Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechzehnter Gesang.
Engelgebein! und unter ihnen in seiner Gestalt stehn
Abbadona! allein auch er erblikte Gerippe!
Täuschung hatte sich über die ganze Hölle verbreitet;
Nur der eignen Verwandlung entsezliche hatte der Seelen
Und des Engels geschont. Der feurige leuchtende Klumpen
Stand in der Mittagsglut jezt über dem Meere des Todes,
Erst entstellter, als sonst, von schwarzen Beulen des Urstofs
Aufgeschwollen; allein die öfneten sich, und ergossen
Lichteren Brand, aus jedem der furchtbaren Schlünd' ein Glutmeer.
Weisser wurde das Schreckengefild bis hin, wo kein Auge
Mehr von einander vermochte die Grabgestalten zu sondern.
Aber auch da, wo die Seelen sich unterschieden, erkannten
Sie doch keinen, als nur an seiner Stimme Gebrülle.
Denn wie sonst die Stimmen herauf mit dem Meere brausten,
Wie von dem Felsen herab sie schmetterten, schollen sie jezt auch;
Jezt nur dumpfer vor Quaal, vor Wut; vor Entsetzen gebrochner!

Satan richtete sich zuerst ganz auf, und allein stand,
Hoch stand Satan unter den Todten, schlug, daß es furchtbar
Wiederhallt' aus den Trümmern des Throns, mit der Hand an den Schädel,
Rief! der Klippe, die lang' aus den Wolken schwindelnd herüber
Hieng, das Entsetzen des fliehenden Wanderers, und dem Damme
Gleich, der im wiedertönenden Walde den Strom noch zurükzwang,
Doch die auf Einmal izt stürzen, so brach sein wütender Schmerz aus.
Ha! ich weiß, was es ist, daß diese Gestalt euch belastet!
Daß ihr Jhn getödtet habet! das ists! ihr Verruchten!
Das, ihr Geripp! ihr Greuel, wovon die Verwesung, des Nagens
Müd', aufstand! ihr Ungeheuer, welche der Donner
Gottes zerstreu'! und wieder vereine das Beben des Abgrunds!
Wieder zusammen werfe der Sturm, und das Meer in Empörung
Gegen den fliegenden Sturm, wenn es seine Ströme dahergeußt!
Also
IV Band. D

Sechzehnter Geſang.
Engelgebein! und unter ihnen in ſeiner Geſtalt ſtehn
Abbadona! allein auch er erblikte Gerippe!
Taͤuſchung hatte ſich uͤber die ganze Hoͤlle verbreitet;
Nur der eignen Verwandlung entſezliche hatte der Seelen
Und des Engels geſchont. Der feurige leuchtende Klumpen
Stand in der Mittagsglut jezt uͤber dem Meere des Todes,
Erſt entſtellter, als ſonſt, von ſchwarzen Beulen des Urſtofs
Aufgeſchwollen; allein die oͤfneten ſich, und ergoſſen
Lichteren Brand, aus jedem der furchtbaren Schluͤnd’ ein Glutmeer.
Weiſſer wurde das Schreckengefild bis hin, wo kein Auge
Mehr von einander vermochte die Grabgeſtalten zu ſondern.
Aber auch da, wo die Seelen ſich unterſchieden, erkannten
Sie doch keinen, als nur an ſeiner Stimme Gebruͤlle.
Denn wie ſonſt die Stimmen herauf mit dem Meere brauſten,
Wie von dem Felſen herab ſie ſchmetterten, ſchollen ſie jezt auch;
Jezt nur dumpfer vor Quaal, vor Wut; vor Entſetzen gebrochner!

