchwieg ,
Und ſchon waren die Saiten
Klage zu ſingen verſtummt !
Denn ach , ich ſah dich ! trank die Vergeſſenheit
Der ſuͤſſen Taͤuſchung mit feurigem
Durſte ! Cidli , ich ſahe
Dich , du Geliebte ! dich Selbſt !
Wie ſtandſt du vor mir , Cidli , wie hing mein Herz
An deinem Herzen , Geliebtere ,
Als die Liebenden lieben !
O die ich ſuchet’ , und fand !
Drit-
Drittes Buch .
J Das
Das neue Jahrhundert .
Weht ſanft auf ihren Gruͤften , ihr Winde !
Und hat ein unwiſſender Arm
Ausgegraben den Staub der Patrioten ,
Verweht ihn nicht !
Veracht’ ihn , Leyer , wer ſie nicht ehrt !
Und ſtammt’ er auch aus altem Heldenſtamme , ver-
acht’ ihn !
Sie entriſſen uns der hundertkoͤpfigen Herrſchſucht .
Und gaben uns Einen Koͤnig !
O Freyheit !
Silberton dem Ohre !
Licht dem Verſtand , und hoher Flug zu denken !
Dem Herzen groß Gefuͤhl !
O Freyheit ! Freyheit ! nicht nur der Demokrat
Weiß , wer du biſt ,
Des guten Koͤnigs gluͤcklicher Sohn
Der weiß es auch .
Nicht allein fuͤr ein Vaterland ,
Wo das Geſetz , und Hunderte herſchen ,
Auch fuͤr ein Vaterland ,
Wo das Geſetz , und Einer herſcht ,
Erſteigt , wem dieſen Tod ſein groſſes Herz verdienk ,
Ein hohes Thermopylaͤ ,
Oder einen andern Altar des Ruhms ,
Und lockt ſein Haar , und ſtirbt !
J 2 Unſ
U nſterblichkeit dir !
Mit Biumenkraͤnzen umwindet
Die Muſe dein heiliges blutiges Haar !
Und weinet Mutterthranen dir nach !
S uͤß und ehrenvoll iſts , ſterben fuͤr das Vaterland !
Fuͤr Friederich !
Und fuͤr des groſſen Vaters
Gluͤckliche Kinder , ſein Volk !
I ch ſeh’ , ich ſeh’ , ein Geiſt der Patrioten
Entflammet der Krieger Schaar !
Du flieſſeſt , du flieſſeſt ,
Blut fuͤr das Vaterland !
N amen jetzt nicht bekannter , als andre Namen ſind ,
Fliegen wie Adler empor !
Die Mutter und die Braut troknen die bebende
Thraͤne ſchnell ,
Denn des Todten Verdienſt entweihten Thraͤnen !
A llein mit Weisheit , die maͤnnlicher ,
Mit Vaterliebe , die edler , als Muth zu kriegen , iſt ,
Haͤlt Friederich ſein Schwerdt zuruͤck .
Europa donnert ! er ſchweigt .
D ank dir ! unſer Vater ,
Daß wir dein Feſt , und unſer Feſt ,
Unter des ſegentriefenden Friedens
Beſchattenden Fittigen feyern !
Nicht
N icht mit der laͤrmenden Pracht
Der Freude , die nur ſchimmert , und toͤnt ,
Nein , deiner wuͤrdiger , Friederich ,
Mit tiefanbetendem Preiſe des Weltbeherrſchers ,
D er uns dich , und deine Vaͤter gab ,
Mit ſtiller Ruh feyern wir ,
Mit Freude tief im Herzen ,
Und ihrer entzuͤckenden Thraͤne !
E ntſchlafnes Jahrhundert !
Hebe dein niedergeſunkenes Haupt noch einmal empor ,
Und gib dem neuen Jahrhundert
Den Segen , den du hatteſt !
E s hebt aus ſeinem Grabe ſich auf ,
Und ſegnet :
Nur Friederich und Chriſtian
Sollen das neue Jahrhundert begluͤcken !
D as flehen wir , und unſre Kinder ,
Vorſehung an ! dich ,
Dich an , die jetzt die Voͤlker
Machtig erinnert , ſie herrſche !
H oͤrt ihr der Herrſcherin donnernde Wage nicht klingen ?
In ihren furchtbaren Klang
Schreyen Blut und Elend !
Nur wenige ſingen von Frieden darein !
J 3 Die
D ie donnerde Wage toͤnet fort , und waͤgt !
Ein Sandkorn mehr , jetzt in die Eine ,
Dann in die andere Schaale ,
Iſt Sieg voll Blut und Elend !
N och werden der Krieger Stolzeſte ſagen : Nicht deine
bruͤllende Tode
Schrecken mich , nicht deine Wetter , Schlacht !
Aber das Sinken und Steigen der goͤttlichen
Wagſchaal ,
Und ihr Todeston ſchrecken mich !
O Vorſehung , beſchleuß doch endlich ,
Endlich die blutigen
Wieder beſiegten Siege ,
Mit Einem , der Friede gebeut !
S o wollen unſer Vater , und wir ,
Er , daß er uns liebet !
Wir , daß wir ihn lieben !
Ohne Wehmuth uns freun !
W ie gluͤcklich ſind wir !
Weht uͤber der Patrioten Gebeinen , ihr Winde , ſanft !
Auch an Friedrichs ungehinderter Gnade
Haben ſie Theil !
O du , das uns mit jeder froͤhlichen Hofnung umlaͤchelt ,
Feſtliches erſtes Jahr !
Mit dem Fluͤgel der Sommermorgenroͤthe ,
Schwebſt du dem Tage voran !
Aga-
Aganippe und Phiala .
Wie der Rhein durchs hoͤhere Thal fern herkommt
Rauſchend , als kaͤm Wald und Felſen mit ihm ,
Hochwogig erhebt ſich ſein Strom ,
Wie das Weltmeer die Geſtade
Mit erhobner Woge beſtuͤrmt ! Als donnr’ er ,
Rauſchet der Strom , ſchaͤumet , ſtuͤrzt ſich herab
Ins Blumengefild , und im Fall
Wird er Silber , das empor ſtaͤubt .
So ertoͤnt , ſo ſtroͤmt der Geſang , Thuiskon ,
Deines Geſchlechts . Tief lags , Vater , und lang
In ſaͤumendem Schlaf , unerweckt
Von dem Aufſchwung und dem Tonfall
Des Apollo , wenn , der Poet Achaͤa’s ,
Phoͤbus Apoll Lorbern , und dem Eurot
Geſaͤnge des hoͤheren Flugs
In dem Lautmaaß der Natur ſang ,
J 4 Und
Der Quell des Jordans .
U nd den Hain ſie lehrt’ , und den Strom . Weit-
rauſchend
Hallteſt du’s ihm , Strom , nach ; Lorber , und du
Gelinde mit liſpelndem Wehn ,
Wie das Echo des Eurotas .
U nd Thuiskons Enkel entſprang tieftraͤumend ,
Eiſerner Schlaf , dir nicht … eiſerner Schlaf !
Dir nicht , und erhabner erſcholl
Aus den Palmen um Phiala
D och ihm auch Prophetengeſang ! Kaum ſtammelnd
Hoͤrt’ er ihn ſchon ! Fruh ſang , ſelber entflammt ,
Die Mutter dem Knaben ihn vor ,
Und dem Juͤngling , daß er ſtaunte !
M it dem Schilfmeer brauſt’ er ! erſcholl vom Griſim ,
Donnert’ am Bach Kiſon , toͤnt’ auf der Hoͤh
Moria , daß laut von dem Pſalm
Vom Hoſanna ſie erbebte !
A n dem Rebenhuͤgel , ergoß die Klage
Sulamiths ſich , Wehmuth , uͤber dem Graun
Des Tempels in Truͤmmern , der Stadt
In der Huͤlle des Entſetzens !
Kai-
Kaiſer Heinrich .
Laß unſre Fuͤrſten ſchlummern in ſanftem Stuhl ,
Vom Hoͤfling rings umraͤuchert , und unberuͤhmt ,
So jetzo , und im Marmorſarge
Einſt noch vergeßner , und unberuͤhmter !
Frag nicht des Tempels Halle , ſie nennte dir
Mit goldnem Munde Namen , die keiner kennt ;
Bey dieſen unbekraͤnzten Graͤbern
Mag der Heralde , ſich wundernd , weilen !
Laß dann , und jetzt ſie ſchlummern ! Es ſchlummert ja
Mit ihnen der ſelbſt , welcher die blutigen
Siegswerthen Schlachten ſchlug , zufrieden ,
Daß er um Galliens Lorbern irrte .
Zur Wolke ſteigen , rauſchen wie Leyerklang
Der deutſchen Dichter Haine , Begeiſterer
Wehn nah am Himmel ſie . Ihr ſelbſt auch
Fremdling , durchdrang er die Lorberhoͤh nicht .
J 5 Schnell
S chnell Fluß , und Strom ſchnell , ſtuͤrzen , am Ei-
chenſtamm ,
In deinem Schatten , Palme , die Quellen fort .
Nicht mit der Rechte ſchoͤpft der Dichter ,
Feuriger , leckt er die Silberquellen !
W er ſind die Seelen , die in der Haine Nacht
Herſchweben ? Ließt ihr , Helden , der Todten Thal ?
Und kamt ihr , eurer ſpaͤten Enkel
Rachegeſang an uns ſelbſt zu hoͤren ?
D enn ach wir ſaͤumten ! Jetzo erſchrecket uns
Der Adler keiner uͤber der Wolkenbahn .
Des Griechen Flug nur iſt uns fuͤrchtbar ,
Aber die Religion erhoͤht uns
W eit uͤber Hoͤmus , und , Aganippe , dich !
Poſaun’ , und Harfe toͤnen , wenn ſie beſeelt ;
Und tragiſcher , wenn ſie ihn leitet ,
Hebet , o Sophokles , dein Kothurn ſich .
U nd wer iſt Pindar gegen dich , Bethlems Sohn ,
Du Hirt , und o du Sieger des Dagonit ,
O Iſaͤide , Saͤnger Gottes ,
Der den Unendlichen ſingen konnte !
H oͤrt uns , o Schatten ! Himmelan ſteigen wir
Mit Kuͤhnheit . Urtheil blickt ſie , und kennt den Flug .
Das Maaß in ſichrer Hand , beſtimmen
Wir den Gedanken , und ſeine Bilder .
Biſt
B iſt du , der Erſte , nicht der Eroberer
Am leichenvollen Fluß ? und der Dichter Freund ?
Ja , du biſt Karl ! … Verſchwind , o Schatten ,
Welcher uns mordend zu Chriſten machte ! …
T rit , Barbaroſſa , hoͤher als er empor .
Dein iſt des Vorfahrs edler Geſang ! Denn Karl
Ließ , ach umſonſt , der Barden Kriegshorn
Toͤnen dem Auge . Sie liegt verkennet
I n Nachtgewoͤlben unter der Erde wo
Der Moͤncheinoͤden , klaget nach uns herauf
Die farbenhelle Schrift , geſchrieben ,
Wie es erfand , der zuerſt dem Schall gab
I n Hermanns Vaterlande Geſtalt , und gab
Altdeutſchen Thaten Rettung vom Untergang !
Bey Truͤmmern liegt die Schrift , des ſtolzen
Franken Erfindung , und bald in Truͤmmern ,
U nd ruft , und ſchuͤttelt , hoͤrſt du es , Cellner , nicht ?
Die goldnen Buckeln , ſchlaͤgt an des Bandes Schild
Mit Zorn ! Den , der ſie hoͤret , nenn’ ich
Dankend dem froheren Widerhalle !
Du
Karl der Groſſe , der ſich bisweilen
auch mit Erfindung neuer Alphabete beſchaͤftigte ,
ließ die Lieder der Barden , die man bisher nur durch
muͤndliche Ueberlieferung gekannt hatte , zuerſt
aufſchreiben . Der engliſche Geſchichtſchreiber Paris
hat noch Handſchriften dieſer Lieder geſehn .
D u ſangeſt ſelbſt , o Heinrich : Mir ſind das Reich
Und unterthan die Lande , doch mißt’ ich eh
Die Kron’ , als Sie ! erwaͤhlte beydes
Acht mir und Bann , eh ich ſie verloͤre !
W enn jetzt du lebteſt , edelſter deines Volks ,
Und Kaiſer ! wuͤrdeſt du , bey der Deutſchen Streit
Mit Hoͤmus Dichtern , und mit jenen
Vom Kapitol , unerwecklich ſchlummern ?
D u ſaͤngeſt ſelber , Heinrich : Mir dient , wer blinkt
Mit Pflugſchar , oder Lanze , doch mißt’ ich eh
Die Kron’ , als Muſe , dich ! und euch , ihr
Ehren , die laͤnger , als Kronen ſchmuͤcken !
Die
Die Zukunft .
Himmliſcher Ohr hoͤrt das Getoͤn der bewegten
Sterne ; den Gang , den Seleno und Pleione
Donnern , kennt es , und freut hinhoͤrend
Sich des gefluͤgelten Halls ,
Wenn des Planets Pole ſich drehn , und im Kreislauf
Walzen , und wenn , die im Glanze ſich verbargen ,
Um ſich ſelber ſich drehn ! Sturmwinde
Rauſchen , und Meere dann her !
Heſperus Meer , Meere des Monds , und der
Erd’ , ihr
Sanfter , allein wie erhebt ſichs im Bootes ,
O wie thuͤrmt es empor ! Hochwogig
Donnerts am Felſengeſtad !
Lauter noch ſchwebt dort der Altar , und die goldne
Koͤnigin dort , mit dem Palmzweig in der Rechte !
Lauter ſchwingt ſich der Schwan , und lauter
Wehet die Roſe daher .
Pſalmen-
P ſalmengeſang toͤnet darein ! Die erhabnen
Feyrer am Thron , die Gerechten und Vollkomm-
nen
Singen Jubel und Preis ! Anbetung !
