Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.
Simon
Simon
<TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <lg n="11"> <l> <pb facs="#f0108" n="104"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Seraph, du wuͤrdeſt ſein fuͤhlendes Herz noch goͤttlicher<lb/><hi rendition="#et">nennen.</hi></l><lb/> <l>Juͤngſt als JEſus die Juͤnger befragte, fuͤr wen ſie ihn<lb/><hi rendition="#et">hielten,</hi></l><lb/> <l>Sprach er: du biſt Chriſtus, der Sohn des lebendigen<lb/><hi rendition="#et">GOttes!</hi></l><lb/> <l>Dieſes ſagt er, und weinte vor Freude. Wir weinten<lb/><hi rendition="#et">auch, Seraph,</hi></l><lb/> <l>Als er die Worte vor unausſprechlichen Seufzern kaum<lb/><hi rendition="#et">ganz ſprach.</hi></l><lb/> <l>Aber ach! haͤtt ich nur nicht ſelbſt aus dem Munde des<lb/><hi rendition="#et">Mittlers</hi></l><lb/> <l>Dies vom Petrus gehoͤrt: du wirſt mich dreymal verleug-<lb/><hi rendition="#et">nen.</hi></l><lb/> <l>Traurige Worte, was ſagtet ihr mir! Ach Simon, mein<lb/><hi rendition="#et">Bruder,</hi></l><lb/> <l>Hoͤrteſt du ſie? Und wenn du ſie hoͤrteſt, was dachte dein<lb/><hi rendition="#et">Herze?</hi></l><lb/> <l>Simon, du ſagteſt zwar kuͤhn: Du wollteſt ihn niemals<lb/><hi rendition="#et">verleugnen,</hi></l><lb/> <l>Deinen Erloͤſer und GOtt! Doch JEſus ſagt es noch<lb/><hi rendition="#et">einmal.</hi></l><lb/> <l>Wenn du es wuͤßteſt, wie mir mein Herz fuͤr Wehmuth<lb/><hi rendition="#et">zerflieſſet,</hi></l><lb/> <l>Wenn ich dran denke, du ſtuͤrbeſt viel lieber, als daß<lb/><hi rendition="#et">du den beſten,</hi></l><lb/> <l>Deinen getreuſten unſterblichen Freund unedel verkenn-<lb/><hi rendition="#et">teſt.</hi></l><lb/> <l>Doch du weißt ja, wie JEſus dich liebt. Du ſahſt ja<lb/><hi rendition="#et">ſein Auge,</hi></l><lb/> <l>Das voll goͤttlicher Huld bey dieſen Worten dich anſah.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Simon</fw><lb/></l> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [104/0108]
Der Meſſias.
Seraph, du wuͤrdeſt ſein fuͤhlendes Herz noch goͤttlicher
nennen.
Juͤngſt als JEſus die Juͤnger befragte, fuͤr wen ſie ihn
hielten,
Sprach er: du biſt Chriſtus, der Sohn des lebendigen
GOttes!
Dieſes ſagt er, und weinte vor Freude. Wir weinten
auch, Seraph,
Als er die Worte vor unausſprechlichen Seufzern kaum
ganz ſprach.
Aber ach! haͤtt ich nur nicht ſelbſt aus dem Munde des
Mittlers
Dies vom Petrus gehoͤrt: du wirſt mich dreymal verleug-
nen.
Traurige Worte, was ſagtet ihr mir! Ach Simon, mein
Bruder,
Hoͤrteſt du ſie? Und wenn du ſie hoͤrteſt, was dachte dein
Herze?
Simon, du ſagteſt zwar kuͤhn: Du wollteſt ihn niemals
verleugnen,
Deinen Erloͤſer und GOtt! Doch JEſus ſagt es noch
einmal.
Wenn du es wuͤßteſt, wie mir mein Herz fuͤr Wehmuth
zerflieſſet,
Wenn ich dran denke, du ſtuͤrbeſt viel lieber, als daß
du den beſten,
Deinen getreuſten unſterblichen Freund unedel verkenn-
teſt.
Doch du weißt ja, wie JEſus dich liebt. Du ſahſt ja
ſein Auge,
Das voll goͤttlicher Huld bey dieſen Worten dich anſah.
Simon
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