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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Thomas sprachs mit innigem Grame, der Thränen zurückhielt.
Simon rang die gefalteten Hände, ward ernster, und sagte:

Deine blendet sich nur, mit der du zweifelst! Wir sahen!
Und wir wurden entzückt! Wer ist im Himmel, und flammet
Nicht in Entzückungen auf? Du siehst nichts! schaffest dir Schatten,
Bange Bilder von Gräbern und Nacht, erschreckende Zweifel!
Redest entflammter davon, als wir von dem Auferstandnen,
Den wir sahen, und hörten, und dessen Leib wir berührten!
Der mit aller seiner Erbarmung, die wir an ihm kannten,
Sich uns offenbarte, die du vordem an ihm kanntest.
Geh zu den Sadducäern zurück, und glaube mit ihnen,
Daß kein Engel, noch Geist sey, noch Auferstehung vom Tode!
Mit den Worten entstürzten dem Auge Didymus Thränen.
Salome sah es, und wollt' ihn trösten. Jndem sie zu reden
Anfing, sagte der Jünger: Verstoß mich so nicht, Geliebter!
Ach, ich liebe, wie du, den gekreuzigten, göttlichen Todten,
Simon Petrus. Jtzt redete Salome. Lindert, ihr Lieben,
Seinen Schmerz. Jhr sehet, wie viel der Geängstete leidet.
Thomas, mein Bruder, den du den göttlichen Todten nanntest,
Sollt' aus dieser Jrre nicht er dir die Seele zu führen,
Nicht aus diesem Jammer das Herz zu reissen vermögen?
Er, deß Todesmut an dem Kreuze von eben der Hoheit
Zeugte, von der die Unsterblichkeit zeugt, dieß Leben der Engel,
Dem er auferstand! ... Ja, dieses Leben der Engel!
Sprachen ihre Begleiterinnen. Unsterblichkeit war es,
Diese sahn wir an ihm. Zwar, nicht wie Gabriel, strahlt' er,
Nicht wie die Engel bey seiner Geburt um Bethlehems Hütte;
Aber

Der Meſſias.
Thomas ſprachs mit innigem Grame, der Thraͤnen zuruͤckhielt.
Simon rang die gefalteten Haͤnde, ward ernſter, und ſagte:

Deine blendet ſich nur, mit der du zweifelſt! Wir ſahen!
Und wir wurden entzuͤckt! Wer iſt im Himmel, und flammet
Nicht in Entzuͤckungen auf? Du ſiehſt nichts! ſchaffeſt dir Schatten,
Bange Bilder von Graͤbern und Nacht, erſchreckende Zweifel!
Redeſt entflammter davon, als wir von dem Auferſtandnen,
Den wir ſahen, und hoͤrten, und deſſen Leib wir beruͤhrten!
Der mit aller ſeiner Erbarmung, die wir an ihm kannten,
Sich uns offenbarte, die du vordem an ihm kannteſt.
Geh zu den Sadducaͤern zuruͤck, und glaube mit ihnen,
Daß kein Engel, noch Geiſt ſey, noch Auferſtehung vom Tode!
Mit den Worten entſtuͤrzten dem Auge Didymus Thraͤnen.
Salome ſah es, und wollt’ ihn troͤſten. Jndem ſie zu reden
Anfing, ſagte der Juͤnger: Verſtoß mich ſo nicht, Geliebter!
Ach, ich liebe, wie du, den gekreuzigten, goͤttlichen Todten,
Simon Petrus. Jtzt redete Salome. Lindert, ihr Lieben,
Seinen Schmerz. Jhr ſehet, wie viel der Geaͤngſtete leidet.
Thomas, mein Bruder, den du den goͤttlichen Todten nannteſt,
Sollt’ aus dieſer Jrre nicht er dir die Seele zu fuͤhren,
Nicht aus dieſem Jammer das Herz zu reiſſen vermoͤgen?
Er, deß Todesmut an dem Kreuze von eben der Hoheit
Zeugte, von der die Unſterblichkeit zeugt, dieß Leben der Engel,
Dem er auferſtand! … Ja, dieſes Leben der Engel!
Sprachen ihre Begleiterinnen. Unſterblichkeit war es,
Dieſe ſahn wir an ihm. Zwar, nicht wie Gabriel, ſtrahlt’ er,
Nicht wie die Engel bey ſeiner Geburt um Bethlehems Huͤtte;
Aber
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[172/0188] Der Meſſias. Thomas ſprachs mit innigem Grame, der Thraͤnen zuruͤckhielt. Simon rang die gefalteten Haͤnde, ward ernſter, und ſagte: Deine blendet ſich nur, mit der du zweifelſt! Wir ſahen! Und wir wurden entzuͤckt! Wer iſt im Himmel, und flammet Nicht in Entzuͤckungen auf? Du ſiehſt nichts! ſchaffeſt dir Schatten, Bange Bilder von Graͤbern und Nacht, erſchreckende Zweifel! Redeſt entflammter davon, als wir von dem Auferſtandnen, Den wir ſahen, und hoͤrten, und deſſen Leib wir beruͤhrten! Der mit aller ſeiner Erbarmung, die wir an ihm kannten, Sich uns offenbarte, die du vordem an ihm kannteſt. Geh zu den Sadducaͤern zuruͤck, und glaube mit ihnen, Daß kein Engel, noch Geiſt ſey, noch Auferſtehung vom Tode! Mit den Worten entſtuͤrzten dem Auge Didymus Thraͤnen. Salome ſah es, und wollt’ ihn troͤſten. Jndem ſie zu reden Anfing, ſagte der Juͤnger: Verſtoß mich ſo nicht, Geliebter! Ach, ich liebe, wie du, den gekreuzigten, goͤttlichen Todten, Simon Petrus. Jtzt redete Salome. Lindert, ihr Lieben, Seinen Schmerz. Jhr ſehet, wie viel der Geaͤngſtete leidet. Thomas, mein Bruder, den du den goͤttlichen Todten nannteſt, Sollt’ aus dieſer Jrre nicht er dir die Seele zu fuͤhren, Nicht aus dieſem Jammer das Herz zu reiſſen vermoͤgen? Er, deß Todesmut an dem Kreuze von eben der Hoheit Zeugte, von der die Unſterblichkeit zeugt, dieß Leben der Engel, Dem er auferſtand! … Ja, dieſes Leben der Engel! Sprachen ihre Begleiterinnen. Unſterblichkeit war es, Dieſe ſahn wir an ihm. Zwar, nicht wie Gabriel, ſtrahlt’ er, Nicht wie die Engel bey ſeiner Geburt um Bethlehems Huͤtte; Aber

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/188>, abgerufen am 29.03.2024.