Danken , ſie koͤnnen es , Gott !
A hndung in mir , dunkles Gefuͤhl der Entzuͤckung ,
Welche den Staub an dem Staub einſt unaus-
ſprechlich
Troͤſten ſoll , o Gefuͤhl , Weiſſager
Inniger ewiger Ruh ,
L iſpel , entflohn jenem Geſang der entflammten
Soͤhne des Heils , o , beſuch oft die beladnen
Erdewanderer , komm mildthaͤtig ,
Trockne des Weinenden Blick !
S trahlendes Heer , Welten ! iſt auch ein Erſchaffner
Irgendwo noch , wie der Menſch , ſchwach ? Es er-
ſchreckt uns
Unſer Retter , der Tod ! Sanft kommt er
Leiſ’ in Gewoͤlke des Schlafs ;
A ber er bleibt fuͤrchterlich uns , und wir ſehn nur
Nieder ins Grab , ob er gleich uns zur Vollendung
Fuͤhrt , aus Huͤllen der Nacht hinuͤber
Nach der Erkenntniſſe Land !
Von
V on der Geduld ſteinigem Pfad’ in ein heitres
Wonnegefild ! Zur Geſellſchaft der Vollkommnen !
Aus dem Leben , das bald durch Felſen
Zoͤgernder flieſſet , und bald
F luͤchtiger da , wo , zu verbluͤhn , die bekraͤnzten
Fruͤhling ’ ihr Haupt in des Thaus Glanz und
Geruͤchen
Schimmernd heben ; es ſpiel’ hinunter ,
Oder es ſaͤume , Geſchwaͤtz !
Siona.
Siona .
Toͤne mir , Harfe des Palmenhains ,
Der Lieder Geſpielin , die David ſang !
Es erhebt ſteigender ſich Sions Lied ,
Wie des Quells , welcher des Hufs Stampfen
entſcholl .
Hoͤher in Wolken . , o Palmenhain ,
Erblickſt du das Thal , wie der Lorberwald !
Und entſenkſt Schatten , herab auf den Wald ,
Dem Gewoͤlk , welches dich deckt , Palme , mit
Glanz .
Tanze , Siona , Triumph einher !
Am Silbergeliſpel Phiala trit
Sie hervor ! ſchwebet in Tanz ! fuͤhlts , wie du
Sie erhebſt , Religion deſſen , der iſt !
Seyn wird ! und war ! Der Erhabnen weht
Sanft Rauſchen vom Wipfel der Palme nach .
An dem Fall , welchen du toͤnſt , reiner Quell
Des Kryſtals , rufen ihr nach Berge Triumph !
Feuri-
F euriger blickt ſie ! Ihr Haupt umkraͤnzt
Die Roſe Sarona , des Blumenthals .
Ihr Gewand flieſt , wie Gewoͤlk , ſanft um ſie ,
Wie des Tags Fruͤhe gefaͤrbt , Purpur und Gold .
L iebevoll ſchauet , o Sulamith
Siona , mein Blick dir , und freudig nach !
Es erfuͤllt Wehmuth und Ruh , Wonn’ erfuͤllt
Mir das Herz , wenn du dein Lied , Himm-
liſche , ſingſt .
H oͤrt ihr ? Siona begint ! Schon rauſcht
Der heilige Hain von dem Harfenlaut !
Des Kryſtalls Quelle vernimmts , horcht , und ſteht ;
Denn es wehn Liſpel im Hain rings um ſie her .
A ber itzt ſtuͤrzt ſie die Well ’ herab
Mit freudiget Eil ! Denn Siona nimmt
Die Poſaun’ , haͤlt ſie empor , laͤßt ſie laut
Im Gebirg’ hallen ! und ruft Donner ins Thal !
K Der
Der Nachahmer .
Schrecket noch andrer Geſang dich , o Sohn Teutons ,
Als Griechengeſang ; ſo gehoͤren dir Hermann ,
Luther nicht an , Leibniz , jene nicht an ,
Welche des Hains Weihe verbarg ,
Barde , ſo biſt du kein Deutſcher ! ein Nachahmer
Belaſtet vom Joche , verkennſt du dich ſelber !
Keines Geſang ward dir Marathons Schlacht !
Naͤcht’ ohne Schlaf hatteſt du nie !
Spon-
Sponda .
Der Deutſchen Dichter Hainen entweht
Der Geſang Alcaͤus und des Homer .
Deinen Gang auf dem Kothurn , Sophokles ,
Meidet , und geht Jambanapaͤſt .
Viel hats der Reize , Cynthius Tanz
Zu ereilen , und der Hoͤrer belohnts ;
Dennoch hielt lieber den Reihn Teutons Volk ,
Welchen voran Bragor einſt flog .
Doch ach verſtummt in ewiger Nacht
Iſt Bardiet ! und Skofliod ! und verhallt
Euer Schall , Telyn ! Triomb ! Hochgeſang ,
Deinem ſogar klagen wir nach !
O Sponda ! rufet nun in dem Hain
Des ruinentflohnen Griechen Gefaͤhrt ,
Sponda ! dich ſuch’ ich zu oft , ach ! umfonſt ;
Horche nach dir , finde dich nicht !
K 2 Wo,
in der Sprache der Angeln und Sachſen
das Lied des Dichters , noch ohne Muſik , Sang-
gliod , mit Muſik .
Trompete , nach einem ſehr alten Glof-
ſarium .
Hymnus , zu Otfrieds Zeiten .
W o , Echo , wallt ihr toͤnender Schritt ?
Und in welche Grott ’ entfuͤhrteſt du ſie ,
Sprache , mir ? Echo , du rufſt ſanft mir nach ,
Aber auch dich hoͤret ſie nicht .
E s draͤngten alle Genien ſich
Der entzuͤckten Harmonie um ihn her .
Riefen auch , klagten mit ihm , aber Stolz
Funkelt’ im Blick einiger auch .
E rhaben trat der Daktylos her :
Bin ich Herſcher nicht im Liede Maͤoons ?
Rufe denn Sponda nicht ſtets , bilde mich
Oft zu Homers fliegendem Hall .
U nd hoͤrte nicht Choreos dich ſtets ?
Hat er oft nicht Sponda’s ſchwebenden Gang ?
Geht ſie denn , Kretikos toͤnt’s , meinen Gang ?
Dir , Choriamb , weich’ ich allein !
D a ſang der Laute Silbergeſang
Choriambos : Ich bin Smintheus Apolls
Liebling ! mich lehrte ſein Lied Hain und Strom ,
Mich , da es flog nach dem Olymp .
E rkohr nicht Smintheus Pindarus mich
Anapaͤſt , da er der Saite Getoͤn
Liſpeln ließ ? Jambos , Apolls alter Freund ,
Hielt ſich nicht mehr , zuͤrnt’ , und begann .
Und
U nd geh nicht ich den Gang des Kothurns ?
Wo … Baccheos ſchritt in lyriſchem Tanz :
Stolze , ſchweigt ! Ha , Choriamb , toͤnteſt du ,
Daktylos , du , toͤnt’ ich nicht mit ?
M it leichter Wendung eilten daher
Didymaͤos , und Paͤone daher :
Floͤge Thyrſ ’ und Dithyramb ſchnell genung ,
Riſſen ihn nicht wir mit uns fort .
A ch , Sponda ! rief der Dichter , und hieß
In den Hain nach ihr Pyrrhichios gehn .
Fluͤchtig ſprang , ſchluͤpft’ er dahin ! Alſo wehn
Bluͤthen im May Weſte dahin .
D enn , Sponda , du begleiteſt ihn auch
Der Bardiete vaterlaͤndiſchen Reihn ,
Wenn ihn mir treffend der Fels toͤnt’ , und mich
Nicht die Geſtalt taͤuſchte , die ſang .
K 3 Thuis-
Thuiskon .
Wenn die Strahlen vor der Daͤmmrung nun entfliehn ,
und der Abendſtern
Die ſanfteren , entwoͤlkten , die erfriſchenden Schim̃er nun
Nieder zu dem Haine der Barden ſenkt ,
Und melodiſch in dem Hain die Quell’ ihm ertoͤnt ;
So entſenket die Erſcheinung des Thuiskon , wie Sil-
ber ſtaͤubt
Von fallendem Gewaͤſſer , ſich dem Himmel , und
kommt zu euch ,
Dichter , und zur Quelle . Die Eiche weht
Ihm Geliſpel . So erklang der Schwan Venuſin
Da verwandelt er dahin flog . Und Thuiskon ver-
nimmts , und ſchwebt
In wehendem Geraͤuſche des begruͤſſenden Hains ,
und horcht ;
Aber nun empfangen , mit lauterm Gruß ,
Mit der Sait’ ihm und Geſang , die Enkel um ihn .
Melodieen , wie der Leyer in Walhalla , ertoͤnen ihm
Des wechſelnden , des kuͤhneren , des deutſcheren Odeflugs ,
Welcher , wie der Adler zur Wolk’ itzt ſteigt ,
Dann herunter zu der Eiche Wipfel ſich ſenkt .
Der
Der Eislauf .
Vergraben iſt in ewige Nacht
Der Erfinder groſſer Name zu oft !
Was ihr Geiſt gruͤbelnd entdeckt , nutzen wir ;
Aber belohnt Ehre ſie auch ?
Wer nannte dir den kuͤhneren Mann ,
Der zuerſt am Maſte Segel erhob ?
Ach ! verging ſelber der Ruhm deſſen nicht ;
Welcher dem Fuß Fluͤgel erfand ?
Und ſollte der unſterblich nicht ſeyn ,
Der Geſundheit uns und Freuden erfand ,
Die das Roß muthig im Lauf niemals gab ;
Welche der Ball ſelber nicht hat ?
Unſterblich iſt mein Name dereinſt !
Ich erfinde noch dem ſchluͤpfenden Stahl
Seinen Tanz ! Leichteren Schwungs fliegt er hin
Kreiſet umher , ſchoͤner zu ſehn .
Du nenneſt jeden reizenden Ton
Der Muſik , drum gieb dem Tanz Melodie !
Mond , und Wald hoͤre den Schall ihres Horns
Wenn ſie des Flugs Eile gebeut .
K 4 O
O Juͤngling , der den Waſſerkothurn
Zu beſeelen weiß , und fluͤchtiger tanzt ,
Laß der Stadt ihren Kamin ! Komm mit mir ,
Wo des Kryſtalls Ebne dir winkt !
S ein Licht hat er in Duͤfte gehuͤllt ,
Wie erhellt des Winters werdender Tag
Sanft den See ! Glaͤnzenden Reif , Sternen gleich ,
Streute die Nacht uͤber ihn aus !
W ie ſchweigt um uns das weiſſe Gefild !
Wie ertoͤnt vom jungem Froſte die Bahn !
Fern verraͤth deines Kothurns Schall dich mir ,
Wenn du dem Blick , Fluͤchtling , enteilſt .
W ir haben doch zum Schmauſe genung
Von des Halmes Frucht ? und Freuden des Weins ?
Winterluft reizt die Begier nach dem Mahl ;
Fluͤgel am Fuß reizen ſie mehr !
Z ur Linken wende du dich , ich will
Zu der Rechten hin halbkreiſend mich drehn .
Nimm den Schwung , wie du mich ihn nehmen
ſiehſt .
Alſo ! nun fleug ſchnell mir vorbey !
S o gehen wir den ſchlaͤngelnden Gang
An dem langen Ufer ſchwebend hinab .
Kuͤnſtle nicht ! Stellung , wie die , lieb’ ich nicht ,
Zeichnet dir auch Preisler nicht nach .
Was
W as horchſt du nach der Inſel hinauf ?
Unerfahrne Laͤufer toͤnen dort her !
Huf’ und Laſt gingen noch nicht uͤbers Eis ,
Netze noch nicht unter ihm fort .
S onſt ſpaͤht dein Ohr ja alles , vernimm
Wie der Todeston wehklagt auf der Flut !
O , wie toͤnts anders ! wie hallts , wenn der Froſt
Meilen hinab ſpaltet den See !
Z uruͤck ! Laß nicht die ſchimmernde Bahn
Dich verfuͤhren , weg vom Ufer zu gehn !
Denn wo dort Tiefen ſie deckt , ſtroͤmts vielleicht ,
Sprudeln vielleicht Quellen empor .
D en ungehoͤrten Wogen entſtroͤmt ,
Dem geheimen Quell entrieſelt der Tod !
Glittſt du auch leicht , wie dieß Laub , ach ! dorthin ;
Saͤnkeſt du doch , Juͤngling , und ſtuͤrbſt !
K 5 Der
Der Juͤngling .
Schweigend ſahe der May die bekraͤnzte
Leicht wehende Lock’ im Silberbach ;
Roͤthlich war ſein Kranz , wie des Aufgangs ,
Er ſah ſich , und laͤchelte ſanft .
Wuͤthend kam ein Orcan am Gebirg ’ her !
Die Eſche , die Tann’ , und Eiche brach ,
Und mit Felſen ſtuͤrzte der Ahorn
Vom bebenden Haupt des Gebirgs .
Ruhig ſchlummert’ am Bache der May ein ,
Ließ raſen den lauten Donnerſturm !
Lauſcht’ , und ſchlief , beweht von der Bluͤthe ,
Und wachte mit Heſperus auf .
Jetzo fuͤhlſt du noch nichts von dem Elend ,
Wie Grazien lacht das Leben dir .
Auf ! und wafne dich mit der Weisheit !
Denn , Juͤngling , die Blume verbluͤht !
Die
Die fruͤhen Graͤber .
Willkommen , o ſilberner Mond ,
Schoͤner , ſtiller Gefaͤhrt der Nacht !
Du entfliehſt ? Eile nicht , bleib , Gedankenfreund !
Sehet , er bleibt , das Gewoͤlk wallte nur hin .