Satan richtete ſich zuerſt ganz auf, und allein ſtand,
Hoch ſtand Satan unter den Todten, ſchlug, daß es furchtbar
Wiederhallt’ aus den Truͤmmern des Throns, mit der Hand an den Schaͤdel,
Rief! der Klippe, die lang’ aus den Wolken ſchwindelnd heruͤber
Hieng, das Entſetzen des fliehenden Wanderers, und dem Damme
Gleich, der im wiedertoͤnenden Walde den Strom noch zuruͤkzwang,
Doch die auf Einmal izt ſtuͤrzen, ſo brach ſein wuͤtender Schmerz aus.
Ha! ich weiß, was es iſt, daß dieſe Geſtalt euch belaſtet!
Daß ihr Jhn getoͤdtet habet! das iſts! ihr Verruchten!
Das, ihr Geripp! ihr Greuel, wovon die Verweſung, des Nagens
Muͤd’, aufſtand! ihr Ungeheuer, welche der Donner
Gottes zerſtreu’! und wieder vereine das Beben des Abgrunds!
Wieder zuſammen werfe der Sturm, und das Meer in Empoͤrung
Gegen den fliegenden Sturm, wenn es ſeine Stroͤme dahergeußt!
Alſo
IV Band. D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="57">
              <pb facs="#f0049" n="49"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sechzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
              <l>Engelgebein! und unter ihnen in &#x017F;einer Ge&#x017F;talt &#x017F;tehn</l><lb/>
              <l>Abbadona! allein auch er erblikte Gerippe!</l><lb/>
              <l>Ta&#x0364;u&#x017F;chung hatte &#x017F;ich u&#x0364;ber die ganze Ho&#x0364;lle verbreitet;</l><lb/>
              <l>Nur der eignen Verwandlung ent&#x017F;ezliche hatte der Seelen</l><lb/>
              <l>Und des Engels ge&#x017F;chont. Der feurige leuchtende Klumpen</l><lb/>
              <l>Stand in der Mittagsglut jezt u&#x0364;ber dem Meere des Todes,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;t ent&#x017F;tellter, als &#x017F;on&#x017F;t, von &#x017F;chwarzen Beulen des Ur&#x017F;tofs</l><lb/>
              <l>Aufge&#x017F;chwollen; allein die o&#x0364;fneten &#x017F;ich, und ergo&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Lichteren Brand, aus jedem der furchtbaren Schlu&#x0364;nd&#x2019; ein Glutmeer.</l><lb/>
              <l>Wei&#x017F;&#x017F;er wurde das Schreckengefild bis hin, wo kein Auge</l><lb/>
              <l>Mehr von einander vermochte die Grabge&#x017F;talten zu &#x017F;ondern.</l><lb/>
              <l>Aber auch da, wo die Seelen &#x017F;ich unter&#x017F;chieden, erkannten</l><lb/>
              <l>Sie doch keinen, als nur an &#x017F;einer Stimme Gebru&#x0364;lle.</l><lb/>
              <l>Denn wie &#x017F;on&#x017F;t die Stimmen herauf mit dem Meere brau&#x017F;ten,</l><lb/>
              <l>Wie von dem Fel&#x017F;en herab &#x017F;ie &#x017F;chmetterten, &#x017F;chollen &#x017F;ie jezt auch;</l><lb/>
              <l>Jezt nur dumpfer vor Quaal, vor Wut; vor Ent&#x017F;etzen gebrochner!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="58">
              <l>Satan richtete &#x017F;ich zuer&#x017F;t ganz auf, und allein &#x017F;tand,</l><lb/>
              <l>Hoch &#x017F;tand Satan unter den Todten, &#x017F;chlug, daß es furchtbar</l><lb/>
              <l>Wiederhallt&#x2019; aus den Tru&#x0364;mmern des Throns, mit der Hand an den Scha&#x0364;del,</l><lb/>
              <l>Rief! der Klippe, die lang&#x2019; aus den Wolken &#x017F;chwindelnd heru&#x0364;ber</l><lb/>
