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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Dritter Gesang.

Schnell empört er sein klopfendes Herz zu Begierden der
Bosheit;

Senkte zuerst empfundne Gedanken, voll Feuer und
stürmend,

Jn die Seele. So wie sich ein Donner in schweflichte
Berge

Himmelab stürzt, sie entzündt, neue Donner zu sich
versammelt,

Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, sich
fortwälzt.

Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der
Menschen

Edle Gedanken, der Ewigkeit würdige grosse Gedanken
Einzugeben, war Satan zu seiner grössern Verdammniß
Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer sorgsamer
Ahndung

Seraph Jthuriel wieder zurück, bey dem Jünger zu blei-
ben.

Aber da er wahrnahm, wie über Jscharioth Satan
Sich verbreitete, bebt er und stand, und sahe zu GOtt
auf,

Und entschloß sich, vom Schlaf Jscharioth aufzuwecken.
Dreymal schwebt er auf Flügeln des Sturms durch
brausende Cedern

Ueber sein Angesicht hin, gieng dreymal mit mächtigen
Schritten,

Bey dem Jünger vorbey, daß des Bergs Haupt unter
ihm bebte.

Aber Jscharioth blieb mit kalten erblassenden Wangen,
Wie in tödtlichem Schlummer. Der Seraph gieng seit-
wärts, und seufzte.

Jndem

Dritter Geſang.

Schnell empoͤrt er ſein klopfendes Herz zu Begierden der
Bosheit;

Senkte zuerſt empfundne Gedanken, voll Feuer und
ſtuͤrmend,

Jn die Seele. So wie ſich ein Donner in ſchweflichte
Berge

Himmelab ſtuͤrzt, ſie entzuͤndt, neue Donner zu ſich
verſammelt,

Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, ſich
fortwaͤlzt.

Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der
Menſchen

Edle Gedanken, der Ewigkeit wuͤrdige groſſe Gedanken
Einzugeben, war Satan zu ſeiner groͤſſern Verdammniß
Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer ſorgſamer
Ahndung

Seraph Jthuriel wieder zuruͤck, bey dem Juͤnger zu blei-
ben.

Aber da er wahrnahm, wie uͤber Jſcharioth Satan
Sich verbreitete, bebt er und ſtand, und ſahe zu GOtt
auf,

Und entſchloß ſich, vom Schlaf Jſcharioth aufzuwecken.
Dreymal ſchwebt er auf Fluͤgeln des Sturms durch
brauſende Cedern

Ueber ſein Angeſicht hin, gieng dreymal mit maͤchtigen
Schritten,

Bey dem Juͤnger vorbey, daß des Bergs Haupt unter
ihm bebte.

Aber Jſcharioth blieb mit kalten erblaſſenden Wangen,
Wie in toͤdtlichem Schlummer. Der Seraph gieng ſeit-
waͤrts, und ſeufzte.

Jndem
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[127/0131] Dritter Geſang. Schnell empoͤrt er ſein klopfendes Herz zu Begierden der Bosheit; Senkte zuerſt empfundne Gedanken, voll Feuer und ſtuͤrmend, Jn die Seele. So wie ſich ein Donner in ſchweflichte Berge Himmelab ſtuͤrzt, ſie entzuͤndt, neue Donner zu ſich verſammelt, Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, ſich fortwaͤlzt. Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der Menſchen Edle Gedanken, der Ewigkeit wuͤrdige groſſe Gedanken Einzugeben, war Satan zu ſeiner groͤſſern Verdammniß Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer ſorgſamer Ahndung Seraph Jthuriel wieder zuruͤck, bey dem Juͤnger zu blei- ben. Aber da er wahrnahm, wie uͤber Jſcharioth Satan Sich verbreitete, bebt er und ſtand, und ſahe zu GOtt auf, Und entſchloß ſich, vom Schlaf Jſcharioth aufzuwecken. Dreymal ſchwebt er auf Fluͤgeln des Sturms durch brauſende Cedern Ueber ſein Angeſicht hin, gieng dreymal mit maͤchtigen Schritten, Bey dem Juͤnger vorbey, daß des Bergs Haupt unter ihm bebte. Aber Jſcharioth blieb mit kalten erblaſſenden Wangen, Wie in toͤdtlichem Schlummer. Der Seraph gieng ſeit- waͤrts, und ſeufzte. Jndem

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/131>, abgerufen am 03.05.2024.