[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Die grosse Tochter sah vom neuen Thron herunter, Sah bey den Königen ihr Grab; Der Leiche Pomp. Da sah sie auf den Seraph; So sprach die Glückliche: Mein Führer, der du mich zu dieser Wonne führtest, Die fern von dort, und ewig ist! Kehrst du zurück, wo wir, zum Tod', itzt werden, Dann bald unsterblich sind: Kehrst du dorthin zurück, wo du des Landes Schicksal, Und meines Königs Schicksal, lenkst; So folg' ich dir. Ich will sanft um dich schweben, Mit dir, sein Schutzgeist seyn! Wenn du unsichtbar dich den Einsamkeiten näherst, Wo er um meinen Tod noch klagt; So tröst' ich seinen Schmerz mit dir! so lispl' ich Ihm auch Gedanken zu! Mein König, wenn du fühlst, daß sich ein sanfters Leben, Und Ruh, durch deine Seele gießt; So war ichs auch, die dir, in deine Seele, Der Himmel Frieden goß! O, möchten diese Hand, und diese hellen Locken, Dir sichtbar seyn; ich trocknete, Mit dieser Hand, mit diesen goldnen Locken, Die Thränen, die du weinst! O,
Die groſſe Tochter ſah vom neuen Thron herunter, Sah bey den Koͤnigen ihr Grab; Der Leiche Pomp. Da ſah ſie auf den Seraph; So ſprach die Gluͤckliche: Mein Fuͤhrer, der du mich zu dieſer Wonne fuͤhrteſt, Die fern von dort, und ewig iſt! Kehrſt du zuruͤck, wo wir, zum Tod’, itzt werden, Dann bald unſterblich ſind: Kehrſt du dorthin zuruͤck, wo du des Landes Schickſal, Und meines Koͤnigs Schickſal, lenkſt; So folg’ ich dir. Ich will ſanft um dich ſchweben, Mit dir, ſein Schutzgeiſt ſeyn! Wenn du unſichtbar dich den Einſamkeiten naͤherſt, Wo er um meinen Tod noch klagt; So troͤſt’ ich ſeinen Schmerz mit dir! ſo lispl’ ich Ihm auch Gedanken zu! Mein Koͤnig, wenn du fuͤhlſt, daß ſich ein ſanfters Leben, Und Ruh, durch deine Seele gießt; So war ichs auch, die dir, in deine Seele, Der Himmel Frieden goß! O, moͤchten dieſe Hand, und dieſe hellen Locken, Dir ſichtbar ſeyn; ich trocknete, Mit dieſer Hand, mit dieſen goldnen Locken, Die Thraͤnen, die du weinſt! O,
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Die groſſe Tochter ſah vom neuen Thron herunter,
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So ſprach die Gluͤckliche:
Mein Fuͤhrer, der du mich zu dieſer Wonne fuͤhrteſt,
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Kehrſt du zuruͤck, wo wir, zum Tod’, itzt werden,
Dann bald unſterblich ſind:
Kehrſt du dorthin zuruͤck, wo du des Landes Schickſal,
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So folg’ ich dir. Ich will ſanft um dich ſchweben,
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Wenn du unſichtbar dich den Einſamkeiten naͤherſt,
Wo er um meinen Tod noch klagt;
So troͤſt’ ich ſeinen Schmerz mit dir! ſo lispl’ ich
Ihm auch Gedanken zu!
Mein Koͤnig, wenn du fuͤhlſt, daß ſich ein ſanfters Leben,
Und Ruh, durch deine Seele gießt;
So war ichs auch, die dir, in deine Seele,
Der Himmel Frieden goß!
O, moͤchten dieſe Hand, und dieſe hellen Locken,
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Mit dieſer Hand, mit dieſen goldnen Locken,
Die Thraͤnen, die du weinſt!
O,
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