Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtzehnter Gesang.
Wo mit lautem Rufe der Donner euch niedergeschmettert,
Oder, euch tief zu begraben, geöffnet die Erde sich hätte;
Wär euch, auf diese Stunde der Angst, nicht Rache gesammelt!
Schaut nun wieder zurück, zurück durch die Thäler des Todes,
Hinter dem Rücken ins Leben, als ihr noch träumtet in Unsinn,
Sichrer mit Händen voll Bluts nach des Himmels Krone zu greifen!
Sieh, ihr Antlitz, welches ihr saht mit dem Tode sich färben,
Und das Beben der starken Natur durch der Christen Gebeine
Hingegossen; (nicht durch den Geist, der mit herrschender Ruhe
Von dem sinkenden Staube sich wand, und willig den Winden
Seine Trümmer vertraute, doch einst sie wieder zu fodern!)
Dann in den Flammen ihr Lied, bis ihnen die Wut der Flammen
Gottes Preise verbot, das Alles, welchem ihr zusaht
Mit unmenschlicher Ruh, was ist es jezo geworden?
Dank, Anbetung, und Feyer, und laute Wonne dem Herrscher
Aller Himmel Himmel, und seiner Märtyrer Bruder,
Daß der Tod nicht mehr ist! statt seiner drohenden Schauer,
Süße mächtige Schauer die Auferstehenden faßten,
Da die Winde den Staub, die Verwesungen aller der Todten
Brachten, und durch die Natur die neue Schöpfung einhergieng!
Da das stammelnde Lied, nun Halleluja, heraufstieg!
Statt des Gebets um Erbarmung, ihr Heilig! Heilig! ertönte,
Und in Jubelgesange den Unaussprechlichen nannte!

Also klagte der mächtige Kläger. Ein anderer folgt' ihm,
Trat gefürchtet hervor, und sprach: Getödtete stehn dort,
Sind, wie ihre Mörder, verworfen! Jhr Leben, der Endzweck,
Der sie entflammte, die Höh'n der Religion zu ersteigen,
Hat
F 4

Achtzehnter Geſang.
Wo mit lautem Rufe der Donner euch niedergeſchmettert,
Oder, euch tief zu begraben, geoͤffnet die Erde ſich haͤtte;
Waͤr euch, auf dieſe Stunde der Angſt, nicht Rache geſammelt!
Schaut nun wieder zuruͤck, zuruͤck durch die Thaͤler des Todes,
Hinter dem Ruͤcken ins Leben, als ihr noch traͤumtet in Unſinn,
Sichrer mit Haͤnden voll Bluts nach des Himmels Krone zu greifen!
Sieh, ihr Antlitz, welches ihr ſaht mit dem Tode ſich faͤrben,
Und das Beben der ſtarken Natur durch der Chriſten Gebeine
Hingegoſſen; (nicht durch den Geiſt, der mit herrſchender Ruhe
Von dem ſinkenden Staube ſich wand, und willig den Winden
Seine Truͤmmer vertraute, doch einſt ſie wieder zu fodern!)
Dann in den Flammen ihr Lied, bis ihnen die Wut der Flammen
Gottes Preiſe verbot, das Alles, welchem ihr zuſaht
Mit unmenſchlicher Ruh, was iſt es jezo geworden?
Dank, Anbetung, und Feyer, und laute Wonne dem Herrſcher
Aller Himmel Himmel, und ſeiner Maͤrtyrer Bruder,
Daß der Tod nicht mehr iſt! ſtatt ſeiner drohenden Schauer,
Suͤße maͤchtige Schauer die Auferſtehenden faßten,
Da die Winde den Staub, die Verweſungen aller der Todten
Brachten, und durch die Natur die neue Schoͤpfung einhergieng!
Da das ſtammelnde Lied, nun Halleluja, heraufſtieg!
Statt des Gebets um Erbarmung, ihr Heilig! Heilig! ertoͤnte,
Und in Jubelgeſange den Unausſprechlichen nannte!