Des Mayes Erwachen iſt nur
Schoͤner noch , wie die Sommernacht ,
Wenn ihm Thau , hell wie Licht , aus der Locke
traͤuft ,
Und zu dem Huͤgel herauf roͤthlich er koͤmmt .
Ihr Edleren , ach es bewaͤchſt
Eure Maale ſchon ernſtes Moos !
O wie war gluͤcklich ich , als ich noch mit euch
Sahe ſich roͤthen den Tag , ſchimmern die
Nacht .
Schlacht-
Schlachtgeſang .
Wie erſcholl der Gang des lauten Heers
Von dem Gebirg in das Thal herab ,
Da zu dem Angriff bey dem Waldſtrom das
Kriegslied
Zu der vertilgenden Schlacht und dem Siege
den Befehl rief !
Mit herab zu groſſer Thaten Ernſt !
Zu der unſterblichen Rettung Ruhm !
Die am Gebirg uns bey dem Strom ſtolz er-
warten ,
Und im Gefilde der Schlacht mit dem Donne :
in dem Arm ſtehn ,
O Tyrannenknechte ſind ſie nur !
Und vor dem Drohn des geſenkten Stahls ,
Vor dem Herannahn , und dem Ausſpruch der
Freyen ,
Die ſich dem Tode gelaſſener heiligen , ent-
fliehn ſie !
Braga.
Braga .
Saͤumſt du noch immer an der Waldung auf dem
Heerd’ , und ſchlaͤfſt
Scheinbar denkend ein ? Wecket dich der ſilberne
Reif
Des Decembers , o du Zaͤrtling ! nicht auf ?
Noch die Geſtirne des kryſtallnen Sees ?
Lachend erblick’ ich dich am Feuer , in des Wolfes
Pelz ,
Blutig noch vom Pfeil , welcher dem entſcheidenden
Blick ,
In die Seite des Eroberers ſchnell
Folgte , daß nieder in den Strauch er ſank .
Auf denn , erwache ! Der December hat noch nie ſo
ſchoͤn ,
Nie ſo ſanft , wie Heut , uͤber dem Gefilde geſtrahlt !
Und die Blume von dem nachtlichen Froſt
Bluͤhte noch niemals , wenn es tagte , ſo !
Neide mich ! ſchon , von dem Gefuͤhle der Geſund-
heit froh ,
Hab ich , weit hinab , weiß an dem Geſtade gemacht
Den bedeckenden Kryſtall , und geſchwebt
Eilend , als ſaͤnge der Bardiet den Tanz .
Unter
U nter dem fluͤchtigerem Fuſſe , vom geſchaͤrften Stahl
Leicht getragen , ſcholl ſchnelleres Getoͤne der Bahn !
Auf den Mooſen in dem gruͤnlichen See ,
Floh mit voruͤber , wie ich floh , mein Bild .
A ber nun wandelt’ an dem Himmel der erhabne Mond
Wolkenlos herauf , nahte die Begeiſtrung mit ihm ,
O wie trunken von dem Mimer ! Ich ſah
Fern in den Schatten an dem Dichterhain
B raga ! Es toͤnet’ an der Schulter ihm kein Koͤcher
nicht ,
Aber unterm Fuß toͤnete , wie Silber , der Stahl ,
Da gewandt er aus der Nacht in den Glanz
Schwebt’ , und nur leiſe den Kryſtall betrat .
S ing , es umkraͤnzete die Schlaͤfen ihm der Eiche
Laub !
Sings , o Bardengeſang , ſchimmernder bereifet war
ihm
Der beſchattende glaſoriſche Kranz !
Golden ſein Haar , und wie der Kranz bereift !
F eurig beſeelet er die Saiten , und der Felſen lernts ,
Denn die Telyn ſcholl ! Tapfere belohnte ſein Lied ,
Und den Weiſen ! von den Ehren Walhalls
Rauſcht’ es in freudigerem Strophengang .
H a , wie ſie blutet’ , und den Adler aus der Wolke rief
Meine Lanze ! … Sangs , ſchwebte voruͤber den Tanz
Des Bardiets wie in Orkanen , izt ſchnell
Langſamer jetzo , mit gehaltnem Schwung .
Schla-
S chlaget , ihr Adler , mit den Fittigen , und kommt
zum Mahl !
Trinket warmes Blut ! … ſchwebete den Tanz
des Bardiets
In dem ſchimmernden Geduͤfte ! So ſchoͤn
Schwang ſich Apollo Patareus nicht her !
L eichtere Spiele der Bewegungen begann er jezt ,
Leichtern Bardenton : Lehre , was ich ſinge , den
Hain !
An dem Hebrus , wie der Grieche das traͤumt ,
Ueber der Woge von Kryſtall erfand
D ieſe Befluͤglungen des Stahles , der den Sturm
ereilt ,
Thrazens Orpheus nicht ! eilete damit auf dem
Strom
Zu Euridice nicht hin ! Walhalla’s
Saͤnger , umdraͤnget von Enherion ,
I ch , der Begeiſterer des Barden und des Skalden ,
ich ,
Toͤn’ es , Telyn , laut ! hoͤr’ es du am Hebrus !
erfand ,
Vor der Lanz’ und vor dem Sturme vorbey
Siegend zu ſchweben ! Und den ſchoͤnen Sohn
Siphia
Die Helden in Walhall .
S iphia lehrt’ ich es ! Wie blinken ihm ſein Fuß und
Pfeil !
Lehrts Tialf , dem nie einer in dem Laufe voran ,
Wie des Zaubernden beſeeltes Phantom ,
Toͤnte ! Da roͤthete der Zorn Tialf !
L ehrt’ es den tapferſten der Koͤnige des hohen Nord ;
Dennoch floh vor ihm Ruſſiens Eliſſif ! Haͤtt ihn
Denn geflohen der Unſterblichen Stolz ,
Noſſa denn , Thoͤrinn ? … Er entſchwebt ,
ſein Kranz
R auſcht wie von Weſten , und es wehet ihm ſein
goldnes Haar !
Seiner Ferſe Klang fernte ſich hinab am Gebirg ,
Bis er endlich in der Duͤfte Gewoͤlk
Unter dem Hange des Gebirgs verſchwand .
Die
Uller .
Thorrs Begleiter , der mit dem Geiſte des
Rieſen einen Wettlauf hielt .
In Harolds Liede ſteht : Ich
bin ein Krieger , mein Roß zu zaͤhmen iſt mir
ein Spiel , ich ſchwimme , ich laufe auf Schritt-
ſchuhn , ich werfe die Lanze ; und das ruſſi-
ſche Maͤdchen liebt mich nicht !
Eine Untergoͤttinn , die ſchoͤnſte aller Goͤt-
tinnen . Wenn die Barden und Skalden den
Begriff von Anmuth und Reitz erhoͤhn woll-
ten ; ſo nannten ſie Noſſa .
Die Sommernacht .
Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
In die Waͤlder ſich ergießt , und Geruͤche
Mit den Duͤften von der Linde
In den Kuͤhlungen wehn ;
So umſchatten mich Gedanken an das Grab
Der Geliebten , und ich ſeh in dem Walde
Nur es daͤmmern , und es weht mir
Von der Bluͤthe nicht her .
Ich genoß einſt , o ihr Todten , es mit euch !
Wie umwehten uns der Duft und die Kuͤhlung ,
Wie verſchoͤnt warſt von dem Monde ,
Du o ſchoͤne Natur !
L Skulda.
Skulda .
Ich lernt’ es im innerſten Hain ,
Welche Lieder der Barden ah !
In die Nacht deines Thals ſinken , Untergang ,
Welch auf den Hoͤhen der Tag bleibend um-
ſtrahlt .
Ich ſahe , noch beb ’ ich davor !
Sah der richtenden Norne Wink !
Ich vernahm , hoͤr’ ihn noch ! ihres Fluges Schlag ,
Daß bis hinauf in des Hains Wipfel es ſcholl !
Gekuͤhlt von dem wehenden Quell
Saß , und hatt’ auf die Telyn ſanft
Sich gelehnt Braga . Jezt brachte Geiſter ihm ,
Die ſie , in Naͤchten des Monds , Liedern ent-
lockt ,
Die Norne Werandi , und ſie
Hatt’ in Leiber gehuͤllt , die ganz
Fuͤr den Geiſt waren , ganz jeden leiſen Zug
Sprachen , Gebilder , als waͤrs wahre Geſtalt ;
Zehn
Untergoͤttinnen , Skulda , der Zukunft ,
Werandi , der gegenwaͤrtigen Zeit .
Z ehn neue . Sie kamen . Nur Eins
Hatte Minen der Ewigkeit !
Vom Gefuͤhl ſeines Werths ſchoͤn erroͤthend ! voll
Reize des Juͤnglings , und voll Staͤrke des
Manns !
M it Furchtſamkeit trat es herzu ,
Als es ſtehen die Norne ſah ,
Die allein nach des Tags fernen Huͤgeln fuͤhrt ,
Oder hinab , wo die Nacht ewig bewoͤlkt .
N achdenkender breitete ſchon
Skulda ſchattende Fluͤgel aus ;
Doch es ſank nieder noch ihr der Eichenſtab ,
Deſſen entſcheidender Wink Thoren nicht warnt .
D ie Neune betraten den Hain
Stolz , und horchten mit trunknem Ohr
Dem Geſchwaͤtz , welches laut Stimmenſchwaͤrme
ſchrien ,
Und von dem wankendem Stuhl Richter am
Thal .
S ie ſchreckte das Laͤcheln im Blick
Skulda’s nicht , und ſie ſchlummerten
Noch getaͤuſcht , ahndungsfrey auf den Kraͤnzen
ein ,
Welche jetzt gruͤnen ihr Traum , welken nicht
ſah .
L 2 Ah
A h Norne ! … Sie hub ſich in Flug ,
Schwebt’ , und wies mit dem ernſten Stab
In das Thal ! Taumellos endlich , ſchlichen ſie
Kuͤrzeren , laͤngeren Weg , aber hinab !
D em Einen nur wandte ſie ſich
Nach den ſchimmernden Huͤgeln hin !
Es entfloß Lautenklang ihrer Fluͤgel Schwung ,
Da ſie ſich wandt’ , und der Stab Ewigkeit
wies !
Sel-
Selmar und Selma .
Weine du nicht , o die ich innig liebe ,
Daß ein trauriger Tag von dir mich ſcheidet !
Wenn nun wieder Heſperus dir dort laͤchelt ,
Komm’ , ich Gluͤcklicher , wieder !
Aber in dunkler Nacht erſteigſt du Felſen ,
Schwebſt in taͤuſchender dunkler Nacht auf Waſſern !
Theilt’ ich nur mit dir die Gefahr zu ſterben ;
Wuͤrd , ich Gluͤckliche , weinen ?
L 3 Der
Der Bach .
Bekraͤnzt mein Haar , o Blumen des Hains ,
Die am Schattenbach des luftigen Quells
Noſſa’s Hand ſorgſam erzog , Braga mir
Brachte , bekraͤnzt , Blumen , mein Haar !
Es wendet nach dem Strome des Quells
Sich der Lautenklang des wehenden Bachs .
Tief , und ſtill ſtroͤmet der Strom ; tonbeſeelt
Rauſchet der Bach neben ihm fort .
Wohllaut gefaͤllt , Bewegung noch mehr ;
Zur Geſpielin gab dem Herzen ich ſie .
Dieſem ſaͤumt , eilet ſie nach ; Bildern folgt ,
Leiſeren Tritts , ferne ſie nur .
Mir gab Siona Sulamith ſchon
An der Palmenhoͤh den roͤthlichen Kranz
Sarons . Ihr weiht’ ich zuerſt jenen Flug ,
Der in dem Chor kuͤhn ſich erhebt .
Nun
N un rufet ſeinen Reihen durch mich
In der Eiche Schatten Braga zuruͤck .
Huͤllte nicht daurende Nacht Lieder ein ,
Lyriſchen Flug , welchem die Hoͤhn
D es Lorberhuͤgels horchten ; o ſchlief
In der Truͤmmer Graun Alcaͤus nicht ſelbſt :
Ruͤhmt’ ich mich kuͤhneren Schwungs ! toͤnte , ſtolz
Ruͤhmt ’ ichs , uns mehr Wendung fuͤrs Herz ,
A ls Tempe’s Hirt vom Felſen vernahm !
Und der Kaͤmpfer Schaar am Fuß des Olymp !
Als mit Tanz Sparta zur Schlacht eilend ! Zevs
Aus des Altars hohem Gewoͤlk !
D er groſſe Saͤnger Oſſian folgt
Dem Getoͤn des vollen Baches nicht ſtets !
Ferne , zaͤhlt Galliens Lied Laute nur ;
Zwiſchen der Zahl , ſchwankt und dem Maaß
D er Britte ; ſelbſt Hesperinn ſchlaͤft !
O ſie wecke nie die Sait’ und das Horn
Braga’s auf ! Floͤgen ſie einſt deinen Flug
Schwan des Glaſoor , neidet’ ich ſie !
N achahmer , wie Nachahmer nicht ſind ,
Du erweckteſt ſelbſt , o Flaccus , ſie nicht !
Graue Zeit waͤhret ’ ihr Schlaf ! O , er waͤhrt
Immer , und ich neide ſie nie !
L 4 Schon
S chon lange maß der Dichter des Rheins
Das Getoͤn des ſtarken Liedes dem Ohr ;
Doch mit Nacht decket ’ Allhend ihm ſein Maaß ,
Daß er des Stabs Ende nur ſah .
I ch hab’ ihn heller blitzen geſehn
Den erhabnen , goldnen , lyriſchen Stab !
Kraͤnze du , roͤthlicher Kranz Sarons , mich !
Winde dich durch , Blume des Hains .
Wir
Bey unſern Alten volle Harmonie eines
Gedichts .
Wir und Sie .
Was that dir , Thor , dein Vaterland ?
Dein ſpott’ ich , gluͤht dein Herz dir nicht
Bey ſeines Namens Schall !
