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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Die den Geliebten der engen, der dunkeln Wissenschaft vorzieht,
Und der Brüder Liebe, die freundliche, duldende, sanfte,
Die nicht eifert, nicht spottet, von keinem Stolze sich aufbläht,
Die kein Zorn entstellt, die nicht das ihrige suchet.
Nie zu erbittern, trachtet sie nie, dem Bruder zu schaden.
Ungerechtigkeit freuet sie nicht, sie freuet die Wahrheit!
Alles glaubt sie, erträgt sie, und hoffet alles, und duldet
Alles! ist nie zu ermüden! sie dauert ins ewige Leben!
Diese Liebe sey dein, du Jüngstgebohrner der Gnade
Unter den heiligen Boten, dem Jesus selber erscheinet!
Denn die, welche du liebst, sind Glieder der hohen Gemeine;
Und ohne Flecken, und Tadel ist die hohe Gemeine,
Jst des Bräutigams Braut, und in seinem Blute gewaschen,
Jenem, das lauter rufet, als Abels, und nicht um Rache!
Heil euch! und lauter, als rief, von dem Berge des Schreckengeheges,
Sina, der Donner, der Chernbim Schaar, die Posaun', und um Fluch nicht!

Hinter Stephanus, ging von dieser Weihe begleitet,
Saulus hinab. Die Heiligen schwebten nach Tabor hinüber.
Simeons Bruder Elkanan, mit ihm sein kindlicher Leiter,
Waren zu Samma hinein den traurigen Abend gegangen,
Da sie das alternde Grab voll stillen Mooses verliessen.
Samma hielt sie bey sich, süßüberredend, ein heitrer
Freundlicher Wirth, obwohl viel Schmerz die Seel' ihm bewölkte,
Jetzt der neue, todt sey Christus, und seines Erwachens
Ruf bezeuge noch keiner! Das klagt' auch Elkanan, und Boa,
Joel, mit dir. Sie sandten umher, und konnten die Jünger
Deß, der leben sollte, nicht finden. Sie sassen in Joels
Duften-

Funfzehnter Geſang.
Die den Geliebten der engen, der dunkeln Wiſſenſchaft vorzieht,
Und der Bruͤder Liebe, die freundliche, duldende, ſanfte,
Die nicht eifert, nicht ſpottet, von keinem Stolze ſich aufblaͤht,
Die kein Zorn entſtellt, die nicht das ihrige ſuchet.
Nie zu erbittern, trachtet ſie nie, dem Bruder zu ſchaden.
Ungerechtigkeit freuet ſie nicht, ſie freuet die Wahrheit!
Alles glaubt ſie, ertraͤgt ſie, und hoffet alles, und duldet
Alles! iſt nie zu ermuͤden! ſie dauert ins ewige Leben!
Dieſe Liebe ſey dein, du Juͤngſtgebohrner der Gnade
Unter den heiligen Boten, dem Jeſus ſelber erſcheinet!
Denn die, welche du liebſt, ſind Glieder der hohen Gemeine;
Und ohne Flecken, und Tadel iſt die hohe Gemeine,
Jſt des Braͤutigams Braut, und in ſeinem Blute gewaſchen,
Jenem, das lauter rufet, als Abels, und nicht um Rache!
Heil euch! und lauter, als rief, von dem Berge des Schreckengeheges,
Sina, der Donner, der Chernbim Schaar, die Poſaun’, und um Fluch nicht!

Hinter Stephanus, ging von dieſer Weihe begleitet,
Saulus hinab. Die Heiligen ſchwebten nach Tabor hinuͤber.
Simeons Bruder Elkanan, mit ihm ſein kindlicher Leiter,
Waren zu Samma hinein den traurigen Abend gegangen,
Da ſie das alternde Grab voll ſtillen Mooſes verlieſſen.
Samma hielt ſie bey ſich, ſuͤßuͤberredend, ein heitrer
Freundlicher Wirth, obwohl viel Schmerz die Seel’ ihm bewoͤlkte,
Jetzt der neue, todt ſey Chriſtus, und ſeines Erwachens
Ruf bezeuge noch keiner! Das klagt’ auch Elkanan, und Boa,
Joel, mit dir. Sie ſandten umher, und konnten die Juͤnger
Deß, der leben ſollte, nicht finden. Sie ſaſſen in Joels
Duften-
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[237/0253] Funfzehnter Geſang. Die den Geliebten der engen, der dunkeln Wiſſenſchaft vorzieht, Und der Bruͤder Liebe, die freundliche, duldende, ſanfte, Die nicht eifert, nicht ſpottet, von keinem Stolze ſich aufblaͤht, Die kein Zorn entſtellt, die nicht das ihrige ſuchet. Nie zu erbittern, trachtet ſie nie, dem Bruder zu ſchaden. Ungerechtigkeit freuet ſie nicht, ſie freuet die Wahrheit! Alles glaubt ſie, ertraͤgt ſie, und hoffet alles, und duldet Alles! iſt nie zu ermuͤden! ſie dauert ins ewige Leben! Dieſe Liebe ſey dein, du Juͤngſtgebohrner der Gnade Unter den heiligen Boten, dem Jeſus ſelber erſcheinet! Denn die, welche du liebſt, ſind Glieder der hohen Gemeine; Und ohne Flecken, und Tadel iſt die hohe Gemeine, Jſt des Braͤutigams Braut, und in ſeinem Blute gewaſchen, Jenem, das lauter rufet, als Abels, und nicht um Rache! Heil euch! und lauter, als rief, von dem Berge des Schreckengeheges, Sina, der Donner, der Chernbim Schaar, die Poſaun’, und um Fluch nicht! Hinter Stephanus, ging von dieſer Weihe begleitet, Saulus hinab. Die Heiligen ſchwebten nach Tabor hinuͤber. Simeons Bruder Elkanan, mit ihm ſein kindlicher Leiter, Waren zu Samma hinein den traurigen Abend gegangen, Da ſie das alternde Grab voll ſtillen Mooſes verlieſſen. Samma hielt ſie bey ſich, ſuͤßuͤberredend, ein heitrer Freundlicher Wirth, obwohl viel Schmerz die Seel’ ihm bewoͤlkte, Jetzt der neue, todt ſey Chriſtus, und ſeines Erwachens Ruf bezeuge noch keiner! Das klagt’ auch Elkanan, und Boa, Joel, mit dir. Sie ſandten umher, und konnten die Juͤnger Deß, der leben ſollte, nicht finden. Sie ſaſſen in Joels Duften-

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/253>, abgerufen am 19.04.2024.