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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Zwölfter Gesang.
Bebt' in die Wolke nicht Tabor hinauf? Da kam Eleoa
Aus dem Dunkel einher, der Nacht des richtenden Vaters,
Schwebt', und sang ihm Triumphe! Da begann er zu sterben!

Als sie schwiegen, erscholl die sanfte Stimme der Klage:
Und gestorben ist er! er ist gestorben, ihr Engel!
Also sangen sie. Joseph, und Nikodemus erhuben
Von der Erde den heiligen Leichnam, und trugen langsam
Jhn von Golgatha's Höh, der Last von Gott gewürdigt.
Und aus einem der Chöre geleitet' ein Hall sie hinunter:
Ach er hielt es nicht Raub, Gott gleichen! und dennoch, du Schönster
Unter den Menschen und Engeln, erniedertest du bis zum Tode
Dich, bis zum Tod' am Kreuz! und Knechte sündiger Götzen
Warfen um seine Gewande das Loos! Ach Essig und Galle
Gaben sie ihm in seinem entflammten Durste zu trinken,
Und vom bitteren Kelche des Spottes der Seele des Dulders!
Jetzo erhub ein flammendes Chor die Stimme gen Himmel:
Ach Jerusalem, ach! ... Weh dir, Jerusalem! Wehe
Deinen Söhnen, Jerusalem! Jene zu schreckliche Stimme,
Ach dein Rufen ums Blut des Mittlers, wie hat es der Feldherrn
Rufen, du Stadt des Todes, erhört! Wie haben die Adler
Sich versammlet ums Aas! ... Die Harfen entsanken den Vätern,
Aber es rief die Posaune fort das Rufen der Feldherrn.
Auch den Händen des Manns, der Aarons Gott war, entsanken
Seine Saiten; allein, da Eloa's Donnerposaune
Weh ausrief, entschwebt' er der Heiligen weinenden Chören,
Trat dann dicht bey dem Engel heran zu dem blutigen Leichnam.
Also sang er, und also erscholl die Posaune des Seraphs:
Lange
E 4

Zwoͤlfter Geſang.
Bebt’ in die Wolke nicht Tabor hinauf? Da kam Eleoa
Aus dem Dunkel einher, der Nacht des richtenden Vaters,
Schwebt’, und ſang ihm Triumphe! Da begann er zu ſterben!

Als ſie ſchwiegen, erſcholl die ſanfte Stimme der Klage:
Und geſtorben iſt er! er iſt geſtorben, ihr Engel!
Alſo ſangen ſie. Joſeph, und Nikodemus erhuben
Von der Erde den heiligen Leichnam, und trugen langſam
Jhn von Golgatha’s Hoͤh, der Laſt von Gott gewuͤrdigt.
Und aus einem der Choͤre geleitet’ ein Hall ſie hinunter:
Ach er hielt es nicht Raub, Gott gleichen! und dennoch, du Schoͤnſter
Unter den Menſchen und Engeln, erniederteſt du bis zum Tode
Dich, bis zum Tod’ am Kreuz! und Knechte ſuͤndiger Goͤtzen
Warfen um ſeine Gewande das Loos! Ach Eſſig und Galle
Gaben ſie ihm in ſeinem entflammten Durſte zu trinken,
Und vom bitteren Kelche des Spottes der Seele des Dulders!
Jetzo erhub ein flammendes Chor die Stimme gen Himmel:
Ach Jeruſalem, ach! … Weh dir, Jeruſalem! Wehe
Deinen Soͤhnen, Jeruſalem! Jene zu ſchreckliche Stimme,
Ach dein Rufen ums Blut des Mittlers, wie hat es der Feldherrn
Rufen, du Stadt des Todes, erhoͤrt! Wie haben die Adler
Sich verſammlet ums Aas! … Die Harfen entſanken den Vaͤtern,
Aber es rief die Poſaune fort das Rufen der Feldherrn.
Auch den Haͤnden des Manns, der Aarons Gott war, entſanken
Seine Saiten; allein, da Eloa’s Donnerpoſaune
Weh ausrief, entſchwebt’ er der Heiligen weinenden Choͤren,
Trat dann dicht bey dem Engel heran zu dem blutigen Leichnam.
Alſo ſang er, und alſo erſcholl die Poſaune des Seraphs:
Lange
E 4
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[71/0087] Zwoͤlfter Geſang. Bebt’ in die Wolke nicht Tabor hinauf? Da kam Eleoa Aus dem Dunkel einher, der Nacht des richtenden Vaters, Schwebt’, und ſang ihm Triumphe! Da begann er zu ſterben! Als ſie ſchwiegen, erſcholl die ſanfte Stimme der Klage: Und geſtorben iſt er! er iſt geſtorben, ihr Engel! Alſo ſangen ſie. Joſeph, und Nikodemus erhuben Von der Erde den heiligen Leichnam, und trugen langſam Jhn von Golgatha’s Hoͤh, der Laſt von Gott gewuͤrdigt. Und aus einem der Choͤre geleitet’ ein Hall ſie hinunter: Ach er hielt es nicht Raub, Gott gleichen! und dennoch, du Schoͤnſter Unter den Menſchen und Engeln, erniederteſt du bis zum Tode Dich, bis zum Tod’ am Kreuz! und Knechte ſuͤndiger Goͤtzen Warfen um ſeine Gewande das Loos! Ach Eſſig und Galle Gaben ſie ihm in ſeinem entflammten Durſte zu trinken, Und vom bitteren Kelche des Spottes der Seele des Dulders! Jetzo erhub ein flammendes Chor die Stimme gen Himmel: Ach Jeruſalem, ach! … Weh dir, Jeruſalem! Wehe Deinen Soͤhnen, Jeruſalem! Jene zu ſchreckliche Stimme, Ach dein Rufen ums Blut des Mittlers, wie hat es der Feldherrn Rufen, du Stadt des Todes, erhoͤrt! Wie haben die Adler Sich verſammlet ums Aas! … Die Harfen entſanken den Vaͤtern, Aber es rief die Poſaune fort das Rufen der Feldherrn. Auch den Haͤnden des Manns, der Aarons Gott war, entſanken Seine Saiten; allein, da Eloa’s Donnerpoſaune Weh ausrief, entſchwebt’ er der Heiligen weinenden Choͤren, Trat dann dicht bey dem Engel heran zu dem blutigen Leichnam. Alſo ſang er, und alſo erſcholl die Poſaune des Seraphs: Lange E 4

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/87>, abgerufen am 23.04.2024.