Sie ſind ſehr reich ! und ſind ſehr ſtolz !
Wir ſind nicht reich ! und ſind nicht ſtolz !
Das hebt uns uͤber Sie !
Wir ſind gerecht ! das ſind Sie nicht !
Hoch ſtehn Sie ! traͤumen’s hoͤher noch !
Wir ehren fremd Verdienſt !
Sie haben hohen Genius !
Wir haben Genius , wie Sie !
Das macht uns ihnen gleich !
Sie dringen in die Wiſſenſchaft
Bis in ihr tiefſtes Mark hinein !
Wir thun’s ! und thaten’s lang !
Wen haben Sie , der kuͤhnen Flugs ,
Wie Haͤndel Zaubereyen toͤnt ?
Das hebt uns uͤber Sie !
Wer iſt bey ihnen , deſſen Hand
Die trunkne Seel’ im Bilde taͤuſcht ?
Selbſt Kneller gaben Wir !
L 5 Wenn
W enn traf ihr Barde ganz das Herz ?
In Bildern weint er ! Griechenland ,
Sprich du Entſcheidung aus !
S ie ſchlagen in der finſtern Schlacht ,
Wo Schiff an Schiff ſich donnernd legt !
Wir ſchluͤgen da , wie Sie !
S ie ruͤcken auch in jener Schlacht ,
Die Wir allein verſtehn ! heran .
Vor Uns entfloͤhen Sie !
O ſaͤhn Wir Sie in jener Schlacht ,
Die Wir allein verſtehn ! einſt dicht
Am Stahl , wenn er nun ſinkt ,
W enn unſre Fuͤrſten Herrmanns ſind !
Cherusker unſre Heere ſind ,
Cherusker , kalt , und kuͤhn !
W as that dir , Thor , dein Vaterland ?
Dein ſpott’ ich , gluͤht dein Herz dir nicht
Bey ſeines Namens Schall !
Un-
Unſre Fuͤrſten .
Von der Palmenhoͤhe , dem Hain Siona’s ,
Kommen wir her , wir des Harfengeſangs
Geweihte , daß Chriſten noch einſt
Wir entflammen mit dem Feuer ,
Das zu Gott ſteigt ! Hier in dem Hain , wo Eichen
Schatten , erſchallſt ſchoͤner , Telyn , auch du ,
Wenn Schoͤne des Herzens voran
Vor der Schoͤnheit des Geſangs fleugt !
Mit Entzuͤckung , wall’ ich im Hain der Palmen ,
Dichter , mit Luſt , hier , wo Eich’ und ihr Graun
Uns daͤmmert , das Vaterland euch ,
Mich hinauf rief , ihm zu ſingen .
O bekraͤnzet froh euch das Haupt , Thuiskons
Enkel ! empfangt Braga’s heiliges Laub !
Er bringt es den Huͤgel herab ,
Wie es glanzvoll von dem Quell traͤuft !
Mit
M it des Stolzes Toͤnen erſchallt , ihr wurdet ,
Dichter , ſein Stolz ! Braga ’s freudiges Lied !
Ihr tranket mit ihm aus dem Quell
Der Begeiſtrung und der Weisheit ;
U nd ihr ſaͤumt noch ? Singet ihm nach ! Ihr ſiegtet
Ueber die Zeit ! Deutſchlands Fuͤrſten … ſie rief
Kein Stolz , euch zu leiten , herzu ;
Und allein ſchwungt durch die Hindrung
I hr mit edler Kuͤhnheit euch auf ! So werde
Euch denn allein auch unſterblicher Ruhm !
Der Name der Fuͤrſten verweh ,
Wie der Nachhall , wenn der Ruf ſchweigt .
A us dem Hain Thuiskons entflieh kein ſanftes
Silbergetoͤn hin zum pariſchen Maal ,
Das keiner beſucht , und das bald ,
In den Staub ſinkt der Gebeine .
O wie feſtlich rauſchet der Hain ! Ich ſehe
Fliegenden Tanz ! Braga fuͤhrt den Triumph !
Unſterblichkeit ! rufet das Chor ,
Und der Hain rufts in den Schatten !
P yramiden ſanken ! Der Wandrer findet
Truͤmmer nur noch ! Lobſchrift , welche die Burg
Des Fuͤrſten nur kannte , ſie ſchlaͤft
In dem Goldſaal , wie im Grabe !
Pyra-
P yramiden , liegt ihr ! und ſchlaf , des Schmeichlers
Werk , in dem Goldſaal begraben ! Uns macht
Unſterblich des Genius Flug
Und die Kuͤhnheit des Entſchluſſes ,
V on des Lohns Verachtung entflammt ! Einſt konntet
Fuͤrſten , ihrs thun ! Baut von Marmor euch jezt
Die Maale , vergeſſen zu ruhn !
Denn es ſchweigt euch in dem Haine .
Die
Die Choͤre .
Goldener Traum , du , den ich nie nicht erfuͤllt ſeh ,
Strahlengeſtalt , wie der Tag ſchoͤn , wenn er auf-
wacht ,
Komm du dennoch zuruͤck , und ſchwebe
Mir vor dem trunkenen Blick !
Decken ſie denn Kronen umſonſt , daß des Traumes
Himmliſches Bild ſie ins Daſeyn nicht verwandeln ?
Soll ihr Marmor ſie auch ſchon decken ,
Wenn die Verwandlung geſchieht ?
Koͤnigesſohn ! Edelſter ! dir , ja die ſchoͤnſte
Leyer ertoͤnt zu dem ſchoͤnſten der Geſaͤnge
Dir , der einſt es vollfuͤhrt ! Dein warten
Ehren der Religion !
Ließ mich das Grab ; ſaͤng ich von dir ! Zu der ſchoͤn-
ſten
Leyer ertoͤnt mein Geſang nicht ; doch begeiſtert
Saͤng’ ich ! ſchoͤpft’ aus der Freude tiefſten
Stroͤmen , Vollfuͤhrer , dein Lob !
Groß
G roß iſt dein Werk ! jezo mein Wunſch . O es weiß der
Nicht , was es iſt , ſich verlieren in der Wonne !
Wer die Religion begleitet
Von der geweihten Muſik ,
U nd von des Pſalms heiligem Flug , nicht gefuͤhlt hat !
Sanft nicht gebebt , wenn die Schaaren in dem
Tempel
Feyrend ſangen ! und , ward dieß Meer ſtill ,
Choͤre vom Himmel herab !
T aͤuſche mich lang , ſeliger Traum ! Ach ich hoͤre
Chriſtengeſang ! Welch ein Volkheer iſt verſammelt !
So ſah Kephas vordem fuͤnf Tauſend
Jeſus auf Einmal ſich weihn .
H oͤrt ihr ? Den Sohn ſinget ſein Volk ! Mit des
Herzens
Einfalt vereint ſich die Einfalt des Geſanges !
Und mehr Hoheit , als alle Welt hat ,
Hebt ſie gen Himmel empor !
W onnegefuͤhl hebt ſie empor , und es flieſſen
Thraͤnen ins Lied ! Denn die Kronen an dem Ziele
Strahlen ihnen ! Sie ſehn um Sion
Palmen der Himmliſchen wehn !
O ben beginnt jezo der Pſalm , den die Choͤre
Singen , Muſik , als ob kunſtlos aus der Seele
Schnell ſie ſtroͤmte ! So leiten Meiſter
Sie , doch in Ufern , daher .
Kraft-
K raftvoll , und tief dringt ſie ins Herz ! Sie ver-
achtet
Alles , was uns bis zur Thraͤne nicht erhebet !
Was nicht fuͤllet den Geiſt mit Schauer !
Oder mit himmliſchem Ernſt .
H immliſcher Ernſt toͤnet herab mit des Feſtes
Hohem Geſang . Prophezeihung ! und Erfuͤllung !
Wechſeln Choͤre , mit Choͤren . Gnade !
Singen ſie dann , und Gericht !
A ch von des Sohns Liede beſeelt , von der Heerſchaar
Sions entflammet , erheben ſie ihr Loblied !
Eine Stimme beginnet leiſe ,
Eine der Harfen mit ihr .
A ber es toͤnt maͤchtiger bald in dem Chor fort !
Choͤre ſind nun in dem Strom ſchon des Geſanges !
Schon erzittert das Volk ! ſchon gluͤhet
Feuer des Himmels in ihm !
W onne ! Das Volk haͤlt ſich noch kaum ! Die Po-
ſaunen
Donnerten ſchon ! und izt donnern ſie von neuem !
Aller Choͤre Triumph erſcholl ſchon !
Schallt , daß der Tempel ihm bebt !
L aͤnger nun nicht , laͤnger nicht mehr ! Die Gemeine
Sinket dahin , auf ihr Antlitz zum Altare !
Hell vom Kelche des Bundes ! eilt , eilt !
Stroͤmt in der Choͤre Triumph !
Ruhet
R uhet dereinſt dort mein Gebein , an der Tempel
Einem mein Staub , wo der Chorpſalm den Ge-
meinen
Toͤnt ; ſo bebet mein Grab , und lichter
Bluͤhet die Blume darauf ,
W enn , an dem Tag , als aus dem Felſen der Todte
Strahlte , der Preis in dem Jubel ſich ihm nach-
ſchwingt !
Denn ich hoͤr’ es , und Auferſtehung !
Liſpelt ein Laut aus der Gruft .
M Die
Die Barden .
Ihr Dichter ! ihr Dichter ! es huͤllt
Nacht die Leyer der Barden ein !
Der am Quell Mimer oft Braga’s Leyer ſchwieg ,
Wenn die Erfindung , im Weſt ſchlummernd ,
gebahr
Erhabneren Geiſt , und Geſtalt
Schoͤn wie Knaben im Kriegestanz ,
Daß entzuͤckt , wenn ſie ſah , was gebohren war ,
Ihr des beſeelteren Blicks Trunkenheit ſchwamm .
Leicht ſpringt er , ein Genius , auf ,
Spielt am Sproſſe des Eichenhains !
Den Allhend geht ſein Gang ! ſeiner Tritte Ton
Rieſelt daher , wie der Bach , rauſcht wie der
Strom .
Ihr Dichter ! ihr Dichter ! wo ſank
Unſrer Filea Leyer hin ?
Ah es truͤbt , ſinn’ ich nach , was die Truͤmmer deckt ,
Mir den beweinenden Blick wuͤnſchender Schmerz !
Teone.
Die vortreflichſten unter den Barden , wel-
che die juͤngeren unterrichteten .
Teone .
Still auf dem Blatt ruhte das Lied , noch erſchrocken
Vor dem Getoͤſ ’ des Rhapſoden , der es herlas ,
Unbekannt mit der ſanftern Stimme
Laut’ , und dem vollerem Ton .
Dicht an Homer ſchrie ſein Geſchrey ! Auf den Dreyfuß
Setzt’ ihn ſein Wahn , und verbarg ihm , daß Achilles
Leyer ſank , und des Maͤoniden
Genius zornig entfloh .
Aber o lern , Saͤngerinn ſelbſt , von Teonens
Zaubernder Kunſt , wenn dem Inhalt ſie wie Wachs
ſchmilzt ,
Und der Seele des Liedes gleiche ,
Schoͤne Geſpielinnen waͤhlt .
Hoͤrſt du , wie ſie , an der Gewalt des Rhapſoden ,
Raͤchet das Lied ! wie dem Ohre ſie es bildet !
Sind nicht , Saͤngerin , dieſer Toͤne
Wendungen auch Melodie ?
M 2 Ja
J a Melodie , aber verwebt von des Herzens
Feinſtem Gefuͤhl ! nicht die Haltung , wie die Floͤte
Toͤnet , oder wie deine Stimme
Ueber die Floͤte ſich hebt .
S age , warum bebſt du ? was ſtuͤrzt dir die Thraͤne
Eilend herab ? was beſaͤnftigt nun dein Herz dir ?
Thats Teone nicht auch ? und ruͤhrt dich
Etwa der Dichter allein ?
H oͤre , fuͤr ſie dichtet’ er ! hoͤr’ , auch die kleinſte
Kunſt des Geſangs iſt Teonen nicht verborgen !
Folg ihr , wie in des ſtolzen Rhythmus
Tanz , ſie mit Leichtigkeit ſchwebt !
P flanze fuͤr ſie Blumen im Hain an dem Bache ,
Noſſa , daß ich , wenn melodiſch ſie vielleicht einſt
Meiner Saite Geſang begleitet ,
Kraͤnze Teonen ihr Haar !
Stin-
Stintenburg .
Inſel der froheren Einſamkeit ,
Geliebte Geſpielin des Widerhalls
Und des Sees , welcher izt breit , dann , verſteckt
Wie ein Strom , rauſcht an des Walds Huͤ-
geln umher ,
Selber von ſteigenden Huͤgeln voll ,
Auf denen im Rohr die Moraͤne weilt ,
Sich des Garns Tuͤcke nicht naht , und den Wurm
An dem Stahl , leidend mit ihm , ferne beklagt .
Fluͤchtige Stunden verweilt’ ich nur
An deinem melodiſchen Schilfgeraͤuſch ;
Doch verlaͤßt nie dein Phantom meinen Geiſt ,
Wie ein Bild , welches mit Luſt Geniushand
Bildete , trozt der Vergeſſenheit !
Der Garten des Fuͤrſten verdorrt , und waͤchſt
Zu Geſtraͤuch , uͤber des Strauchs Wildniß hebt
Sich der Kunſt meiſterhaft Werk daurend empor .
M 3 Neben
N eben dir ſchattet der Sachſen Wald ,
Ihr Schwert war entſcheidend , und kurz ihr Wort !
Und um dich glaͤnzeten nie Schilde Roms ,
Sein Tyrann ſendete nie Adler dir zu !
R uhiger wandelt’ in deinem Thal
Der Goͤttinnen Beſte , die ſanfte Hlyn .
