Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.
König der Welt, die oberste Gottheit unsclavischer Gei-
ster,

Die mein Ansehn zu etwas erhabnerm, als zu den Ge-
schäften

Himmlischer Sänger bestimmt hat. Dein Ruf, o sterb-
licher Seher,
(Denn Maria wird wohl Unsterbliche niemals gebären!)

Dieser dein Ruf drang, wer du auch bist, zur untersten
Hölle.

Selbst ich verließ sie, sey stolz auf deines Königs Bemü-
hung!

Dich von himmlischen Sclaven verkündigten Heiland, zu
sehen.

Doch du wurdest ein Mensch, ein götterträumender Se-
her,

Wie die, welche mein mächtiger Tod in die Erde begra-
ben.

Darum gab ich nicht Acht, was die ueuen Unsterblichen
thaten.

Doch nicht müßig zu seyn, so plagt ich, das hast du gese-
hen!

Deine Geliebten, die Menschen. Da sieh des Todes Ge-
stalten,

Meine Geschöpf, auf diesem Gesicht! Jtzt eil ich zur Hölle.
Unter mir soll mein allmächtiger Fuß das Meer und die
Erde,

Mir anständige Wege zu bahnen, gewaltsam verwüsten.
Dann soll die Höll im Triumph mein königlich Angesicht
schauen.

Willst du was thun, so thu es alsdann. Jch kehre zu-
rücke,

Hier
D 3

Zweyter Geſang.
Koͤnig der Welt, die oberſte Gottheit unſclaviſcher Gei-
ſter,

Die mein Anſehn zu etwas erhabnerm, als zu den Ge-
ſchaͤften

Himmliſcher Saͤnger beſtimmt hat. Dein Ruf, o ſterb-
licher Seher,
(Denn Maria wird wohl Unſterbliche niemals gebaͤren!)

Dieſer dein Ruf drang, wer du auch biſt, zur unterſten
Hoͤlle.

Selbſt ich verließ ſie, ſey ſtolz auf deines Koͤnigs Bemuͤ-
hung!

Dich von himmliſchen Sclaven verkuͤndigten Heiland, zu
ſehen.

Doch du wurdeſt ein Menſch, ein goͤttertraͤumender Se-
her,

Wie die, welche mein maͤchtiger Tod in die Erde begra-
ben.

Darum gab ich nicht Acht, was die ueuen Unſterblichen
thaten.

Doch nicht muͤßig zu ſeyn, ſo plagt ich, das haſt du geſe-
hen!

Deine Geliebten, die Menſchen. Da ſieh des Todes Ge-
ſtalten,

Meine Geſchoͤpf, auf dieſem Geſicht! Jtzt eil ich zur Hoͤlle.
Unter mir ſoll mein allmaͤchtiger Fuß das Meer und die
Erde,

Mir anſtaͤndige Wege zu bahnen, gewaltſam verwuͤſten.
Dann ſoll die Hoͤll im Triumph mein koͤniglich Angeſicht
ſchauen.

