Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gefang.

Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim
wandelt.

Aber, warum, und ob sie, dem Erdenkinde zu Ehren,
Oder um unsere Wachsamkeit auszusorschen, herabstieg.
Dies weiß ich nicht. Zwar hört ich darunter gewaltige
Donner,

Donner mit dieser Stimme vermengt: Das ist mein Ge-
liebter,

Und mein Sohn, der mit innig gefällt! Der war wohl
Eloa,

Oder sonst einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies
ausrief.

GOttes Stimme wars nicht; zum mindsten klang sie viel
anders,

Als er uns Göttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf-
drang

Auch war ein finstrer Prophet dabey, der dort in der
Wüste

Menschenfeindlich die Felsen durchirrt; der rief ihm ent-
gegen:

Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Sünde ver-
söhnet!

Der du von Ewigkeit bist, der du lange schon vor mir
gewesen,

Sey mir gegrüßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fülle!
Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Mosen gab GOtt
die Gesetze,

Aber durch den Gesalbten des HErrn kömmt Wahrheit
und Gnade.

Jst das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es,
wenn Träumer

Träumer

Zweyter Gefang.

Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim
wandelt.

Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren,
Oder um unſere Wachſamkeit auszuſorſchen, herabſtieg.
Dies weiß ich nicht. Zwar hoͤrt ich darunter gewaltige
Donner,

Donner mit dieſer Stimme vermengt: Das iſt mein Ge-
liebter,

Und mein Sohn, der mit innig gefaͤllt! Der war wohl
Eloa,

Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies
ausrief.

GOttes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel
anders,

Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf-
drang

Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der
Wuͤſte

Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm ent-
gegen:

Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Suͤnde ver-
ſoͤhnet!

Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir
geweſen,

Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle!
Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab GOtt
die Geſetze,

Aber durch den Geſalbten des HErrn koͤmmt Wahrheit
und Gnade.

Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es,
wenn Traͤumer

Traͤumer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="21">
          <l>
            <pb facs="#f0079" n="75"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Gefang.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim<lb/><hi rendition="#et">wandelt.</hi></l><lb/>
          <l>Aber, warum, und ob &#x017F;ie, dem Erdenkinde zu Ehren,</l><lb/>
          <l>Oder um un&#x017F;ere Wach&#x017F;amkeit auszu&#x017F;or&#x017F;chen, herab&#x017F;tieg.</l><lb/>
          <l>Dies weiß ich nicht. Zwar ho&#x0364;rt ich darunter gewaltige<lb/><hi rendition="#et">Donner,</hi></l><lb/>
          <l>Donner mit die&#x017F;er Stimme vermengt: Das i&#x017F;t mein Ge-<lb/><hi rendition="#et">liebter,</hi></l><lb/>
          <l>Und mein Sohn, der mit innig gefa&#x0364;llt! Der war wohl<lb/><hi rendition="#et">Eloa,</hi></l><lb/>
          <l>Oder &#x017F;on&#x017F;t einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies<lb/><hi rendition="#et">ausrief.</hi></l><lb/>
          <l>GOttes Stimme wars nicht; zum mind&#x017F;ten klang &#x017F;ie viel<lb/><hi rendition="#et">anders,</hi></l><lb/>
          <l>Als er uns Go&#x0364;ttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf-<lb/><hi rendition="#et">drang</hi></l><lb/>
          <l>Auch war ein fin&#x017F;trer Prophet dabey, der dort in der<lb/><hi rendition="#et">Wu&#x0364;&#x017F;te</hi></l><lb/>
          <l>Men&#x017F;chenfeindlich die Fel&#x017F;en durchirrt; der rief ihm ent-<lb/><hi rendition="#et">gegen:</hi></l><lb/>
          <l>Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Su&#x0364;nde ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o&#x0364;hnet!</hi></l><lb/>
          <l>Der du von Ewigkeit bi&#x017F;t, der du lange &#x017F;chon vor mir<lb/><hi rendition="#et">gewe&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Sey mir gegru&#x0364;ßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fu&#x0364;lle!</l><lb/>
          <l>Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Mo&#x017F;en gab GOtt<lb/><hi rendition="#et">die Ge&#x017F;etze,</hi></l><lb/>
          <l>Aber durch den Ge&#x017F;albten des HErrn ko&#x0364;mmt Wahrheit<lb/><hi rendition="#et">und Gnade.</hi></l><lb/>
          <l>J&#x017F;t das nicht hoch und propheti&#x017F;ch genug? So i&#x017F;t es,<lb/><hi rendition="#et">wenn Tra&#x0364;umer</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tra&#x0364;umer</fw><lb/></l>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0079] Zweyter Gefang. Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt. Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren, Oder um unſere Wachſamkeit auszuſorſchen, herabſtieg. Dies weiß ich nicht. Zwar hoͤrt ich darunter gewaltige Donner, Donner mit dieſer Stimme vermengt: Das iſt mein Ge- liebter, Und mein Sohn, der mit innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa, Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies ausrief. GOttes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel anders, Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf- drang Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤſte Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm ent- gegen: Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Suͤnde ver- ſoͤhnet! Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir geweſen, Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab GOtt die Geſetze, Aber durch den Geſalbten des HErrn koͤmmt Wahrheit und Gnade. Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es, wenn Traͤumer Traͤumer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/79
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/79>, abgerufen am 23.11.2024.