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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Achtzehnter Gesang.
Grenzlos war das Gefild der Auferstehung. Sie warens
Alle meine Kinder! O ewiger Vater der Wesen!
Welch ein Anschaun war es! und welches das Anschaun dessen,
Der auf dem Throne saß, die Kinder Adams zu richten!
Väter des Mittlers, und ihr, o Engel! wie mächtig empfand ich,
Was die Unsterblichkeit sey! Das Alles erblickt' ich, und lebte!
Siehe, der Tag wird kommen, dann werdet ihr alle das Heer sehn,
Das ich sah! und dann wird die Ewigkeit kommen, und keiner
Unter euch allen wird dann das auszusprechen vermögen,
Was er sah. Ach er sah dann auch auf dem Throne den Richter!

Adam senkte zum Wonnegebete sich nieder zur Erde:
Jesus Christus, du haft mich erhört, und ich habe gesehen
Deines entscheidenden Tages der Strahlen einige leuchten,
Einige Donner deines Gerichts, Sohn Gottes, vernommen!
Und der Vater der Menschen erhub sich wieder, und sagte:
Lange, so däucht es mich, dauerte schon die Zeit der Entscheidung;
Viele waren schon, als ich mich nahte, gerichtet,
Sieh, es war kein Tag der Sonne; sie war erloschen,
Oder verhüllet. Der Glanz des Thrones überstrahlte
Schön, und schrecklich das weite Gefilde der Auferstehung.
Christen wurden, die Christen verfolgten, und wegen der Lehre
Von dem getödteten Menschenfreunde, von herzlicher Liebe
Zu den Brüdern, die Brüder erwürgten, (Mein Jnnerstes zittert
Und mein starrender Blick sieht wieder am Opferaltare
Abel in seinem Blute, den Guten vom Bösen getödtet!)
Diese wurden gerufen, vor Gott zu kommen. Der Cherub,
Welcher sie rief, stieg nieder vom Thron zu dem offnen Gerichtsplatz,
Stand
F 3

Achtzehnter Geſang.
Grenzlos war das Gefild der Auferſtehung. Sie warens
Alle meine Kinder! O ewiger Vater der Weſen!
Welch ein Anſchaun war es! und welches das Anſchaun deſſen,
Der auf dem Throne ſaß, die Kinder Adams zu richten!
Vaͤter des Mittlers, und ihr, o Engel! wie maͤchtig empfand ich,
Was die Unſterblichkeit ſey! Das Alles erblickt’ ich, und lebte!
Siehe, der Tag wird kommen, dann werdet ihr alle das Heer ſehn,
Das ich ſah! und dann wird die Ewigkeit kommen, und keiner
Unter euch allen wird dann das auszuſprechen vermoͤgen,
Was er ſah. Ach er ſah dann auch auf dem Throne den Richter!

Adam ſenkte zum Wonnegebete ſich nieder zur Erde:
Jeſus Chriſtus, du haft mich erhoͤrt, und ich habe geſehen
Deines entſcheidenden Tages der Strahlen einige leuchten,
Einige Donner deines Gerichts, Sohn Gottes, vernommen!
Und der Vater der Menſchen erhub ſich wieder, und ſagte:
Lange, ſo daͤucht es mich, dauerte ſchon die Zeit der Entſcheidung;
Viele waren ſchon, als ich mich nahte, gerichtet,
Sieh, es war kein Tag der Sonne; ſie war erloſchen,
Oder verhuͤllet. Der Glanz des Thrones uͤberſtrahlte
Schoͤn, und ſchrecklich das weite Gefilde der Auferſtehung.
Chriſten wurden, die Chriſten verfolgten, und wegen der Lehre
Von dem getoͤdteten Menſchenfreunde, von herzlicher Liebe
Zu den Bruͤdern, die Bruͤder erwuͤrgten, (Mein Jnnerſtes zittert
Und mein ſtarrender Blick ſieht wieder am Opferaltare
Abel in ſeinem Blute, den Guten vom Boͤſen getoͤdtet!)
Dieſe wurden gerufen, vor Gott zu kommen. Der Cherub,
Welcher ſie rief, ſtieg nieder vom Thron zu dem offnen Gerichtsplatz,
Stand
F 3
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[85/0085] Achtzehnter Geſang. Grenzlos war das Gefild der Auferſtehung. Sie warens Alle meine Kinder! O ewiger Vater der Weſen! Welch ein Anſchaun war es! und welches das Anſchaun deſſen, Der auf dem Throne ſaß, die Kinder Adams zu richten! Vaͤter des Mittlers, und ihr, o Engel! wie maͤchtig empfand ich, Was die Unſterblichkeit ſey! Das Alles erblickt’ ich, und lebte! Siehe, der Tag wird kommen, dann werdet ihr alle das Heer ſehn, Das ich ſah! und dann wird die Ewigkeit kommen, und keiner Unter euch allen wird dann das auszuſprechen vermoͤgen, Was er ſah. Ach er ſah dann auch auf dem Throne den Richter! Adam ſenkte zum Wonnegebete ſich nieder zur Erde: Jeſus Chriſtus, du haft mich erhoͤrt, und ich habe geſehen Deines entſcheidenden Tages der Strahlen einige leuchten, Einige Donner deines Gerichts, Sohn Gottes, vernommen! Und der Vater der Menſchen erhub ſich wieder, und ſagte: Lange, ſo daͤucht es mich, dauerte ſchon die Zeit der Entſcheidung; Viele waren ſchon, als ich mich nahte, gerichtet, Sieh, es war kein Tag der Sonne; ſie war erloſchen, Oder verhuͤllet. Der Glanz des Thrones uͤberſtrahlte Schoͤn, und ſchrecklich das weite Gefilde der Auferſtehung. Chriſten wurden, die Chriſten verfolgten, und wegen der Lehre Von dem getoͤdteten Menſchenfreunde, von herzlicher Liebe Zu den Bruͤdern, die Bruͤder erwuͤrgten, (Mein Jnnerſtes zittert Und mein ſtarrender Blick ſieht wieder am Opferaltare Abel in ſeinem Blute, den Guten vom Boͤſen getoͤdtet!) Dieſe wurden gerufen, vor Gott zu kommen. Der Cherub, Welcher ſie rief, ſtieg nieder vom Thron zu dem offnen Gerichtsplatz, Stand F 3

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/85>, abgerufen am 02.05.2024.