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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Und wir kommen zu ihnen, so bald sie den Gipfel erreichen,
Denn der kleinere Weg fließt mit dem grossen zusammen.

Ja, ich bin dein Gefährt; doch kehrst du mit mir zurücke. ...
Nicht zurücke mit dir. ... Welch ist die Heimath, o Pilger,
Die dein wartet? ... Mein warten in meiner glücklichen Heimath
Himmlische Freunde. ... So bist du nicht arm, wenn redliche Freunde
Dir dein Leben erheitern. O nenne mir ihre Namen.
Jhre Namen? Du würdest erstaunen, daß ihrer so viel sind. ...
Viele Freunde! das macht mich erstaunen; doch nenne sie. ... Freudig
Sah der Pilger ihn an, und begann die Namen zu nennen.
David! Abraham! Noa! Melchisedek! Jsaak! Hiob!
Rahel! Joseph! Debora! ... und Semida sah ihn erstaunt an.
Doch bald staunt' er noch mehr. Des Pilgers Angesicht wurde
Röthlich, und schimmernd, doch wars erst wenig Dämmrung von Schimmer.
Auch schien Jonathan schwebend zu gehn. Je heller er wurde,
Desto blässer vor Freud' und vor Furcht ward Semida's Antlitz.
Aber ihn stärkte sein Freund, und führte den Bebenden weiter.
Auf dem anderen Wege stand auf Einmal der Reise
Frohe Gefährtinn, die Pilgerinn, still, und sprach zu der Mutter:
Weiter folge du nicht. Die Auferweckte des Mittlers
Sieht die höhern Erscheinungen nur. Sie glänzte verwandelt.
Nimm jetzt Abschied. Sie sagt' es der sinkenden Mutter, und hielt sie.
Abschied von meiner Cidli, von der ich niemals mich trennte?
Komm bald wieder, o himmlische Tochter, und sage mir Armen,
Was du sahst. Gott segne zu dieser Erscheinungen Heil dich!
Geh nach Salem hinab, so sprach zu der Mutter Megiddo,
Denn du siehest so bald die glückliche Cidli nicht wieder!
Meine

Funfzehnter Geſang.
Und wir kommen zu ihnen, ſo bald ſie den Gipfel erreichen,
Denn der kleinere Weg fließt mit dem groſſen zuſammen.

Ja, ich bin dein Gefaͤhrt; doch kehrſt du mit mir zuruͤcke. …
Nicht zuruͤcke mit dir. … Welch iſt die Heimath, o Pilger,
Die dein wartet? … Mein warten in meiner gluͤcklichen Heimath
Himmliſche Freunde. … So biſt du nicht arm, wenn redliche Freunde
Dir dein Leben erheitern. O nenne mir ihre Namen.
Jhre Namen? Du wuͤrdeſt erſtaunen, daß ihrer ſo viel ſind. …
Viele Freunde! das macht mich erſtaunen; doch nenne ſie. … Freudig
Sah der Pilger ihn an, und begann die Namen zu nennen.
David! Abraham! Noa! Melchiſedek! Jſaak! Hiob!
Rahel! Joſeph! Debora! … und Semida ſah ihn erſtaunt an.
Doch bald ſtaunt’ er noch mehr. Des Pilgers Angeſicht wurde
Roͤthlich, und ſchimmernd, doch wars erſt wenig Daͤmmrung von Schim̃er.
Auch ſchien Jonathan ſchwebend zu gehn. Je heller er wurde,
Deſto blaͤſſer vor Freud’ und vor Furcht ward Semida’s Antlitz.
Aber ihn ſtaͤrkte ſein Freund, und fuͤhrte den Bebenden weiter.
Auf dem anderen Wege ſtand auf Einmal der Reiſe
Frohe Gefaͤhrtinn, die Pilgerinn, ſtill, und ſprach zu der Mutter:
Weiter folge du nicht. Die Auferweckte des Mittlers
Sieht die hoͤhern Erſcheinungen nur. Sie glaͤnzte verwandelt.
Nimm jetzt Abſchied. Sie ſagt’ es der ſinkenden Mutter, und hielt ſie.
Abſchied von meiner Cidli, von der ich niemals mich trennte?
Komm bald wieder, o himmliſche Tochter, und ſage mir Armen,
Was du ſahſt. Gott ſegne zu dieſer Erſcheinungen Heil dich!
Geh nach Salem hinab, ſo ſprach zu der Mutter Megiddo,
Denn du ſieheſt ſo bald die gluͤckliche Cidli nicht wieder!
Meine
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[253/0269] Funfzehnter Geſang. Und wir kommen zu ihnen, ſo bald ſie den Gipfel erreichen, Denn der kleinere Weg fließt mit dem groſſen zuſammen. Ja, ich bin dein Gefaͤhrt; doch kehrſt du mit mir zuruͤcke. … Nicht zuruͤcke mit dir. … Welch iſt die Heimath, o Pilger, Die dein wartet? … Mein warten in meiner gluͤcklichen Heimath Himmliſche Freunde. … So biſt du nicht arm, wenn redliche Freunde Dir dein Leben erheitern. O nenne mir ihre Namen. Jhre Namen? Du wuͤrdeſt erſtaunen, daß ihrer ſo viel ſind. … Viele Freunde! das macht mich erſtaunen; doch nenne ſie. … Freudig Sah der Pilger ihn an, und begann die Namen zu nennen. David! Abraham! Noa! Melchiſedek! Jſaak! Hiob! Rahel! Joſeph! Debora! … und Semida ſah ihn erſtaunt an. Doch bald ſtaunt’ er noch mehr. Des Pilgers Angeſicht wurde Roͤthlich, und ſchimmernd, doch wars erſt wenig Daͤmmrung von Schim̃er. Auch ſchien Jonathan ſchwebend zu gehn. Je heller er wurde, Deſto blaͤſſer vor Freud’ und vor Furcht ward Semida’s Antlitz. Aber ihn ſtaͤrkte ſein Freund, und fuͤhrte den Bebenden weiter. Auf dem anderen Wege ſtand auf Einmal der Reiſe Frohe Gefaͤhrtinn, die Pilgerinn, ſtill, und ſprach zu der Mutter: Weiter folge du nicht. Die Auferweckte des Mittlers Sieht die hoͤhern Erſcheinungen nur. Sie glaͤnzte verwandelt. Nimm jetzt Abſchied. Sie ſagt’ es der ſinkenden Mutter, und hielt ſie. Abſchied von meiner Cidli, von der ich niemals mich trennte? Komm bald wieder, o himmliſche Tochter, und ſage mir Armen, Was du ſahſt. Gott ſegne zu dieſer Erſcheinungen Heil dich! Geh nach Salem hinab, ſo ſprach zu der Mutter Megiddo, Denn du ſieheſt ſo bald die gluͤckliche Cidli nicht wieder! Meine

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/269>, abgerufen am 24.04.2024.