Es erſcholl freudigen Klangs Braga’s Lied
Um dich her , miſchte nicht ein Rufe der Schlacht .
U eber dem ſtolzeren Strome nur ,
Der Ham ſich voruͤber ins Meer ergießt ,
Da umgab Blut den Bardiet , ließ den Speer
Mit des Lieds ſchreckendem Drohn fliegen der
Gott !
A ber wenn Hertha zum Bade zog ,
So eilete Braga zu dir zuruͤck ,
So begann Lenzmelodie , ließ der Gott
Bey des Lieds Tanze dahin ſinken den Speer .
S eines Geſanges erſchallet noch ;
Mich lehret er aͤlteren deutſchen Ton ,
Wenn entwoͤlkt wallet der Mond , und es ſanft
Um das Grab derer ertoͤnt , welchen er ſang .
H orchend dem lehrenden Liede , ſaͤng
Ich deinen Beſitzer , o Inſel , naͤhm
Ich des Hains Fluͤgel , und eilt’ , heilig Laub
In der Hand , Ihm , wo der Ruhm ewiget ,
nach !
Aber
A ber entweihet , entweihet ward
Die Leyer , die Fluͤge des Lobes flog !
Dem Verdienſt ſelten getreu , rauſchte ſie
Um das Ohr deß , der an That duͤrftig , ver-
ſchwand .
L eyer des heiligen Bardenhains ,
Verwuͤnſche des Ehreverſchwenders Lied ,
Der zuerſt , truͤgenden Glanz , den beſang !
Und der That lautes Verbot , das nicht ver-
nahm !
K uͤhner Verſchwender , nun glauben ſie
Der edleren Dichter Geſaͤnge nicht ;
( Es verweh , ſo wie der Staub jenes Maals ,
Deß Ruin ſinket , es geh unter dein Lied ! )
T aͤuſchen ſich , kaͤltere Zweifler noch ,
Wenn jeden gefluͤgelten Silberton ,
Der den Schwung uͤber des Hains Wipfel ſchwingt ,
Das Verdienſt deſſen gebot , welchen ihr ſangt .
J a du Verſchwender ! nun ſtroͤmt mein Herz
In hoͤheren wahren Geſang nicht aus !
Es verweh , ſo wie der Staub jenes Maals ,
Deß Ruin ſinket , es geh unter dein Lied !
M 4 Unſre
Unſre Sprache .
An der Hoͤhe , wo der Quell der Barden in das Thal
Sein fliegendes Getoͤne , mit Silber bewoͤlkt ,
Stuͤrzet , da erblickt’ ich , zeug’ es , Hain !
Die Goͤttin ! ſie kam zu dem Sterblichen herab !
Und mit Hoheit in der Mine ſtand ſie ! und ich ſah
Die Geiſter um ſie her , die den Liedern entlockt
Taͤuſchen , ihr Gebild . Die Wurdi’s Dolch
Unſchuldige traf , die begleiteten ſie fern ,
Wie in Daͤmmrung ; und die Skulda’s maͤchtigerer
Stab
Errettete , die ſchwebten umher in Triumph ,
Schimmernd , um die Goͤttin , hatten ſtolz
Mit Laube der Eiche die Schlaͤfe ſich bekraͤnzt !
Den
Die Norne der vergangnen Zeit . So nennt
ſie der Sachſe , ein Dichter aus Ludewigs des
Frommen Zeiten , und verſteht das Schickſal
dadurch . In der Edda wird ſie Urd genannt .
D en Gedanken , die Empfindung , treffend , und mit
Kraft ,
Mit Wendungen der Kuͤhnheit , zu ſagen ! das iſt ,
Sprache des Thuiskon , Goͤttin , dir ,
Wie unſeren Helden Eroberung , ein Spiel !
O Begeiſtrung ! Sie erhebt ſich ! Feurigeren Blicks
Ergieſſet ſich ihr Auge , die Seel’ in der Glut !
Stroͤme ! Denn du ſchoneſt deß umſonſt ,
Der , leer des Gefuͤhls , den Gedanken nicht
erreicht !
W ie ſie herſchwebt an des Quells Fall ! Maͤchtiges
Getoͤn ,
Wie Rauſchen in den Naͤchten des Walds iſt ihr
Schwung !
Drauſſen im Gefilde brauſt der Sturm !
Gern hoͤret der Wandrer das Rauſchen in dem
Wald !
W ie ſie ſchwebet an der Quelle ! Sanfteres Getoͤn ,
Wie Wehen in dem tieferen Wald ’ iſt ihr Schwung !
Drauſſen im Gefilde brauſt der Sturm !
Gern hoͤret im Walde der Wanderer das Wehn .
D ie der Fremdling nicht entweihte , ( Teutonien erlag
Nur Siegen , unerobert ! ) o freyere , dich
Wagte der Geſchreckten Feſſel nicht
Zu feſſeln ! Die Adler entflogen , und du bliebſt
M 5 Die
D ie du wareſt ! An dem Rhodan klirret ſie noch laut
Die Kette des Eroberers ! laut am Ibeer !
Alſo , o Britanne , ſchallt dir noch
Der Angel und Sachſe mit herrſchendem Geklirr !
S o bezwang nicht an des Rheins Strom Romulus
Geſchlecht !
Entſcheidungen , Vergeltungen ſprachen wir aus ,
Rache , mit des Deutſchen Schwert , und Wort !
Die Kette verſtummte mit Varus in dem Blut !
D ie dich damals mit erhielten , Sprache , da im Forſt
Der Weſer die Erobererkette verſank ,
Schweigend in der Legionen Blut
Verſank , ſie umhuͤllt die Vergeſſenheit mit
Nacht !
A h die Geiſter der Geſaͤnge , welche ſie zur Schlacht
Ertoͤneten dem zuͤrnendem Vaterlandsheer ,
Folgen mit der Todeswunde dir !
Ha Norne , dein Dolch ! Wirſt auch dieſen ,
der ſie klagt
D ie vertilgten , du vertilgen ? Geiſter des Bardiets !
Ihr Schatten ! ich beſchwoͤr ’ euch , ihr Genien !
lehrt ,
Fuͤhret mich den ſteilen kuͤhnen Gang
Des Haines , die Bahn der Unſterblichkeit
hinauf !
Die
D ie Vergeſſenheit umhuͤllt’ , o Oſſian , auch dich !
Dich huben ſie hervor , und du ſteheſt nun da !
Gleicheſt dich dem Griechen ! trozeſt ihm !
Und fragſt , ob wie du er entflamme den Ge-
ſang ?
V oll Gedanken auf der Stirne hoͤret ’ ihn Apoll ,
Und ſprach nicht . Und gelehnt auf die Harfe
Walhalls
Stellt ſich vor Apollo Bragar hin ,
Und laͤchelt , und ſchweiget , und zuͤrnet nicht
mit ihm .
Die
Die Kunſt Tialfs .
Durch Wittekinds Barden :
Wliid , Haining und Wandor .
Wliid .
Wie das Eis hallt ! Toͤne nicht vor ! ich dulde das
nicht !
Wie der Nacht Hauch glaͤnzt auf dem ſtehenden Strom !
Wie fliegeſt du dahin ! Mit zu ſchnellem Flug
Scheucheſt du Noſſa weg !
Haining .
Sie ſchwebet ſchon nach ! Bardenliedertanz
Haſcht Pfeile wie der Juͤnglinge Bogen ſie entfliehn !
Wie rauſchet ihr Gefieder ! Ereile ſie vor mir !
Noſſa ſchwebet ſchon nach !
Wliid .
Pfeilverfolger , reize ſie nicht ! Verachtet kehrt ſie
nicht um !
Ich ſeh es , halt inn , ich ſeh es , ſie zuͤrnt !
Das Woͤlkchen Laune
Daͤmmert ſchon auf ihrer Stirn .
Hai-
Haining .
S ieheſt du ſie kommen bey dem Felſen herum
In dem hellen Dufte des ſchoͤnſten der December-
morgen ?
Wie ſchweben ſie daher ! Beſaͤnftigen ſoll
Mir Hlyda die Zuͤrnende !
Wliid .
W er iſt es ? Wer koͤmmt ? Wie verſchoͤnen ſie
Den fchoͤnſten der Decembermorgen !
Ha rede , du Beleidiger der Goͤttin !
Wer ſind ſie , die daher in dem weiſſen Dufte
ſchweben ?
W ie des Jaͤgers Lenzgeſang aus der Kluft zuruͤck ,
Toͤnt unter ihrem Tanze der Kryſtall !
Viel ſind der Schweber um den leichten Stuhl ,
Der auf Stahlen wie von ſelber ſchluͤpft .
U nd Sie , die , in Hermeline gehuͤllt ,
Auf dem eilenden Stuhle ruht ,
Und dem Juͤngling horcht , der hinter ihr
Den Stahlen der Ruhenden Fluͤgel giebt ?
Haining .
U m des Maͤdchens willen beleidigt’ ich
Noſſa , darum verſoͤhnt ſie die Goͤttin mir !
Der Juͤngling liebet das Maͤdchen , ſie liebet ihn .
Sie feyren heute des erſten Kuſſes Tag !
O
O du in die Hermeline gehuͤllt ,
Und du mit dem Silberreif in dem fliegenden Haar ,
Wir tanzen ihn auch den Bardenliedertanz !
Und feyren euer Feſt mit euch !
Wandor .
W illkommen uns ! Ihr tanztet ihn ſchoͤn
Am ſauſelndem Schilf herab !
Nur Ein Geſez : Wir verlaſſen nicht eh den
Strom ,
Bis der Mond am Himmel ſinkt !
W eit iſt die Reiſe zum Tanz in der Halle ,
Der mit dem ſinkenden Monde beginnt !
Ihr muͤſt euch ſtaͤrken . Die Lauſcherin hier
Liebt fluͤchtigen Stahl .
D u Schweber mit der blinkenden Schaale dort :
Den der Winzer des Rheins kelterte ,
Den ! und die Schaale voll bis zum Rand ’
herauf !
Im Fluge geſchwebt ! doch kein Tropfen fall’
auf den Strom !
S o rund herum , und dann der Hoͤrner Schall
Nach altem Brautgeſangestritt !
Zu dieſem Braga’s fluͤchtigſten Reihn
Auf dem Sternkryſtall !
Hai-
Haining .
E r ſangs , und die weiſſe Hlyda glitt
Auf dem Zuge des Stroms ; die Hoͤrner toͤnten
hinter ihr her .
An den beyden Ufern eilten um ſie die Beglei-
tenden ,
Und wogen ſich leicht auf der Schaͤrfe des
Stahls .
W ie glatt iſt der ſchimmernde Froſt ! Schall dort
umher
In dem Felſen , nicht hier , mit dem Strom hinab ,
Hau droben im Walde , verwuͤſtendes Beil !
Wir ſangens , und lehnten uns rechts an den
warmenden Strahl .
O Bahn des Kryſtalls ! Eh ſie dem Schlittner den
Stachel reicht ,
Eh ſie durch Schaͤrfung den Huf , durch den Eis-
ſporn den Wanderer
Sichert , erſtarr , erſtarr an der Eſſe die Am-
boshand !
Wir ſangens , und lehnten uns links an die
leiſere Luft .
W ir ſangen der Eisgangslieder noch viel .
Vom Weſte , dem Zerſioͤrer , ach !
Wenn die Blume des naͤchtlichen Froſtes welkt !
Von der Tuͤcke des verborgnen warmen Quells ,
Da
D a der ſchoͤne Juͤngling ſank ! Er ſchwung ſich her-
auf , ſein Blut
Faͤrbte den Strom , dann ſank er wieder , und ſtarb !
Von dem braͤunlichen Hirten , der ſchneller die
wartende Braut ereilt ,
Getragen auf dem Fluͤgelſchwunge des Stahls ,
H ier die hundertfarbige Pforte vorbey , dem ſiegen-
den Winter
Auf der Gletſcher Hoͤh wie Bogen der Triumphe
gebaut ,
Dort den Klee des Thals vorbey ,
Und das weidende Lamm .
V on der bahnvernichtendem Flocke !
Ach ſie verſcheucht den Waller , auf beſtirntem Kryſtall ,
Wie der Gewitterregen
Den Waller in durchbluͤmtem jungen Graſe .
V on des Normanns Sky . Ihm kleidet die leichte
Rinde der Seehund ;
Gebogen ſteht er darauf , und ſchießt , mit des Blizes Eil ,
Die Gebirg’ herab !
Arbeitet dann ſich langſam wieder herauf am
Schneefelſen .
D ie blutige Jagd trieft ihm an der Schulter , allein
den Schwung ,
Die Freude , den Tanz der Lehrlinge Tialfs kennt
er nicht !
Oft ſchleudert ein Orkan ſie , als in Schwindel
vor ſich her ,
Am voruͤberfliegenden Felſengeſtad’ hinab .
Schnell
S chnell wie der Gedanke , ſchweben ſie in weitauskrei-
ſenden Wendungen fort ,
Wie im Meere die Rieſenſchlange ſich waͤlzt !
Noch ſangen wir vom erſten Tritte , mit dem auf
den Teich Ida
Zitterte . Klein war ihr Fuß , und blinkend ihr
Stahl .
S ie hatte des Stahles Band mit ſilberbereiftem Laube
Und roͤthlich geſprengten fliehenden Fiſchen geſtickt .
Die Lieder ſangen wir , jetzo dem Widerhalle der
Waͤlder ſie ,
Jetzo den Truͤmmern der alten Burg ,
U nd tanzten fort , bald wie auf Fluͤgeln des Nords
Den Strom hinunter geſtuͤrmt !
Bald wie gewehet von dem ſanften Weſte .
Nun ſank , ach viel zu fruͤh ! der Mond am Him-
mel herab .
W ir kamen zum regelreichen Tanz in der lichten Halle ,
Und dem laͤrmenden Heerd , auf dem die junge Tanne
ſank .