Alſo klagte der maͤchtige Klaͤger. Ein anderer folgt’ ihm,
Trat gefuͤrchtet hervor, und ſprach: Getoͤdtete ſtehn dort,
Sind, wie ihre Moͤrder, verworfen! Jhr Leben, der Endzweck,
Der ſie entflammte, die Hoͤh’n der Religion zu erſteigen,
Hat
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <pb facs="#f0087" n="87"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achtzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
              <l>Wo mit lautem Rufe der Donner euch niederge&#x017F;chmettert,</l><lb/>
              <l>Oder, euch tief zu begraben, geo&#x0364;ffnet die Erde &#x017F;ich ha&#x0364;tte;</l><lb/>
              <l>Wa&#x0364;r euch, auf die&#x017F;e Stunde der Ang&#x017F;t, nicht Rache ge&#x017F;ammelt!</l><lb/>
              <l>Schaut nun wieder zuru&#x0364;ck, zuru&#x0364;ck durch die Tha&#x0364;ler des Todes,</l><lb/>
              <l>Hinter dem Ru&#x0364;cken ins Leben, als ihr noch tra&#x0364;umtet in Un&#x017F;inn,</l><lb/>
              <l>Sichrer mit Ha&#x0364;nden voll Bluts nach des Himmels Krone zu greifen!</l><lb/>
              <l>Sieh, ihr Antlitz, welches ihr &#x017F;aht mit dem Tode &#x017F;ich fa&#x0364;rben,</l><lb/>
              <l>Und das Beben der &#x017F;tarken Natur durch der Chri&#x017F;ten Gebeine</l><lb/>
              <l>Hingego&#x017F;&#x017F;en; (nicht durch den Gei&#x017F;t, der mit herr&#x017F;chender Ruhe</l><lb/>
              <l>Von dem &#x017F;inkenden Staube &#x017F;ich wand, und willig den Winden</l><lb/>
              <l>Seine Tru&#x0364;mmer vertraute, doch ein&#x017F;t &#x017F;ie wieder zu fodern!)</l><lb/>
              <l>Dann in den Flammen ihr Lied, bis ihnen die Wut der Flammen</l><lb/>
              <l>Gottes Prei&#x017F;e verbot, das Alles, welchem ihr zu&#x017F;aht</l><lb/>
              <l>Mit unmen&#x017F;chlicher Ruh, was i&#x017F;t es jezo geworden?</l><lb/>
              <l>Dank, Anbetung, und Feyer, und laute Wonne dem Herr&#x017F;cher</l><lb/>
              <l>Aller Himmel Himmel, und &#x017F;einer Ma&#x0364;rtyrer Bruder,</l><lb/>
              <l>Daß der Tod nicht mehr i&#x017F;t! &#x017F;tatt &#x017F;einer drohenden Schauer,</l><lb/>
              <l>Su&#x0364;ße ma&#x0364;chtige Schauer die Aufer&#x017F;tehenden faßten,</l><lb/>
              <l>Da die Winde den Staub, die Verwe&#x017F;ungen aller der Todten</l><lb/>
              <l>Brachten, und durch die Natur die neue Scho&#x0364;pfung einhergieng!</l><lb/>
              <l>Da das &#x017F;tammelnde Lied, nun Halleluja, herauf&#x017F;tieg!</l><lb/>
              <l>Statt des Gebets um Erbarmung, ihr Heilig! Heilig! erto&#x0364;nte,</l><lb/>
              <l>Und in Jubelge&#x017F;ange den Unaus&#x017F;prechlichen nannte!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Al&#x017F;o klagte der ma&#x0364;chtige Kla&#x0364;ger. Ein anderer folgt&#x2019; ihm,</l><lb/>
              <l>Trat gefu&#x0364;rchtet hervor, und &#x017F;prach: Geto&#x0364;dtete &#x017F;tehn dort,</l><lb/>
              <l>Sind, wie ihre Mo&#x0364;rder, verworfen! Jhr Leben, der Endzweck,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ie entflammte, die Ho&#x0364;h&#x2019;n der Religion zu er&#x017F;teigen,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Hat</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0087] Achtzehnter Geſang. Wo mit lautem Rufe der Donner euch niedergeſchmettert, Oder, euch tief zu begraben, geoͤffnet die Erde ſich haͤtte; Waͤr euch, auf dieſe Stunde der Angſt, nicht Rache geſammelt! Schaut nun wieder zuruͤck, zuruͤck durch die Thaͤler des Todes, Hinter dem Ruͤcken ins Leben, als ihr noch traͤumtet in Unſinn, Sichrer mit Haͤnden voll Bluts nach des Himmels Krone zu greifen! Sieh, ihr Antlitz, welches ihr ſaht mit dem Tode ſich faͤrben, Und das Beben der ſtarken Natur durch der Chriſten Gebeine Hingegoſſen; (nicht durch den Geiſt, der mit herrſchender Ruhe Von dem ſinkenden Staube ſich wand, und willig den Winden Seine Truͤmmer vertraute, doch einſt ſie wieder zu fodern!) Dann in den Flammen ihr Lied, bis ihnen die Wut der Flammen Gottes Preiſe verbot, das Alles, welchem ihr zuſaht Mit unmenſchlicher Ruh, was iſt es jezo geworden? Dank, Anbetung, und Feyer, und laute Wonne dem Herrſcher Aller Himmel Himmel, und ſeiner Maͤrtyrer Bruder, Daß der Tod nicht mehr iſt! ſtatt ſeiner drohenden Schauer, Suͤße maͤchtige Schauer die Auferſtehenden faßten, Da die Winde den Staub, die Verweſungen aller der Todten Brachten, und durch die Natur die neue Schoͤpfung einhergieng! Da das ſtammelnde Lied, nun Halleluja, heraufſtieg! Statt des Gebets um Erbarmung, ihr Heilig! Heilig! ertoͤnte, Und in Jubelgeſange den Unausſprechlichen nannte! Alſo klagte der maͤchtige Klaͤger. Ein anderer folgt’ ihm, Trat gefuͤrchtet hervor, und ſprach: Getoͤdtete ſtehn dort, Sind, wie ihre Moͤrder, verworfen! Jhr Leben, der Endzweck, Der ſie entflammte, die Hoͤh’n der Religion zu erſteigen, Hat F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/87
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/87>, abgerufen am 02.05.2024.