Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt. Aber, warum, und ob sie, dem Erdenkinde zu Ehren, Oder um unsere Wachsamkeit auszusorschen, herabstieg. Dies weiß ich nicht. Zwar hört ich darunter gewaltige Donner, Donner mit dieser Stimme vermengt: Das ist mein Ge- liebter, Und mein Sohn, der mit innig gefällt! Der war wohl Eloa, Oder sonst einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies ausrief. GOttes Stimme wars nicht; zum mindsten klang sie viel anders, Als er uns Göttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf- drang Auch war ein finstrer Prophet dabey, der dort in der Wüste Menschenfeindlich die Felsen durchirrt; der rief ihm ent- gegen: Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Sünde ver- söhnet! Der du von Ewigkeit bist, der du lange schon vor mir gewesen, Sey mir gegrüßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fülle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Mosen gab GOtt die Gesetze, Aber durch den Gesalbten des HErrn kömmt Wahrheit und Gnade. Jst das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es, wenn Träumer
Träumer
Zweyter Gefang.
Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt. Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren, Oder um unſere Wachſamkeit auszuſorſchen, herabſtieg. Dies weiß ich nicht. Zwar hoͤrt ich darunter gewaltige Donner, Donner mit dieſer Stimme vermengt: Das iſt mein Ge- liebter, Und mein Sohn, der mit innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa, Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies ausrief. GOttes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel anders, Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf- drang Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤſte Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm ent- gegen: Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Suͤnde ver- ſoͤhnet! Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir geweſen, Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab GOtt die Geſetze, Aber durch den Geſalbten des HErrn koͤmmt Wahrheit und Gnade. Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es, wenn Traͤumer
Traͤumer
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Zweyter Gefang.
Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim
wandelt.
Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren,
Oder um unſere Wachſamkeit auszuſorſchen, herabſtieg.
Dies weiß ich nicht. Zwar hoͤrt ich darunter gewaltige
Donner,
Donner mit dieſer Stimme vermengt: Das iſt mein Ge-
liebter,
Und mein Sohn, der mit innig gefaͤllt! Der war wohl
Eloa,
Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies
ausrief.
GOttes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel
anders,
Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf-
drang
Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der
Wuͤſte
Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm ent-
gegen:
Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Suͤnde ver-
ſoͤhnet!
Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir
geweſen,
Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle!
Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab GOtt
die Geſetze,
Aber durch den Geſalbten des HErrn koͤmmt Wahrheit
und Gnade.
Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es,
wenn Traͤumer
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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/79>, abgerufen am 29.07.2024.
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