              <l>Hieng, das Ent&#x017F;etzen des fliehenden Wanderers, und dem Damme</l><lb/>
              <l>Gleich, der im wiederto&#x0364;nenden Walde den Strom noch zuru&#x0364;kzwang,</l><lb/>
              <l>Doch die auf Einmal izt &#x017F;tu&#x0364;rzen, &#x017F;o brach &#x017F;ein wu&#x0364;tender Schmerz aus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="59">
              <l>Ha! ich weiß, was es i&#x017F;t, daß die&#x017F;e Ge&#x017F;talt euch bela&#x017F;tet!</l><lb/>
              <l>Daß ihr Jhn geto&#x0364;dtet habet! das i&#x017F;ts! ihr Verruchten!</l><lb/>
              <l>Das, ihr Geripp! ihr Greuel, wovon die Verwe&#x017F;ung, des Nagens</l><lb/>
              <l>Mu&#x0364;d&#x2019;, auf&#x017F;tand! ihr Ungeheuer, welche der Donner</l><lb/>
              <l>Gottes zer&#x017F;treu&#x2019;! und wieder vereine das Beben des Abgrunds!</l><lb/>
              <l>Wieder zu&#x017F;ammen werfe der Sturm, und das Meer in Empo&#x0364;rung</l><lb/>
              <l>Gegen den fliegenden Sturm, wenn es &#x017F;eine Stro&#x0364;me dahergeußt!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> D</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0049] Sechzehnter Geſang. Engelgebein! und unter ihnen in ſeiner Geſtalt ſtehn Abbadona! allein auch er erblikte Gerippe! Taͤuſchung hatte ſich uͤber die ganze Hoͤlle verbreitet; Nur der eignen Verwandlung entſezliche hatte der Seelen Und des Engels geſchont. Der feurige leuchtende Klumpen Stand in der Mittagsglut jezt uͤber dem Meere des Todes, Erſt entſtellter, als ſonſt, von ſchwarzen Beulen des Urſtofs Aufgeſchwollen; allein die oͤfneten ſich, und ergoſſen Lichteren Brand, aus jedem der furchtbaren Schluͤnd’ ein Glutmeer. Weiſſer wurde das Schreckengefild bis hin, wo kein Auge Mehr von einander vermochte die Grabgeſtalten zu ſondern. Aber auch da, wo die Seelen ſich unterſchieden, erkannten Sie doch keinen, als nur an ſeiner Stimme Gebruͤlle. Denn wie ſonſt die Stimmen herauf mit dem Meere brauſten, Wie von dem Felſen herab ſie ſchmetterten, ſchollen ſie jezt auch; Jezt nur dumpfer vor Quaal, vor Wut; vor Entſetzen gebrochner! Satan richtete ſich zuerſt ganz auf, und allein ſtand, Hoch ſtand Satan unter den Todten, ſchlug, daß es furchtbar Wiederhallt’ aus den Truͤmmern des Throns, mit der Hand an den Schaͤdel, Rief! der Klippe, die lang’ aus den Wolken ſchwindelnd heruͤber Hieng, das Entſetzen des fliehenden Wanderers, und dem Damme Gleich, der im wiedertoͤnenden Walde den Strom noch zuruͤkzwang, Doch die auf Einmal izt ſtuͤrzen, ſo brach ſein wuͤtender Schmerz aus. Ha! ich weiß, was es iſt, daß dieſe Geſtalt euch belaſtet! Daß ihr Jhn getoͤdtet habet! das iſts! ihr Verruchten! Das, ihr Geripp! ihr Greuel, wovon die Verweſung, des Nagens Muͤd’, aufſtand! ihr Ungeheuer, welche der Donner Gottes zerſtreu’! und wieder vereine das Beben des Abgrunds! Wieder zuſammen werfe der Sturm, und das Meer in Empoͤrung Gegen den fliegenden Sturm, wenn es ſeine Stroͤme dahergeußt! Alſo IV Band. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/49
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/49>, abgerufen am 19.04.2024.