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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Vierzehnter Gesang.
Nenn' es nicht Wahn, mein Bruder! Bey dem, der ewig lebet!
Ach bey Jesus, der todt war, und ewig lebet! beschwör' ich
Dich, mein Bruder, nenne nicht Wahn, was die Rechte Jehova
That! nicht dieser erstaunlichen Herrlichkeit Offenbarung!
Heilig ist jene Stäte, wo ich ihn sahe. Da brannte
Mir der Busch! da sah ich im Busche die Herrlichkeit Gottes!
Da, da war die Pforte des offnen Himmels! Hier stehn wir!
Schau die Zeugen um dich! hier stehn wir Alle, die Neune!
Magdale dann! dann ich! Wir haben den Göttlichen lebend,
Lebend haben wir ihn, nicht todt mehr, alle gesehen!
Meine Seele bewegt sich in mir vor Wehmut, indem ich
Deine Traurigkeit seh, sprach Magdalena Maria,
Deiner grübelnden Zweifel zu qualenvolle Gedanken.
Habe Mitleid mit ihm, mit deinem Jünger, Erstandner,
Mitleid! Er zweifelt aus Angst dein Jünger, aus Jammer der Seele;
Nicht aus bösem Herzen. Zerstoß das zerstossene Rohr nicht.
Lösche den glimmenden Tocht nicht aus. Erbarme, Rabbuni,
Seiner dich, wie du dich meiner erbarmtest! Ach Thomas,
Meinst du, daß ein Engel im Himmel mit dieser Stimme,
Dieser Wonnestimme des ewigen Lebens, die Chöre
Himmlischer Psalmen ertönen nicht so! zu reden vermöge?
Wie der Todtenerwecker, der Auferstandne, beym Namen
Mich, ich lechzte wie du, ihn zu sehn, beym Namen mich nannte!
Eurer Entzückungen Ungestüm stürzt mich Verlaßnen noch tiefer
Jn die Tiefen der Angst, die meine Seele verschlingen!
Blendete sich die Heftigkeit nicht, mit welcher ihr redet?
Thomas
Vierzehnter Geſang.
Nenn’ es nicht Wahn, mein Bruder! Bey dem, der ewig lebet!
Ach bey Jeſus, der todt war, und ewig lebet! beſchwoͤr’ ich
Dich, mein Bruder, nenne nicht Wahn, was die Rechte Jehova
That! nicht dieſer erſtaunlichen Herrlichkeit Offenbarung!
Heilig iſt jene Staͤte, wo ich ihn ſahe. Da brannte
Mir der Buſch! da ſah ich im Buſche die Herrlichkeit Gottes!
Da, da war die Pforte des offnen Himmels! Hier ſtehn wir!
Schau die Zeugen um dich! hier ſtehn wir Alle, die Neune!
Magdale dann! dann ich! Wir haben den Goͤttlichen lebend,
Lebend haben wir ihn, nicht todt mehr, alle geſehen!
Meine Seele bewegt ſich in mir vor Wehmut, indem ich
Deine Traurigkeit ſeh, ſprach Magdalena Maria,
Deiner gruͤbelnden Zweifel zu qualenvolle Gedanken.
Habe Mitleid mit ihm, mit deinem Juͤnger, Erſtandner,
Mitleid! Er zweifelt aus Angſt dein Juͤnger, aus Jammer der Seele;
Nicht aus boͤſem Herzen. Zerſtoß das zerſtoſſene Rohr nicht.
Loͤſche den glimmenden Tocht nicht aus. Erbarme, Rabbuni,
Seiner dich, wie du dich meiner erbarmteſt! Ach Thomas,
Meinſt du, daß ein Engel im Himmel mit dieſer Stimme,
Dieſer Wonneſtimme des ewigen Lebens, die Choͤre
Himmliſcher Pſalmen ertoͤnen nicht ſo! zu reden vermoͤge?
Wie der Todtenerwecker, der Auferſtandne, beym Namen
Mich, ich lechzte wie du, ihn zu ſehn, beym Namen mich nannte!
Eurer Entzuͤckungen Ungeſtuͤm ſtuͤrzt mich Verlaßnen noch tiefer
Jn die Tiefen der Angſt, die meine Seele verſchlingen!
Blendete ſich die Heftigkeit nicht, mit welcher ihr redet?
Thomas
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[171/0187] Vierzehnter Geſang. Nenn’ es nicht Wahn, mein Bruder! Bey dem, der ewig lebet! Ach bey Jeſus, der todt war, und ewig lebet! beſchwoͤr’ ich Dich, mein Bruder, nenne nicht Wahn, was die Rechte Jehova That! nicht dieſer erſtaunlichen Herrlichkeit Offenbarung! Heilig iſt jene Staͤte, wo ich ihn ſahe. Da brannte Mir der Buſch! da ſah ich im Buſche die Herrlichkeit Gottes! Da, da war die Pforte des offnen Himmels! Hier ſtehn wir! Schau die Zeugen um dich! hier ſtehn wir Alle, die Neune! Magdale dann! dann ich! Wir haben den Goͤttlichen lebend, Lebend haben wir ihn, nicht todt mehr, alle geſehen! Meine Seele bewegt ſich in mir vor Wehmut, indem ich Deine Traurigkeit ſeh, ſprach Magdalena Maria, Deiner gruͤbelnden Zweifel zu qualenvolle Gedanken. Habe Mitleid mit ihm, mit deinem Juͤnger, Erſtandner, Mitleid! Er zweifelt aus Angſt dein Juͤnger, aus Jammer der Seele; Nicht aus boͤſem Herzen. Zerſtoß das zerſtoſſene Rohr nicht. Loͤſche den glimmenden Tocht nicht aus. Erbarme, Rabbuni, Seiner dich, wie du dich meiner erbarmteſt! Ach Thomas, Meinſt du, daß ein Engel im Himmel mit dieſer Stimme, Dieſer Wonneſtimme des ewigen Lebens, die Choͤre Himmliſcher Pſalmen ertoͤnen nicht ſo! zu reden vermoͤge? Wie der Todtenerwecker, der Auferſtandne, beym Namen Mich, ich lechzte wie du, ihn zu ſehn, beym Namen mich nannte! Eurer Entzuͤckungen Ungeſtuͤm ſtuͤrzt mich Verlaßnen noch tiefer Jn die Tiefen der Angſt, die meine Seele verſchlingen! Blendete ſich die Heftigkeit nicht, mit welcher ihr redet? Thomas

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/187>, abgerufen am 19.04.2024.