Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Gesang.

Und er ist es auch würdig. Noch ward in heiligen Stun-
den

Keine so göttliche Seele vom grossen Schöpfer gebildet,
Als die unschuldige Seele Johannes. Jch hab es gese-
hen,

Da die Unsterbliche kam. Sie priesen glänzende Reihen
Himmlischer Jünglinge selig, und sangen von ihrer Ge-
spielinn:

Sey uns gegrüßt bey deinem Hervorgehn, unsterb-
liche Freundinn,

Heilige Tochter des göttlichen Hauchs, komm, sey uns
gesegnet!

Du bist schön und zärtlich, wie Salem, wie Raphael,
himmlisch

Und erhaben. Dir werden aus deiner heiteren Fülle,
Wie aus der Morgenröthe der Thau, die Gedanken ge-
boren,

Und dein menschliches Herz, dein Herz voll zärtlicher Trie-
be

Fließt, wie der Seraphim Auge, das bey Erblickung der
Tugend

Voller Entzückungen weint, von süssen Empfindungen
über!

Tochter des göttlichen Hauchs, vertraulichste Schwester
der Seele,

Die in ihrer unschuldigen Jugend einst Adam belebte,
Komm, wir führen dich itzt zu deinem Vertrauten, dem
Körper,

Den die Natur schön bildet, damit du im Lächeln, o
Seele,
Dein

Dritter Geſang.

Und er iſt es auch wuͤrdig. Noch ward in heiligen Stun-
den

Keine ſo goͤttliche Seele vom groſſen Schoͤpfer gebildet,
Als die unſchuldige Seele Johannes. Jch hab es geſe-
hen,

Da die Unſterbliche kam. Sie prieſen glaͤnzende Reihen
Himmliſcher Juͤnglinge ſelig, und ſangen von ihrer Ge-
ſpielinn:

Sey uns gegruͤßt bey deinem Hervorgehn, unſterb-
liche Freundinn,

Heilige Tochter des goͤttlichen Hauchs, komm, ſey uns
geſegnet!

Du biſt ſchoͤn und zaͤrtlich, wie Salem, wie Raphael,
himmliſch

Und erhaben. Dir werden aus deiner heiteren Fuͤlle,
Wie aus der Morgenroͤthe der Thau, die Gedanken ge-
boren,

Und dein menſchliches Herz, dein Herz voll zaͤrtlicher Trie-
be

Fließt, wie der Seraphim Auge, das bey Erblickung der
Tugend

Voller Entzuͤckungen weint, von ſuͤſſen Empfindungen
uͤber!

Tochter des goͤttlichen Hauchs, vertraulichſte Schweſter
der Seele,

Die in ihrer unſchuldigen Jugend einſt Adam belebte,
Komm, wir fuͤhren dich itzt zu deinem Vertrauten, dem
Koͤrper,

Den die Natur ſchoͤn bildet, damit du im Laͤcheln, o
Seele,
Dein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="30">
          <l>
            <pb facs="#f0127" n="123"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Und er i&#x017F;t es auch wu&#x0364;rdig. Noch ward in heiligen Stun-<lb/><hi rendition="#et">den</hi></l><lb/>
          <l>Keine &#x017F;o go&#x0364;ttliche Seele vom gro&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;pfer gebildet,</l><lb/>
          <l>Als die un&#x017F;chuldige Seele Johannes. Jch hab es ge&#x017F;e-<lb/><hi rendition="#et">hen,</hi></l><lb/>
          <l>Da die Un&#x017F;terbliche kam. Sie prie&#x017F;en gla&#x0364;nzende Reihen</l><lb/>
          <l>Himmli&#x017F;cher Ju&#x0364;nglinge &#x017F;elig, und &#x017F;angen von ihrer Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pielinn:</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg n="31">
          <l>Sey uns gegru&#x0364;ßt bey deinem Hervorgehn, un&#x017F;terb-<lb/><hi rendition="#et">liche Freundinn,</hi></l><lb/>
          <l>Heilige Tochter des go&#x0364;ttlichen Hauchs, komm, &#x017F;ey uns<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;egnet!</hi></l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n und za&#x0364;rtlich, wie Salem, wie Raphael,<lb/><hi rendition="#et">himmli&#x017F;ch</hi></l><lb/>
          <l>Und erhaben. Dir werden aus deiner heiteren Fu&#x0364;lle,</l><lb/>
          <l>Wie aus der Morgenro&#x0364;the der Thau, die Gedanken ge-<lb/><hi rendition="#et">boren,</hi></l><lb/>
          <l>Und dein men&#x017F;chliches Herz, dein Herz voll za&#x0364;rtlicher Trie-<lb/><hi rendition="#et">be</hi></l><lb/>
          <l>Fließt, wie der Seraphim Auge, das bey Erblickung der<lb/><hi rendition="#et">Tugend</hi></l><lb/>
          <l>Voller Entzu&#x0364;ckungen weint, von &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Empfindungen<lb/><hi rendition="#et">u&#x0364;ber!</hi></l><lb/>
          <l>Tochter des go&#x0364;ttlichen Hauchs, vertraulich&#x017F;te Schwe&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#et">der Seele,</hi></l><lb/>
          <l>Die in ihrer un&#x017F;chuldigen Jugend ein&#x017F;t Adam belebte,</l><lb/>
          <l>Komm, wir fu&#x0364;hren dich itzt zu deinem Vertrauten, dem<lb/><hi rendition="#et">Ko&#x0364;rper,</hi></l><lb/>
          <l>Den die Natur &#x017F;cho&#x0364;n bildet, damit du im La&#x0364;cheln, o<lb/><hi rendition="#et">Seele,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dein</fw><lb/></l>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0127] Dritter Geſang. Und er iſt es auch wuͤrdig. Noch ward in heiligen Stun- den Keine ſo goͤttliche Seele vom groſſen Schoͤpfer gebildet, Als die unſchuldige Seele Johannes. Jch hab es geſe- hen, Da die Unſterbliche kam. Sie prieſen glaͤnzende Reihen Himmliſcher Juͤnglinge ſelig, und ſangen von ihrer Ge- ſpielinn: Sey uns gegruͤßt bey deinem Hervorgehn, unſterb- liche Freundinn, Heilige Tochter des goͤttlichen Hauchs, komm, ſey uns geſegnet! Du biſt ſchoͤn und zaͤrtlich, wie Salem, wie Raphael, himmliſch Und erhaben. Dir werden aus deiner heiteren Fuͤlle, Wie aus der Morgenroͤthe der Thau, die Gedanken ge- boren, Und dein menſchliches Herz, dein Herz voll zaͤrtlicher Trie- be Fließt, wie der Seraphim Auge, das bey Erblickung der Tugend Voller Entzuͤckungen weint, von ſuͤſſen Empfindungen uͤber! Tochter des goͤttlichen Hauchs, vertraulichſte Schweſter der Seele, Die in ihrer unſchuldigen Jugend einſt Adam belebte, Komm, wir fuͤhren dich itzt zu deinem Vertrauten, dem Koͤrper, Den die Natur ſchoͤn bildet, damit du im Laͤcheln, o Seele, Dein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/127
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/127>, abgerufen am 23.11.2024.