Wir koſteten nur mit ſtolzem Zahn von der Halle
Tanz ,
Und ſchliefen , zu der Nacht den Tag , geſunden
Schlaf .
N Der
Der Huͤgel und der Hain .
Die Singenden ſind :
Ein Poet , ein Dichter , und ein Barde .
Der Poet .
Was horcheſt du unter dem weitverbreiteten Fluͤgel
der Nacht
Dem fernen ſterbendem Widerhalle des Bardenge-
ſangs ?
Hoͤre mich ! Mich hoͤrten die Welteroberer einſt !
Und viel Olympiaden , hoͤrtet ihr Celten , mich
ſchon !
Der Dichter .
Laß mich weinen , Schatten !
Laß die goldene Leyer ſchweigen !
Auch meinem Vaterlande ſangen Barden ,
Und ach ! ihr Geſang iſt nicht mehr !
Laß mich weinen !
Lange Jahrhunderte ſchon
Hat ihn in ihre Nacht hinab
Geſtuͤrzt die Vergeſſenheit !
Und
U nd in oͤden dunkeln Truͤmmern
Der alten Celtenſprache ,
Seufzen nur einige ſeiner leiſen Laute ,
Wie um Graͤber Todesſtimmen ſeufzen .
Der Poet .
T oͤne dem Klager , goldene Leyer !
Was weinſt du in die oͤde Truͤmmer hinab ?
War er der langen Jahrhunderte meines Geſanges
werth ;
Warum ging er unter ?
Der Dichter .
D ie Helden ſtritten ! Ihr nanntet ſie Goͤtter und Ti-
tanen .
Wenn jezo die Aegis nicht klang , und die geworfnen
Felſenlaſten
Ruhten , und Jupiter der Gott , mit dem Titan
Enceladus ſprach ;
So ſcholl in den Kluͤften des Pelion die Sprache
des Bardengeſangs !
H a du ſchwindelſt vor Stolz
An deinem juͤngeren Lorbeer !
Warf , und weißt du das nicht ? auch ungerecht
Nicht oft die Vergeſſenheit ihr Todesloos ?
N 2 Noch
N och rauſcheſt du ſtets mit Geniusfluge die Saiten
herab !
Lang kenn’ ich deine Silbertoͤne ,
Schweig ! Ich bilde mir ein Bild ,
Jenes feurigen Naturgeſangs !
U numſchraͤnkter iſt in deinem Herrſcherin ,
Als in des Barden Geſange die Kunſt !
Oft ſtammelſt du nur die Stimme der Natur ;
Er toͤnet ſie laut ins erſchutterte Herz !
O Bild , das jezt mit den Fittigen der Morgenroͤthe
ſchwebt !
Jezt gehuͤllt in Wolken , mit des Meeres hohen Woge
ſteigt !
Jezt den ſanften Liedestanz
Tanzet in dem Schimmer der Sommermond-
nacht !
W enn dich nicht gern , wer denket , und fuͤhlt ,
Zum Genoſſen ſeiner Einſamkeit waͤhlt ;
So erhebe ſich aus der Truͤmmern Nacht der Bar-
den einer ,
Erſchein’ , und vernichte dich !
L aß fliegen , o Schatten , die goldene Leyer
Den maͤchtigſten Flug ,
Und rufe mir einen der Barden
Meines Vaterlands herauf !
Einen
E inen Herminoon ,
Der unter den tauſendjaͤhrigen
Eichen wandelte ,
Unter deren alternden Sproß ich wandle .
Der Poet .
I ch beſchwoͤre dich , o Norne , Vertilgerin ,
Bey dem Haingeſange , vor dem in Winfeld die Ad-
ler ſanken !
Bey dem liedergefuͤhrten Brautlenzreihn : O ſende
mir herauf
Einen der Barden Teutoniens , einen Herminoon !
I ch hoͤr’ es in den Tiefen der Ferne rauſchen !
Lauter toͤnet Wurdi’s Quell dem Kommenden !
Und die Schwaͤne heben ſich vor ihm
Mit ſchnellerem Fluͤgelſchlag !
Der Dichter .
W er kommt ? wer kommt ? Kriegeriſch ertoͤnt
Ihm die thatenvolle Telyn !
Eichenlaub ſchattet auf ſeine gluͤhende Stirn !
Er iſt , ach er iſt ein Barde meines Vaterlands !
Der Barde .
W as zeigſt du dem Uhrſohn meiner Enkel
Immer noch den ſtolzen Lorber am Ende deiner Bahn ,
Grieche ? Soll ihm umſonſt von des Haines Hoͤh
Der Eiche Wipfel winken ?
N 3 Zwar
Z war aus Daͤmmrung nur ! … Denn ach ! er ſieht
In meiner Bruſt der wuͤtenden Wurdi Dolch !
Und mit der Eile des Sturms eilet voruͤber der
Augenblick ,
Da ich ihm von der Barden Geheimniſſe ſingen
kann !
Der Poet .
T oͤne , Leyer , von der Grazie ,
Den leichten Tritt an der Hand der Kunſt gefuͤhrt ,
Und laß die Stimme der rauhen Natur
Des Dichters Ohre verſtummen !
Der Barde .
S ing , Telyn , dem Dichter die ſchoͤnere Grazie
Der ſeelenvollen Natur !
Gehorcht hat uns die Kunſt ! ſie geſchreckt ,
Wollte ſie herrſchen , mit hohem Blicke die Natur !
U nter ſparſamer Hand toͤnte Gemaͤhld ’ herab ,
Geſtaltet mit kuͤhnem Zug ;
Tauſendfaͤltig , und wahr , und heiß ! ein Taumel !
ein Sturm !
Waren die Toͤne fuͤr das vielverlangende Herz !
Der Poet .
L aß , o Dichter , in deinem Geſange vom Olympus
Zevs donnern ! mit dem ſilbernen Bogen toͤnen aus
der Wolkennacht
Smintheus ! Pan im Schilfe pfeifen , von Artemis
Schulter den vollen Koͤcher die Rehe ſcheuchen .
Der
Der Barde .
Iſt Achaͤa der Thuiskonen Vaterland ?
Unter des weiſſen Teppichs Huͤllen ruh auf dem Frie-
denswagen
Hertha ! In blumenbeſtreutem Haine walle der
Wagen hin ,
Und bringe die Goͤttinn zum Bade des einſamen
Sees .
Die Zwillingsbruͤder Alzes graben
In Felſen euch das Geſez der heiligen Freundſchaft :
Erſt des hingehefteten Blickes lange Wahl ,
Dann Bund auf ewig !
Es vereine Loͤbna voll Noſſa’s Reizen , und Wara
Wie Sait’ und Geſang , die Lieb’ und die Ehe ! Bra-
ga toͤne
Vom Schwert , gegen den Eroberer gezuͤckt ! und
That
Des Friedens auch , und Gerechtigkeit lehr’
euch Wodan !
N 4 Wenn
Einem Haine alter Heiligkeit ſteht ein Prieſter
in weiblichem Schmucke vor . Ein Roͤmer wuͤrde
die Goͤtter dieſes Hains Caſtor und Pollux nen-
nen . Sie heiſſen Alzes . Sie haben keine Bild-
niſſe , werden auch durch keinen auslaͤndiſchen Got-
tesdienſt , aber doch als Bruͤder und als Juͤng-
linge verehrt . Tacitus .
Die erſte ſoͤhnt die Liebenden aus ; die
zweyte beſtraft die Ungetreuen .
W enn nicht mehr in Walhalla die Helden Waffenſpiel
Tanzen , nicht mehr von Braga’s Lied’ in der Freude
Suͤſſe Traͤume geſungen , halten Siegesmahl ,
Dann richtet auch die Helden Wodan !
Der Dichter .
D es Huͤgels Quell ertoͤnet von Zevs ,
Von Wodan , der Quell des Hains .
Weck’ ich aus dem alten Untergange Goͤtter
Zu Gemaͤlden des fabelhaften Liedes auf ;
S o haben die in Teutoniens Hain
Edlere Zuͤge fuͤr mich !
Mich weilet dann der Achaͤer Huͤgel nicht ;
Ich gehe zu dem Quell des Hains !
Der Poet .
D u wagſt es , die Hoͤrerin der Leyer ,
Die in Lorbeerſchatten herab
Von der Hoͤhe faͤllt des Helikon ,
Aganippe voruͤber zu gehn ?
Der Dichter .
I ch ſeh an den wehenden Lorber gelehnt ,
Mit allen ihren goldnen Saiten ,
O Grieche , deine Leyer ſtehn ,
Und gehe voruͤber !
Er
E r hat ſich gelehnt an den Eichenſproß ,
Des Weiſen Saͤnger und des Helden , Braga ,
Die inhaltsvolle Telyn ! Es weht
In ihren Saiten , und ſie toͤnt von ſich ſelber ;
Vaterland !
I ch hoͤre des heiligen Namens Schall !
Durch den Saiten rauſchet es herab :
Vaterland ! Weſſen Lob ſinget nach der Widerhall ?
Koͤmmt Hermann dort in den Naͤchten des
Hains ?
Der Barde .
A ch Wurdi , dein Dolch ! Sie ruft , ſie ruft
Mich in ihre Tiefen zuruͤck , hinunter , wo unbeweinbar
Auch die Edlen ſchweben , die fuͤr das Vaterland
Auf des Schildes blutige Blume ſanken !
N 5 Her-
Hermann .
Durch die Barden :
Werdomar , Kerding , und Darmond .
Werdomar .
Auf dieſem Steine der alternden Mooſe ,
Wollen wir ſizen , o Barden , und ihn ſingen .
Keiner tret’ hervor , und blick hinab uͤber das Ge-
ſtraͤuch ,
Das ihn verdeckt den edelſten Sohn des Vater-
lands .
Denn dort liegt er in ſeinem Blut
Er , ſelbſt da , der geheime Schrecken Roms ,
Da ſie mit Kriegestanz und Floͤtenſpiel des Triumphs
Seine Thusnelda fuͤhrten .
Blikt nicht hin , ihr weintet ;
Saͤhet ihr ihn in ſeinem Blute liegen !
Und nicht Thraͤnen ſoll die Telyn toͤnen ;
Sie ſoll den Unſterblichen ſingen !
Kerding .
Hell iſt noch mein Juͤnglingshaar ,
Umguͤrtet ward ich heut mit dem erſten Schwert ,
Gewafnet das erſtemal mit der Lanz’ und der Telyn ;
Und ich ſoll Hermann ſingen ?
Fodert
F odert nicht zu viel von dem Juͤngling , Vaͤter !
Ich muß mit der goldenen Locke zuvor
Troknen meine heiſſe Wange ,
Eh ich ſinge den groͤſten der Soͤhne Mana’s .
Darmond .
T hraͤnen wein’ ich der Wut !
Und will ſie nicht troknen !
Fließt , fließt die gluͤhende Wang’ herab ,
Thraͤnen der Wut !
S ie ſind nicht ſtumm . Du vernimmſt , was ſie rauſchen !
Fluch iſts ! Hoͤre ſie , Hela !
Keiner der Verraͤther des Vaterlands , die ihn
toͤdteten ,
Sterb’ in der Schlacht !
Werdomar .
S ehet ihr den Waldſtrom ſtuͤrzen
Hinunter in der Felſenkluft ?
Stuͤrzen mit ihm gewaͤlzte Tannen
Zu Hermanns Todtenfeuer ?
Bald
Sie herrſcht in denen traurigen Gegenden , wo die-
jenigen nach dem Tode ſind , die nicht in der
Schlacht ſterben .
B ald iſt er Staub , und ruhet
Im Gefaͤß der Begraͤbnifſe ,
Und in dem heiligen Staube das Schwert ,
Bey dem er Untergang dem Eroberer ſchwur !
W eil’ , o du des Getoͤdteten Geiſt !
Auf deinem Wege zu Siegmar ,
Und hoͤre , wie heiß von dir das Herz
Deines Volkes iſt !
Kerding .
V erſchweigts Thusnelden , verſchweigts ,
Daß hier in Blut ihr Hermann liegt !
Sagts dem edlen Weibe , der ungluͤckſeligen Mut-
ter nicht ,
Daß ihres Thumeliko Vater hier in Blute liegt !
I hr nicht , die ſchon vor des ſtolzen Triumphs
Fuͤrchterlichen Wagen in der Feſſel ging !
Du haſt ein Roͤmerherz ,
Der das der Ungluͤckſeligen ſagen kann !
Darmond .
U nd welcher Vater zeugte dich ,
Ungluͤckſelige ! Segeſtes auch
Roͤthet’ in der finſtern ſpaͤten Rache ſein Schwert !
Flucht ihm nicht ! ihm hat ſchon Hela geflucht !
Wer-
Werdomar .
L aßt den Namen Segeſt den Geſang nicht nennen !
Weihet ihn ſchweigend der Vergeſſenheit ,
Daß uͤber ſeine Aſche ſie
Ruhe mit ſchwerem Fittig !
D ie Saite , die den Namen
Hermanns bebt , wird entehrt ,
Wenn ſie auch nur mit Einem Zornlaut
Verurtheilt den Verraͤther !
H ermann ! Hermann ! ſingen dem Widerhall ,
Dem geheimen Graun des Hains , den Liebling der
edelſten !
Die Barden in vollem Chor , dem Fuͤhrer der
Kuͤhnſten
In vollem Chor , den Befreyer des Vaterlands !
S chweſter Cannaͤ’s ! Winfelds Schlacht !
Ich ſah dich mit wehendem blutigen Haar ,
Mit dem Flammenblick der Vertilgung ,
Unter die Harfen Walhalla’s ſchweben !
V erbergen wollte Druſus Sohn
Dein vergaͤngliches Denkmaal :
Der Ueberwundnen weiſſes Gebein
In dem oͤden Todesthal !
Wir
W ir duldeten es nicht , und ſtaͤubten den Huͤgel weg !
