Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Sagen: Ach hört! Es rauschet das Feld, die Todten er-
wachen.

Und der Seele will ich, wenn sie zur Höllen entflichet,
(Denn sie soll noch von mir, und von Todesquaalen er-
schüttert,

Sündigen und GOtt schmähn; so grausam will ich ihn töd-
ten!)

Dann will ich ihr, wenn sie flieht, wenn sie im furchtba-
ren Sturme

GOttes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme
nachrufen:

Eile, die du siegtest, ja eil in deinem Triumphe!
Dich erwartet ein prächtiger Einzug, die Pforten der
Hölle

Thun vor dir einladend sich auf! Dir jauchzet der Ab-
grund!

Gegen dich wallen in seyrenden Chören die Seelen und
Götter!

Doch du läßt ja die Gottheit zurück! Jsts etwa der Leich-
nam,

Der sie noch deckt? oder eilt sie vielleicht ungesehen gen
Himmel?

GOtt muß entweder anitzt, da ich hier bin, den fliehen-
den Erdkreis

Mit ihm und dem Geschlechte der Menschen gen Himmel
erheben:

Oder ich führ es hinaus, was ich mächtig bey mir be-
schlossen.

Er soll sterben! so wahr ich des Todes Erhalter und Schö-
pfer
Unbe-

Der Meſſias.

Sagen: Ach hoͤrt! Es rauſchet das Feld, die Todten er-
wachen.

Und der Seele will ich, wenn ſie zur Hoͤllen entflichet,
(Denn ſie ſoll noch von mir, und von Todesquaalen er-
ſchuͤttert,

Suͤndigen und GOtt ſchmaͤhn; ſo grauſam will ich ihn toͤd-
ten!)

Dann will ich ihr, wenn ſie flieht, wenn ſie im furchtba-
ren Sturme

GOttes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme
nachrufen:

Eile, die du ſiegteſt, ja eil in deinem Triumphe!
Dich erwartet ein praͤchtiger Einzug, die Pforten der
Hoͤlle

Thun vor dir einladend ſich auf! Dir jauchzet der Ab-
grund!

Gegen dich wallen in ſeyrenden Choͤren die Seelen und
Goͤtter!

Doch du laͤßt ja die Gottheit zuruͤck! Jſts etwa der Leich-
nam,

Der ſie noch deckt? oder eilt ſie vielleicht ungeſehen gen
Himmel?

GOtt muß entweder anitzt, da ich hier bin, den fliehen-
den Erdkreis

Mit ihm und dem Geſchlechte der Menſchen gen Himmel
erheben:

Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir be-
ſchloſſen.

Er ſoll ſterben! ſo wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤ-
pfer
Unbe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="21">
          <l>
            <pb facs="#f0082" n="78"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Sagen: Ach ho&#x0364;rt! Es rau&#x017F;chet das Feld, die Todten er-<lb/><hi rendition="#et">wachen.</hi></l><lb/>
          <l>Und der Seele will ich, wenn &#x017F;ie zur Ho&#x0364;llen entflichet,<lb/>
(Denn &#x017F;ie &#x017F;oll noch von mir, und von Todesquaalen er-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chu&#x0364;ttert,</hi></l><lb/>
          <l>Su&#x0364;ndigen und GOtt &#x017F;chma&#x0364;hn; &#x017F;o grau&#x017F;am will ich ihn to&#x0364;d-<lb/><hi rendition="#et">ten!)</hi></l><lb/>
          <l>Dann will ich ihr, wenn &#x017F;ie flieht, wenn &#x017F;ie im furchtba-<lb/><hi rendition="#et">ren Sturme</hi></l><lb/>
          <l>GOttes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme<lb/><hi rendition="#et">nachrufen:</hi></l><lb/>
          <l>Eile, die du &#x017F;iegte&#x017F;t, ja eil in deinem Triumphe!</l><lb/>
          <l>Dich erwartet ein pra&#x0364;chtiger Einzug, die Pforten der<lb/><hi rendition="#et">Ho&#x0364;lle</hi></l><lb/>
          <l>Thun vor dir einladend &#x017F;ich auf! Dir jauchzet der Ab-<lb/><hi rendition="#et">grund!</hi></l><lb/>
          <l>Gegen dich wallen in &#x017F;eyrenden Cho&#x0364;ren die Seelen und<lb/><hi rendition="#et">Go&#x0364;tter!</hi></l><lb/>
          <l>Doch du la&#x0364;ßt ja die Gottheit zuru&#x0364;ck! J&#x017F;ts etwa der Leich-<lb/><hi rendition="#et">nam,</hi></l><lb/>
          <l>Der &#x017F;ie noch deckt? oder eilt &#x017F;ie vielleicht unge&#x017F;ehen gen<lb/><hi rendition="#et">Himmel?</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg n="22">
          <l>GOtt muß entweder anitzt, da ich hier bin, den fliehen-<lb/><hi rendition="#et">den Erdkreis</hi></l><lb/>
          <l>Mit ihm und dem Ge&#x017F;chlechte der Men&#x017F;chen gen Himmel<lb/><hi rendition="#et">erheben:</hi></l><lb/>
          <l>Oder ich fu&#x0364;hr es hinaus, was ich ma&#x0364;chtig bey mir be-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</hi></l><lb/>
          <l>Er &#x017F;oll &#x017F;terben! &#x017F;o wahr ich des Todes Erhalter und Scho&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">pfer</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Unbe-</fw><lb/></l>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0082] Der Meſſias. Sagen: Ach hoͤrt! Es rauſchet das Feld, die Todten er- wachen. Und der Seele will ich, wenn ſie zur Hoͤllen entflichet, (Denn ſie ſoll noch von mir, und von Todesquaalen er- ſchuͤttert, Suͤndigen und GOtt ſchmaͤhn; ſo grauſam will ich ihn toͤd- ten!) Dann will ich ihr, wenn ſie flieht, wenn ſie im furchtba- ren Sturme GOttes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme nachrufen: Eile, die du ſiegteſt, ja eil in deinem Triumphe! Dich erwartet ein praͤchtiger Einzug, die Pforten der Hoͤlle Thun vor dir einladend ſich auf! Dir jauchzet der Ab- grund! Gegen dich wallen in ſeyrenden Choͤren die Seelen und Goͤtter! Doch du laͤßt ja die Gottheit zuruͤck! Jſts etwa der Leich- nam, Der ſie noch deckt? oder eilt ſie vielleicht ungeſehen gen Himmel? GOtt muß entweder anitzt, da ich hier bin, den fliehen- den Erdkreis Mit ihm und dem Geſchlechte der Menſchen gen Himmel erheben: Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir be- ſchloſſen. Er ſoll ſterben! ſo wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤ- pfer Unbe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/82
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/82>, abgerufen am 23.11.2024.