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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Elfter Gesang.
Danken, danken will ich! sie riefs mit zitternder Stimme,
Ewig danken! Ach mehr, als die frohste Hoffnung entzücket,
Hast du mir Freuden gegeben! auch sie erwachen, du Geber
Unaussprechlicher Wonne! du Geber des ewigen Lebens!
Und sie kniete nieder, und sah, mit gefalteten Händen,
Und mit lautem Weinen, um sich die Kinder erwachen!
Sah sie werden! so schnell, als der Glut sich Flammen entschwingen,
Sah sie aus ihrem wehenden Staube sich Engel erheben!
Und den ätherischen Leib den neugeschaffnen verklären!
Sah ihr erstes Lächeln, es lächelte nicht der Mutter!
Sah ihr werdendes Auge gen Himmel sich öffnen, und schimmern,
Hört' ihr erstes Stammeln zu Gott! die seligste Mutter!
Neben einander begrub Ein Grab vier Freunde. Dem Hügel
War das Felsengewölbe, worunter die Leichname ruhten,
Jm Erdbeben entstürzt. Sie sahen ihre Gebeine
Ueber ihrer Verwesungen eingesunkenen Asche
Liegen, und segneten diese zerstreuten Trümmern des Lebens,
Mit dem Wunsche nach Auferstehung; aber sie hofften
Jetzo des freudigen Wunsches Erfüllung noch nicht. Der Entschlafnen
Letzter, der Ethan, und Chalkol, und Heman zur Ruhe begleitet,
Dann noch ein wenig auf Erden, ihr Uebriger, hatte gewandelt,
Darda sprach zu seinen Geliebten: Wie waren wir immer
So glückselig, ihr Freunde. Das Leben am Grabe vereint' uns,
Dann das Grab, die Ewigkeit auch! zwar sahen wir Ethan
Sterben, und weinten ihm nach; dein Gebein ist weisser, o Ethan!
Heman sah ich, und Chalkol des Todes Weg zwar ziehen,
Aber zu Ethan hinauf, und weinten sanfter. Darauf schlief
Chalkol
D 2
Elfter Geſang.
Danken, danken will ich! ſie riefs mit zitternder Stimme,
Ewig danken! Ach mehr, als die frohſte Hoffnung entzuͤcket,
Haſt du mir Freuden gegeben! auch ſie erwachen, du Geber
Unausſprechlicher Wonne! du Geber des ewigen Lebens!
Und ſie kniete nieder, und ſah, mit gefalteten Haͤnden,
Und mit lautem Weinen, um ſich die Kinder erwachen!
Sah ſie werden! ſo ſchnell, als der Glut ſich Flammen entſchwingen,
Sah ſie aus ihrem wehenden Staube ſich Engel erheben!
Und den aͤtheriſchen Leib den neugeſchaffnen verklaͤren!
Sah ihr erſtes Laͤcheln, es laͤchelte nicht der Mutter!
Sah ihr werdendes Auge gen Himmel ſich oͤffnen, und ſchimmern,
Hoͤrt’ ihr erſtes Stammeln zu Gott! die ſeligſte Mutter!
Neben einander begrub Ein Grab vier Freunde. Dem Huͤgel
War das Felſengewoͤlbe, worunter die Leichname ruhten,
Jm Erdbeben entſtuͤrzt. Sie ſahen ihre Gebeine
Ueber ihrer Verweſungen eingeſunkenen Aſche
Liegen, und ſegneten dieſe zerſtreuten Truͤmmern des Lebens,
Mit dem Wunſche nach Auferſtehung; aber ſie hofften
Jetzo des freudigen Wunſches Erfuͤllung noch nicht. Der Entſchlafnen
Letzter, der Ethan, und Chalkol, und Heman zur Ruhe begleitet,
Dann noch ein wenig auf Erden, ihr Uebriger, hatte gewandelt,
Darda ſprach zu ſeinen Geliebten: Wie waren wir immer
So gluͤckſelig, ihr Freunde. Das Leben am Grabe vereint’ uns,
Dann das Grab, die Ewigkeit auch! zwar ſahen wir Ethan
Sterben, und weinten ihm nach; dein Gebein iſt weiſſer, o Ethan!
Heman ſah ich, und Chalkol des Todes Weg zwar ziehen,
Aber zu Ethan hinauf, und weinten ſanfter. Darauf ſchlief
Chalkol
D 2
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[51/0067] Elfter Geſang. Danken, danken will ich! ſie riefs mit zitternder Stimme, Ewig danken! Ach mehr, als die frohſte Hoffnung entzuͤcket, Haſt du mir Freuden gegeben! auch ſie erwachen, du Geber Unausſprechlicher Wonne! du Geber des ewigen Lebens! Und ſie kniete nieder, und ſah, mit gefalteten Haͤnden, Und mit lautem Weinen, um ſich die Kinder erwachen! Sah ſie werden! ſo ſchnell, als der Glut ſich Flammen entſchwingen, Sah ſie aus ihrem wehenden Staube ſich Engel erheben! Und den aͤtheriſchen Leib den neugeſchaffnen verklaͤren! Sah ihr erſtes Laͤcheln, es laͤchelte nicht der Mutter! Sah ihr werdendes Auge gen Himmel ſich oͤffnen, und ſchimmern, Hoͤrt’ ihr erſtes Stammeln zu Gott! die ſeligſte Mutter! Neben einander begrub Ein Grab vier Freunde. Dem Huͤgel War das Felſengewoͤlbe, worunter die Leichname ruhten, Jm Erdbeben entſtuͤrzt. Sie ſahen ihre Gebeine Ueber ihrer Verweſungen eingeſunkenen Aſche Liegen, und ſegneten dieſe zerſtreuten Truͤmmern des Lebens, Mit dem Wunſche nach Auferſtehung; aber ſie hofften Jetzo des freudigen Wunſches Erfuͤllung noch nicht. Der Entſchlafnen Letzter, der Ethan, und Chalkol, und Heman zur Ruhe begleitet, Dann noch ein wenig auf Erden, ihr Uebriger, hatte gewandelt, Darda ſprach zu ſeinen Geliebten: Wie waren wir immer So gluͤckſelig, ihr Freunde. Das Leben am Grabe vereint’ uns, Dann das Grab, die Ewigkeit auch! zwar ſahen wir Ethan Sterben, und weinten ihm nach; dein Gebein iſt weiſſer, o Ethan! Heman ſah ich, und Chalkol des Todes Weg zwar ziehen, Aber zu Ethan hinauf, und weinten ſanfter. Darauf ſchlief Chalkol D 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/67>, abgerufen am 29.03.2024.