Denn auch dieſes Maal ſollte Zeuge der groſſen Tage
ſeyn ,
Und hoͤren bey dem Fruͤhlingsblumentanz ,
Der Ueberwinder Triumphgeſchrey !
D er Schweſtern mehr wollt’ er Cannaͤ geben ,
Geſpielin Varus in Elyſium !
Ohne der Fuͤrſten neidenden uͤberrufenden Rath-
ſchluß ,
Ward Varus Geſpiele Caͤcina !
I n Hermanns heiſſer Seele war
Lang ein groͤſſerer Gedanke !
Um Mitternacht , bey dem Opfer Thorrs , und dem
Kriegsgeſang ,
Bildet’ er ſich in ihr , und ſchwang ſich entgegen
der That !
A uch dacht’ er ihn , wenn er tanzen ließ bey dem Mahl
Unter den Lanzen der Juͤnglinge ,
Und umher um dem kuͤhnen Tanz
Blutringe warf , den Knaben ein Spiel .
D er Sturmbeſieger erzaͤhlt :
In dem Ocean des fernen Nords iſt ein Eilandsberg
Der flammenverkuͤndenden Dampf , als waͤlz’ er
Wolken , waͤlzt ,
Dann ſtroͤmet die hohen Flammen , und meilen-
lang krachende Felſen wirft !
So
S o verkuͤndete Hermann durch ſeine Schlacht ,
Entſchloſſen , zu gehn
Ueber die ſchuͤzenden Eisgebirge ! zu gehn
Hinunter in die Ebnen Roms !
Z u ſterben da ! oder in dem ſtolzen Kapitol ,
Dicht an der Wagſchaal Jupiters ,
Zu fragen Tiberius , und ſeiner Vaͤter Schatten ,
Um ihrer Kriege Gerechtigkeit !
D as zu thun ! wollt’ er tragen Feldherrnſchwert
Unter den Fuͤrſten , da zuͤckten ſie den Tod auf ihn !
Und im Blute liegt nun der , in deſſen Seele war
Der groſſe Vaterlandsgedanke !
Darmond .
H aſt du ſie gehoͤrt , o Hela ,
Meine zuͤrnende Thraͤne ?
Haſt du ihr Rufen gehoͤrt ,
Hela , Vergelterin ?
Kerding .
I n Walhalla wird Siegmar , unter der goldnen Aeſte
Schimmer ,
Siegeslaub in der Hand , umſchwebt von Taͤnzen der
Enherion ,
Von Thuiskon gefuͤhrt und von Mana ,
Der Juͤngling den Juͤngling empfangen !
Wer-
Werdomar .
S iegmar wird , mit ſtummer Trauer ,
Seinen Hermann empfangen .
Denn nun fragt er nicht Tiberius , und die Schatten
Seiner Vaͤter an der Wagſchaale Jupiters .
Mein
Mein Vaterland .
So ſchweigt der Juͤngling lange ,
Dem wenige Lenze verwelkten ,
Und der dem ſilberhaarigen thatenumgebenen Greiſe ,
Wie ſehr er ihn liebe ! das Flammenwort hin-
ſtroͤmen will .
Ungeſtuͤm faͤhrt er auf um Mitternacht ,
Gluͤhend iſt ſeine Seele !
Die Fluͤgel der Morgenroͤthe wehen , er eilt
Zu dem Greiſ’ , und ſaget es nicht .
So ſchwieg auch ich . Mit ihrem eiſernen Arme
Winkte mir ſtets die ſtrenge Beſcheidenheit !
Der Fluͤgel wehet’ , und meine Leyer ſchimmerte ,
Und begann von ſelber zu toͤnen , allein mir bebte
die Hand .
Ich halt es laͤnger nicht aus ! Ich muß die Leyer nehmen ,
Fliegen den kuͤhnen Flug !
Reden , kann es nicht mehr verſchweigen ,
Was in der Seele mir gluͤht .
O ſchone mein ! dir iſt dein Haupt umkraͤnzet
Mit tauſendjaͤhrigem Ruhm ! du hebſt den Tritt der
Unſterblichen ,
Und geheſt hoch vor vielen Landen her !
O ſchone mein ! … Ich liebe dich , mein
Vaterland !
O Ach
A ch ſie ſinkt mir , ich hab es gewagt !
Es zittert die Hand mir die Saiten herunter ;
Schone , ſchone ! Wie wehet dein heiliger Kranz ,
Wie gehſt du den Gang der Unſterblichen daher .
I ch ſeh ein ſanftes Laͤcheln ,
Das ſchnell das Herz mir entlaſtet ;
Ich ſing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall ,
Daß dieſes Laͤcheln mir ward !
F ruͤh hab ich dir mich geweiht ! Schon da mein Herz
Den erſten Schlag der Ehrbegierde ſchlug ,
Erkohr ich , unter den Lanzen und Harniſchen
Heinrich , deinen Befreyer , zu ſingen .
A llein ich ſah die hoͤhere Bahn ,
Und , entflammt von mehr , denn nur Ehrbegier ,
Zog ich weit ſie vor . Sie fuͤhret hinauf
Zu dem Vaterlande des Menſchengeſchlechts !
N och geh ich ſie , und wenn ich auf ihr
Des Sterblichen Buͤrden erliege ;
So wend ich mich ſeitwaͤrts , und nehme des Bar-
den Leyer ,
Und ſinge , o Vaterland , dich dir !
D u pflanzeteſt dem , der denket , und ihm , der handelt !
Weit ſchattet , und kuͤhl dein Hain ,
Steht , und ſpottet des Sturmes der Zeit ,
Spottet der Buͤſch um ſich her !
Wen
W en ſcharfer Blick , und tanzende gluͤckliche Stunden
fuͤhren ,
Der bricht in deinem Schatten , kein Maͤrchen ſie ,
Die Zauberruthe , die , nach dem helleren Golde ,
Dem neuen Gedanken , zuckt .
O ft nahm deiner jungen Baͤume das Reich an der
Rhone ,
Oft das Land an der Themſ’ in die duͤnneren Waͤlder .
Warum ſollten ſie nicht ? Es ſchieſſen ja bald
Andere Staͤmme dir auf !
U nd dann ſo gehoͤrten ſie ja dir an . Du ſandteſt
Deiner Krieger hin . Da klangen die Waffen ! da
toͤnte
Schnell ihr Ausſpruch : Die Gallier heiſſen Franken !
Engellaͤnder die Britten !
N och lauter lieſſeſt du die Waffen klingen . Die hohe
Rom
Ward zum kriegeriſchen Stolz , ſchon von der Woͤlfin
geſaͤugt ;
Lange war ſie Welttyrannin ! Du ſtuͤrze teſt ,
Mein Vaterland , die hohe Rom in ihr Blut !
N ie war , gegen das Ausland ,
Ein anderes Land gerecht , wie du !
Sey nicht allzugerecht . Sie denken nicht edel genung ,
Zu ſehn , wie ſchoͤn dein Fehler iſt !
O 2 Ein-
E infaͤltiger Sitte biſt du , und weiſe ,
Biſt ernſten tieferen Geiſtes . Kraft iſt dein Wort ,
Entſcheidung dein Schwert . Doch wandelſt du gern
es in die Sichel , und triefſt ,
Wohl dir ! von dem Blute nicht der anderen
Welten !
M ir winket ihr eiſerner Arm ! Ich ſchweige
Bis etwa ſie wieder ſchlummert ;
Und ſinne dem edlen ſchreckenden Gedanken nach ,
Deiner werth zu ſeyn , mein Vaterland .
Vater-
Vaterlandslied
zum Singen fuͤr Johanna Eliſabeth
von Winthem .
Ich bin ein deutſches Maͤdchen !
Mein Aug’ iſt blau , und ſanft mein Blick ,
Ich hab ein Herz
Das edel iſt , und ſtolz , und gut .
Ich bin ein deutſches Maͤdchen !
Zorn blickt mein blaues Aug’ auf den ,
Es haßt mein Herz
Den , der ſein Vaterland verkennt !
Ich bin ein deutſches Maͤdchen !
Erkoͤre mir kein ander Land
Zum Vaterland ,
Waͤr mir auch frey die groſſe Wahl !
Ich bin ein deutſches Maͤdchen !
Mein hohes Auge blickt auch Spott ,
Blickt Spott auf den ,
Der Saͤumens macht bey dieſer Wahl .
Du biſt kein deutſcher Juͤngling !
Biſt dieſes lauen Saͤumens werth ,
Des Vaterlands
Nicht werth , wenn du ’s nicht liebſt , wie ich !
O 3 Du
D u biſt kein deutſcher Juͤngling !
Mein ganzes Herz verachtet dich ,
Der ’s Vaterland
Verkennt , dich Fremdling ! und dich Thor !
I ch bin ein deutſches Maͤdchen !
Mein gutes , edles , ſtolzes Herz
Schlaͤgt laut empor
Beym ſuͤſſen Namen : Vaterland !
S o ſchlaͤgt mirs einſt beym Namen
Deß Juͤnglings nur , der ſtolz wie ich
Aufs Vaterland ,
Gut , edel iſt , ein Deutſcher iſt !
Elegien .
O 4 Die
Die kuͤnftige Geliebte .
Dir nur , liebendes Herz , euch , meine vertraulich-
ſten Thraͤnen ,
Sing ich traurig allein dieß wehmuͤthige Lied .
Nur mein Auge ſoll ’s mit ſchmachtendem Feuer dur
irren ,
Und , an Klagen verwoͤhnt , hoͤr es mein leiſeres Ohr :
Ach ! warum , o Natur , warum , unzaͤrtliche Mutter ,
Gabſt du zu dem Gefuͤhl mir ein zu biegſames Herz ?
Und ins biegſame Herz die unbezwingliche Liebe ,
Daurend Verlangen , und ach keine Geliebte dazu ?
Die du kuͤnftig mich liebſt , ( wenn anders zu meinen
Thraͤnen
Einſt das Schickſal erweicht eine Geliebte mir giebt ! )
Die du kuͤnftig mich liebſt , o du aus allen erkohren ,
Sag , wo dein fliehender Fuß ohne mich einſam
itzt irrt ?
Nur mit Einem verrathenden Laute , mit Einem der Toͤne ,
Die der Frohen entfliehn , ſag es , einſt Gluͤckliche ,
mir !
Fuͤhlſt du , wie ich , der Liebe Gewalt , verlangſt du nach
mir hin ,
Ohne daß du mich kennſt ; o ſo verheele mirs nicht !
Sag es mit einem durchdringendem Ach , das meinem
Ach gleicht ,
Das aus innerſter Bruſt Klage ſeufzet , und ſtirbt .
Oft um Mitternacht wehklagt die bebende Lippe ,
Daß , die ich liebe , du mir immer unſichtbar noch biſt !
Oft um Mitternacht ſtreckt ſich mein zitternder Arm aus ,
Und umfaſſet ein Bild , ach das deine vielleicht !
Wo , wo ſuch ich dich ? wo werd ich endlich dich finden ?
Du , die meine Begier ſtark und unſterblich verlangt !
O 5 Jener
Jener Ort , der dich haͤlt , wo iſt er ? wo flieſſet der Himmel ,
Welcher dein Aug umwoͤlbt , heiter und laͤchelnd
vorbey ?
Werd ich mein Auge zu dir einſt , ſegnender Himmel ,
erheben ,
Und umarmet die ſehn , die aufbluͤhen du ſahſt ?
Aber ich kenne dich nicht ! Es ging die fernere Sonne
Meinen Thraͤnen daſelbſt niemals nicht unter und
auf .
Soll ich jene Gefilde nicht ſehn ? Fuͤhrt nie dort im
Fruͤhling
Meine zitternde Hand ſie durch ein bluͤhendes Thal ?
Sinkt ſie , von ſuͤſſer Gewalt der maͤchtigen Liebe be-
zwungen ,
Nie mit der Daͤmmerung Stern mir an die beben-
de Bruſt ?
Ach , wie ſchlaͤgt mir mein Herz ! Wie zittern durch meine
Gebeine
Freud und Hofnung , dem Schmerz unuͤberwindlich
dahin !
Unbeſingbare Luſt , ein ſuͤſſer begeiſternder Schauer ,
Eine Thraͤne , die mir ſtill von den Wangen entfiel ;
Und , o ich ſehe ſie ! mitweinende , weibliche Zaͤhren
Ein mir liſpelnder Hauch , und ein erſchuͤtterndes Ach ;
Ein zuſegnender Laut , der mir rief , wie ein Schatten
dem Schatten
Liebend ruft , weiſſagt , dich , die mich hoͤrete , mir.
O. du , die du Sie mir und meiner Liebe gebahreſt ,
Haͤltſt du Sie , Mutter , umarmt ; dreymal geſeg-
net ſey mir !
Dreymal geſegnet ſey mir dein gleich empfindendes Herze ,
Das der Tochter zuerſt weibliche Zaͤrtlichkeit gab !
Aber laß ſie itzt frey ! Sie eilt zu den Blumen , und will da
Nicht von Zeugen behorcht , will geſehen nicht ſeyn .
Eile
Eile nicht ſo ! Doch mit welchem Namen ſoll ich dich
nennen ,
Du , die unausſprechlich meinem Verlangen gefaͤllt ?
Heiſſeſt du Laura ? Laura beſang Petracha in Liedern ,
Zwar dem Bewunderer ſchoͤn , aber dem Liebenden
nicht !
Wirſt du Fanny genannt ? Iſt Cidli dein feyerlicher Name ?
Singer , die Joſeph und den , welchen ſie liebte , beſang ?
Singer ! Fanny ! Ach Cidli ! ja Cidli nennet mein Lied dich ,
Wenn im Liede mein Herz halbgeſagt dir gefaͤllt !
Eile nicht ſo , damit kein Dorn der verpflanzeten Roſe
Deinen zu fluͤchtigen Fuß , wenn du eileſt , verletzt ;
Daß kein ſchaͤdlicher Duft des werdenden Fruͤhlings dich
anhaucht ;
Daß ſich dem bluͤhenden Mund reinere Luͤfte nur
nahn .