Willſt du was thun, ſo thu es alsdann. Jch kehre zu-
ruͤcke,

Hier
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="9">
          <pb facs="#f0057" n="53"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
          <l>Ko&#x0364;nig der Welt, die ober&#x017F;te Gottheit un&#x017F;clavi&#x017F;cher Gei-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ter,</hi></l><lb/>
          <l>Die mein An&#x017F;ehn zu etwas erhabnerm, als zu den Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cha&#x0364;ften</hi></l><lb/>
          <l>Himmli&#x017F;cher Sa&#x0364;nger be&#x017F;timmt hat. Dein Ruf, o &#x017F;terb-<lb/><hi rendition="#et">licher Seher,</hi><lb/>
(Denn Maria wird wohl Un&#x017F;terbliche niemals geba&#x0364;ren!)</l><lb/>
          <l>Die&#x017F;er dein Ruf drang, wer du auch bi&#x017F;t, zur unter&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#et">Ho&#x0364;lle.</hi></l><lb/>
          <l>Selb&#x017F;t ich verließ &#x017F;ie, &#x017F;ey &#x017F;tolz auf deines Ko&#x0364;nigs Bemu&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">hung!</hi></l><lb/>
          <l>Dich von himmli&#x017F;chen Sclaven verku&#x0364;ndigten Heiland, zu<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehen.</hi></l><lb/>
          <l>Doch du wurde&#x017F;t ein Men&#x017F;ch, ein go&#x0364;ttertra&#x0364;umender Se-<lb/><hi rendition="#et">her,</hi></l><lb/>
          <l>Wie die, welche mein ma&#x0364;chtiger Tod in die Erde begra-<lb/><hi rendition="#et">ben.</hi></l><lb/>
          <l>Darum gab ich nicht Acht, was die ueuen Un&#x017F;terblichen<lb/><hi rendition="#et">thaten.</hi></l><lb/>
          <l>Doch nicht mu&#x0364;ßig zu &#x017F;eyn, &#x017F;o plagt ich, das ha&#x017F;t du ge&#x017F;e-<lb/><hi rendition="#et">hen!</hi></l><lb/>
          <l>Deine Geliebten, die Men&#x017F;chen. Da &#x017F;ieh des Todes Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;talten,</hi></l><lb/>
          <l>Meine Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, auf die&#x017F;em Ge&#x017F;icht! Jtzt eil ich zur Ho&#x0364;lle.</l><lb/>
          <l>Unter mir &#x017F;oll mein allma&#x0364;chtiger Fuß das Meer und die<lb/><hi rendition="#et">Erde,</hi></l><lb/>
          <l>Mir an&#x017F;ta&#x0364;ndige Wege zu bahnen, gewalt&#x017F;am verwu&#x0364;&#x017F;ten.</l><lb/>
          <l>Dann &#x017F;oll die Ho&#x0364;ll im Triumph mein ko&#x0364;niglich Ange&#x017F;icht<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chauen.</hi></l><lb/>
          <l>Will&#x017F;t du was thun, &#x017F;o thu es alsdann. Jch kehre zu-<lb/><hi rendition="#et">ru&#x0364;cke,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0057] Zweyter Geſang. Koͤnig der Welt, die oberſte Gottheit unſclaviſcher Gei- ſter, Die mein Anſehn zu etwas erhabnerm, als zu den Ge- ſchaͤften Himmliſcher Saͤnger beſtimmt hat. Dein Ruf, o ſterb- licher Seher, (Denn Maria wird wohl Unſterbliche niemals gebaͤren!) Dieſer dein Ruf drang, wer du auch biſt, zur unterſten Hoͤlle. Selbſt ich verließ ſie, ſey ſtolz auf deines Koͤnigs Bemuͤ- hung! Dich von himmliſchen Sclaven verkuͤndigten Heiland, zu ſehen. Doch du wurdeſt ein Menſch, ein goͤttertraͤumender Se- her, Wie die, welche mein maͤchtiger Tod in die Erde begra- ben. Darum gab ich nicht Acht, was die ueuen Unſterblichen thaten. Doch nicht muͤßig zu ſeyn, ſo plagt ich, das haſt du geſe- hen! Deine Geliebten, die Menſchen. Da ſieh des Todes Ge- ſtalten, Meine Geſchoͤpf, auf dieſem Geſicht! Jtzt eil ich zur Hoͤlle. Unter mir ſoll mein allmaͤchtiger Fuß das Meer und die Erde, Mir anſtaͤndige Wege zu bahnen, gewaltſam verwuͤſten. Dann ſoll die Hoͤll im Triumph mein koͤniglich Angeſicht ſchauen. Willſt du was thun, ſo thu es alsdann. Jch kehre zu- ruͤcke, Hier D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/57
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/57>, abgerufen am 02.05.2024.