Aber du geheſt denkend und langſam , das Auge voll
Zaͤhren ,
Und jungfraͤulicher Ernſt deckt dein verſchoͤnert
Geſicht .
Taͤuſchte dich jemand ? Und weinſt du , weil deiner Ge-
ſpielinnen eine
Nicht , wie von ihr du geglaubt , redlich und tu-
gendhaft war ?
Oder liebſt du , wie ich ? Erwacht mit unſterblicher Sehn-
ſucht ,
Wie ſie mein Herz mir empoͤrt , dir die ſtarke Natur ?
Was ſagt dieſer erſeufzende Mund ? Was ſagt mir dieß
Auge ,
Das mit verlangendem Blick ſich gen Himmel er-
hebt ?
Was entdeckt mir dieß tiefere Denken , als ſaͤhſt du ihn
vor dir ?
Ach , als ſaͤnkſt du ans Herz dieſes Gluͤcklichen hin !
Ach
Ach du liebeſt ! So wahr die Natur kein edleres Herz
nicht
Ohne den heiligſten Trieb derer , die ewig ſind , ſchuf !
Ja , du liebeſt , du liebeſt ! Ach wenn du den doch auch
kennteſt ,
Deſſen liebendes Herz unbemerket dir ſchlaͤgt ;
Deſſen Seufzer dich ewig verlangen , dich bang vom
Geſchicke
Fodern , von dem Geſchick , das unbeweglich ſie hoͤrt .
Weheten doch ſanftrauſchende Winde ſein innig Ver-
langen ,
Seiner Seufzer Laut , ſeine Geſaͤnge dir zu !
Winde , wie die in der goldenen Zeit , die vom Ohre
des Schaͤfers
Hoch zu der Goͤtter Ohr flohn mit der Schaͤferin Ach .
Eilet , Winde , mit meinem Verlangen zu ihr in die Laube ,
Schauert hin durch den Wald , rauſcht , und ver-
kuͤndigt mich ihr !
Ich bin redlich ! Mir gab die Natur Empfindung zur
Tugend ;
Aber maͤchtiger war , die ſie zur Liebe mir gab .
Zu der Liebe , der Tugenden ſchoͤnſten , wie ſie den Men-
ſchen
In der Jugend der Welt ſtaͤrker und edler ſie gab .
Alles empfind ich von dir ; kein halb begegnendes Laͤ-
cheln ;
Kein unvollendetes Wort , welches in Seufzer
verflog ;
Keine ſtille mich fliehende Thraͤne , kein leiſes Verlangen ,
Kein Gedanke , der ſich mir in der Ferne nur zeigt ;
Kein halb ſtammelnder Blick voll unausſprechlicher Re-
den ,
Wenn er den ewigen Bund ſuͤſſer Umarmungen
ſchwoͤrt ;
Auch
Auch der Tugenden keine , die du mir ſittſam verbirgeſt ,
Eilet mir unerforſcht und unempfunden vorbey !
Ach , wie will ich , o Cidli , dich lieben ! Das ſagt uns
kein Dichter ,
Selbſt wir entzuͤckt im Geſchwaͤtz trunkner Bered-
ſamkeit nicht .
Kaum , daß noch die unſterbliche ſelbſt , die fuͤhlende
Seele
Ganz die volle Gewalt dieſer Empfindungen faßt !
P Sel-
Selmar und Selma .
Meine Selma , wenn aber der Tod uns Liebende
trennte ?
Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterbli-
chen ruft ?
Ach , ſo werd ich um dich mein ganzes Leben durch-
weinen ,
Jeden naͤchtlichen Tag , jede noch truͤbere Nacht !
Jede Stunde , die ſonſt in deiner Umarmung vorbey floß ,
Jede Minute , die uns , zaͤrtlich genoſſen , entfloh !
Ach , ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Jahre voll
Schwermuth ,
Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh .
Ach mein Selmar , wenn kuͤnftig der Tod uns Lie-
bende trennte ,
Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterb-
lichen ruft ;
Ach , dann wein’ ich um dich mein ganzes uͤbriges Leben ,
Jeden unbrauchbaren Tag , jede mir ſchreckliche
Nacht !
Jede Stunde , die ſonſt , mit deinem Laͤcheln erheitert ,
Unter dem ſuͤſſen Geſpraͤch zaͤrtlicher Thraͤnen ent-
floh !
Ach ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Tage voll Schwer-
muth ,
Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh .
Meine Selma , du wollteſt nach mir nur Tage noch
leben ?
Und ich braͤchte noch die Jahre voll Traurigkeit zu ?
Selma , Selma , nur wenig unbrauchbare truͤbe Mi-
nuten ,
Bring ich , biſt du erblaßt , neben dir ſeelenlos zu !
Nehme
Nehme noch Einmal die Hand der Todten , kuͤſſe dein
Auge
Einmal noch , in die Nacht ſink ich , und ſterbe
bey dir .
Selmar , ich ſterbe nach dir ! den Schmerz ſoll Sel-
mar nicht fuͤhlen ,
Daß er ſterbend mich ſieht . Selmar , ich ſterbe
nach dir !
Bringe dann auch nur wenig unbrauchbare truͤbe Mi-
nuten ,
Biſt du , Selmar , erblaßt , neben dir ſeelenlos zu !
Blicke noch einmal dich an , und ſeufze noch einmal :
Mein Selmar !
Sink an die ruhende Bruſt , zittr’ und erblaſſe
daſelbſt !
Selma , du ſtuͤrbeſt nach mir ? den Schmerz ſoll Sel-
ma nicht fuͤhlen ,
Daß ſie ſterbend mich ſieht . Selma , du ſtirbſt
nicht nach mir !
Selmar , ich ſterbe nach dir ! Das iſt es , was ich vom
Schickſal
Laͤngſt ſchon mit Thraͤnen erbat . Selmar , ich
ſterbe nach dir !
Ach wie liebeſt du mich ! Sieh dieſe weinenden Augen !
Fuͤhle dieß bebende Herz ! Selma , wie liebeſt du mich !
Meine Selma , du ſtuͤrbeſt nach mir ? du fuͤhlteſt die
Schmerzen ,
Daß du ſterbend mich ſaͤhſt ? Selma , wie liebeſt
du mich !
Ach wenn eine Sprache doch waͤre , dir alles zu ſagen ,
Was mein liebendes Herz , meine Selma , dir fuͤhlt !
Wuͤrde dieß Aug und ſein Blick , und ſeine Zaͤhren
voll Liebe ,
Und dieß Ach des Gefuͤhls , das mir gebrochen entfloh ,
P 2 Doch
Doch zu einer Sprache der Goͤtter , dir alles zu ſagen ,
Was mein liebendes Herz , meine Selma dir fuͤhlt .
Ach , wenn doch kein Grabmal waͤre , das Liebende
deckte ,
Die einander ſo treu , die ſo voll Zaͤrtlichkeit ſind !
Aber weil ihr denn ſeyd , ihr immer offenen Graͤber ,
Nehmet zum wenigſten doch nehmet auf einmal
uns ein !
Hoͤreſt du mich , der zur Liebe mich ſchuf ? Ach ! wenn
du mich hoͤreſt ;
Laß mit eben dem Hauch Selma ſterben , und
mich !
Selmar , ich ſterbe mit dir ! Ich bete mit dir von
dem Himmel
Dieſe Wohlthat herab . Selmar , ich ſterbe mit
dir !
Roth-
Rothſchilds Graͤber .
Ach , hier haben ſie Dich bey deinen Vaͤtern begraben ,
Den wir liebten , um den lange die Thraͤne noch fließt ;
Jene treuere , die aus nie vergeſſendem Herzen
Kommt , und des Einſamen Blick ſpaͤt mit Er-
innerung truͤbt .
Sollt um ſeinen entſchlafenen Koͤnig nicht Thraͤnen
der Wehmut
Lange vergieſſen ein Volk , deſſen Wittwe nicht
weint ?
Ach , um einen Koͤnig , von dem der Waiſe , des Dankes
Zaͤhren im Aug’ , oft kam , lange nicht klagen ſein
Volk ?
Aber noch wend’ ich mich weg , kann noch zu der Halle
nicht hingehn ,
Wo des Todten Gebein neben der Todten itzt ruht ,
Neben Luiſa , die uns des Kummers einzigen Troſt gab ,
Die wir liebten , der auch ſpaͤtere Traurigkeit rann !
O ihr aͤlteren Todten , ihr Staub ! einſt Koͤnige , fruͤh rief
Er den Enkel zu euch , der die Welten beherrſcht !
Ernſt , in Sterbegedanken , umwandl’ ich die Graͤber ,
und leſe
Ihren Marmor , und ſeh Schrift wie Flammen
daran ,
Andre , wie die , ſo die Auſſengeſtalt der Thaten nur bildet ,
Unbekannt mit dem Zweck , welchen die Seele verbarg .
Furchtbar ſchimmert die himmliſche Schrift : Dort ſind
ſie gewogen ,
Wo die Krone des Lohns , keine vergaͤngliche , ſtrahlt !
Ernſter , in tieferer Todesbetrachtung meid’ ich die Halle
Stets noch , in welche dem Thron Friederichs
Truͤmmer entſank !
P 3 Denn
Denn mir blutet mein Herz um Ihn ! O Nacht des
Verſtummens ,
Als die Ausſaat Gott ſaͤte , wie traurig warſt du !
Aber warum wank’ ich , und ſaͤume noch ſtets , zu dem
Grabe
Hinzugehen , wo Er einſt mit den Todten erwacht ?
Iſt es nicht Gott , der Ihn in ſeine Gefilde geſaͤt hat ?
Ach , zu des ewigen Tags dankenden Freuden geſaͤt ?
Und , o ſollte noch weich deß Herz ſeyn , welcher ſo
Viele ,
Die er liebte , verlor , Viele , die gluͤcklicher ſind ?
Deſſen Gedanken um ihn ſchon viel Unſterbliche ſam-
meln ,
Wenn er den engeren Kreis dieſer Vergaͤnglich-
keit mißt ,
Und die Huͤtten an Graͤbern betrachtet , worinn die
Bewohner
Traͤumen , bis endlich der Tod ſie zu dem Leben
erweckt !
Dieſe Staͤrke bewafne mein Herz ! Doch beb’ ich im
Anſchaun ?
Ach ! des Todten Gebein ! unſers Koͤnigs Ge-
bein ! ....
Streuet Blumen umher ! Der Fruͤhling iſt wiederge-
kommen !
Wiedergekommen … ohn’ Ihn ! … Bluͤthe be-
kraͤnze ſein Grab !
Daniens ſchoͤne Sitte , die ſelbſt dem ruhenden Land-
mann
Freudighoffend das Grab jaͤhrlich mit Blumen
bedeckt ,
Sey du feſtlicher jezt , und ſtreu um des Koͤnigs Ge-
beine ,
Auferſtehung im Sinn , Kraͤnze des Fruͤhlings umher !
Sanftes,
Sanftes , erheiterndes Bild von Auferſtehung ! Und
dennoch
Truͤbt ſich im Weinen der Blick , traͤufelt die Thraͤn’
auf den Kranz ?
Friederich ! Friederich ! ach , denn dieſes allein iſt von
Dir uns
Uebrig ! ein Leib , der verweſt , bald noch zerfall-
nerer Staub !
Schweigendes Grabgewoͤlbe , das ſeine Gebeine beſchattet ,
Schauer koͤmmt von dir her ! langſam auf Fluͤ-
geln der Nacht
Schauer ! Ich hoͤr’ ihr Schweben . Wer ſeyd ihr , See-
len der Todten ? …
Gluͤckliche Vaͤter ſind wir ! ſegneten , ſegneten noch
Friederich , als der Erde wir Erde gaben ! Wir kommen
Nicht von Gefilden der Schlacht ! … Ferne ver-
liert ſich ihr Laut ,
Und ich hoͤr’ ihr Schweben nicht mehr ; allein noch
bewoͤlkt mich
Trauren um Ihn ! Ach , da ſchlaͤft er im Tode
vor mir ,
Den ich liebte ! Wie einer der Eingebohrnen des Landes
Liebt’ ich Friedrich , und da ſchlaͤft er im Tode
vor mir !
Beſter Koͤnig ! ... . Es klagt Ihm nach der Muſe
Geſpiele
Und der Weisheit ! Um Ihn trauert der Lieb-
ling der Kunſt !
Beſter Koͤnig ! .... Der Knabe , der Greis , der
Kranke , der Arme
Weinen , Vater ! … Es weint nah und ferne
dein Volk !
Von des Hekla Gebirge bis hin zum Strome der Weſer
Weinet alle dein Volk , Vater , dein gluͤckliches Volk !
Kann
Kann dir Lohn Unſterblichkeit ſeyn ; ſo beginnet die
Erd’ ihn
Jetzt zu geben ! Allein iſt denn Unſterblichkeit Lohn ?
Du , o Friederichs Sohn , du Sohn Louiſens , erhabner
Theurer Juͤngling , erfuͤll unſer Erwarten , und ſey ,
Schoͤner , edler Juͤngling , den alle Grazien ſchmuͤcken ,
Auch der Tugend , ſey uns , was dein Vater
uns war !
Heiliger kann kein Tempel Dir , als dieſer voll Graͤber
Deiner Vaͤter , und nichts mehr Dir Erinnerung
ſeyn ,
Daß es alles Eitelkeit iſt , und Thaten der Tugend
Dann nur bleiben , wenn Gott auch von dem
Throne Dich ruft !
Ach ! im Tod ’ entſinkt die Erdenkrone dem Haupte ,
Ihr Schimmer umwoͤlkt bald der Vergaͤnglich-
keit Hand ;
Aber es giebt auf ewig die ehrenvollere Krone
Jenen entſcheidenden Tag ſeiner Vergeltungen
Gott !